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Unruhezone. Besonders im Sommer leiden die Kiezbewohner unter dem Lärm des Barbetriebs – profitieren aber auch vom besonderen Flair.
© Imago

Friedrichshain-Kreuzberg: Wirte gegen Sperrstunde in Simon-Dach-Straße

Ab Mai soll der Außenausschank auf der Simon-Dach-Straße nur bis 23 Uhr erlaubt sein. Die Bar-Betreiber fürchten, dass der Kiez damit sein Flair verliert.

Die Frau mit den Tattoos regt sich auf. Das Licht ist gedimmt in der Kneipe „Paule’s Metal Eck“, im Hintergrund läuft Hard Rock, sie lehnt am Tresen und wartet auf die ersten Gäste an diesem Abend. Sarah Drews, Tochter des Chefs, ist mit der neuen Regelung, die das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg einführen will, gar nicht einverstanden. „Wenn ich es ruhig möchte, ziehe ich doch auf's Land oder nach Spandau“, sagt sie.

Vom RAW-Gelände bis zur Boxhagener Straße geht die Simon-Dach-Straße, das Herz des Friedrichshainer Ausgeh-Kiezes. Ab dem 2. Mai soll hier eine neue Allgemeinverfügung für die Bars, Restaurants und Spätis gelten. Nach 23 Uhr darf dann kein Tisch mehr auf dem Gehsteig stehen, wer sitzen und dabei trinken oder essen will, muss das in den Lokalen tun.

„Da kriege ich schlechte Laune“, sagt Sarah Drews. „Das macht Berlin kaputt. Die Stadt profitiert vom Tourismus und dies war schon immer eine Touristen-Straße.“ Um die Ecke an der Warschauer Straße sammeln sich am Wochenende und auch unter der Woche Feierlustige. Das RAW-Gelände direkt an den S-Bahn-Schienen mit seinen Clubs, die vielen kleinen Bars und Cafés in der Simon-Dach-Straße und den angrenzenden Straßen – wer in Berlin Urlaub macht und wer gerne ausgeht, kommt hierher. Besonders im Sommer wird es deshalb laut, wenn vor den Lokalen bis spät in die Nacht gesessen, geredet und getrunken wird.

„Niemand muss nach Hause gehen, man muss eben nur drinnen bleiben“

In den vergangenen Jahren haben sich die Beschwerden von Anwohnern beim Ordnungsamt und der Polizei gehäuft, sagt Sara Lühmann, Sprecherin des Bezirksamtes. Nach 22 Uhr gilt in ganz Berlin die Nachtruhe, wer sich danach durch Lärm belästigt sieht, kann sich beschweren. Doch wie schränkt man Lärm ein, der von einer öffentlichen Straße kommt?

Auf der Simon-Dach-Straße will „fair.kiez“, eine Arbeitsgruppe im Bezirksamt, das Problem jetzt mit eben mit einer Sperrstunde für den öffentlichen Raum vor den Bars in den Griff kriegen. Die schränkt die Nutzung der öffentlichen Fläche zeitlich ein. Der Beschluss des Bezirksamtes steht noch aus, die Zustimmung der Bezirksverordnetenversammlung ist nicht notwendig. Bislang regelte der Bezirk den Außenausschank mit jeder Kneipe auf der Simon-Dach-Straße einzeln: So mussten einige Bars draußen bereits um 22 Uhr dichtmachen, andere erst um 24 Uhr.

Die einheitliche 23-Uhr-Regelung soll erst mal nur für die Simon-Dach-Straße gelten. Es ist die erste Verfügung dieser Art im Bezirk. Die Kontrollen übernehmen die Mitarbeiter des Ordnungsamts. „Wir werden schauen, wie gut das funktioniert“, sagt Bezirkssprecherin Lühmann. „Wir haben die Interessen der Bewohner, die am nächsten Tag früh aufstehen, arbeiten und ihre Kinder zur Schule bringen müssen, ebenso im Blick wie die der Wirte.“ Es sei eine „großzügige Regelung“, keine Sperrstunde. „Niemand muss nach Hause gehen, man muss eben nur drinnen bleiben.“

„Wir sind die Stadt, die niemals schläft“

Ob sich das im Sommer gut umsetzen lässt, bezweifelt Michael Schüller, Betreiber des „Café 100 Wasser“, ein Restaurant mit bunten Wänden und zahlreichen Sitzplätzen im Außenbereich direkt gegenüber „Paule’s Metal Eck“. „Wenn es warm ist, setzt sich niemand in ein Restaurant, um Cocktails zu trinken.“ Er fürchtet, dass ihn die neue Regelung ordentlich Umsatz kosten wird und die Straße außerdem ihr Flair. „Und wegen des besonderen Flairs sind die Anwohner, die sich jetzt beschweren, doch ursprünglich hergezogen“, sagt er.

Im Metall-Eck hält Sarah Drews ein Plädoyer für das alte Friedrichshain. „An Weihnachten merkt man, das hier die meisten Anwohner Zugezogene sind. Dann brennt nur in zwei bis drei Fenstern Licht.“ Sie findet, wer hierher zieht, solle nicht versuchen, den Kiez zu ändern. „Wir sind die Stadt, die niemals schläft.“

Lena Völkening

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