Ehemaliges Kongresszentrum: Wird das ICC unter Denkmalschutz gestellt?
Die Möbel sind weg, dafür gibt es vielleicht ein drittes "C" für Culture: Der Umgang mit dem ICC hat auch eine emotionale Komponente. Archäologen und die SPD in Charlottenburg-Wilmersdorf fordern nun Denkmalschutz für den Koloss im Westend.
Es wird schon ausgeräumt. Stühle und Tische, Lautsprecher und anderes Inventar des Internationalen Congress Centrums (ICC), das im April geschlossen wurde, werden in den City Cube gebracht – den neuen Kongressbau auf dem Areal der abgerissenen Deutschlandhalle. Ursulina Schüler-Witte, Ehefrau des verstorbenen ICC-Architekten Ralf Schüler, ist empört. Sie spricht von „Plünderung, ein unglaublicher Vorgang!“
Der Sprecher der landeseigenen Messe GmbH, Michael Hofer, bestätigt, was Schüler-Witte von dritter Seite erfahren hat. „Aber wir plündern doch nicht, wir verwenden das Mobiliar des ICC sinnvoll weiter.“ Warum sollte denn die Messe für den City Cube neues Mobiliar kaufen, wenn das alte noch in Ordnung sei? Ohnehin sei alles, was im ehemaligen Kongressgebäude nicht fest verbaut sei, nicht erst seit der Schließung des ICC in den Messehallen eingelagert.
Das ICC als eines der Großbauten der "Hightech-Architektur"
Auch an diesem Beispiel zeigt sich, dass der Umgang mit dem ICC eine emotionale Komponente hat. Deutsche Denkmalpfleger und Archäologen sind sich jetzt auch einig: Das ICC steht in einer Reihe mit dem Centre Pompidou in Paris oder dem Lloyds-Bau in London. Als einer der wenigen Großbauten der „Hightech-Architektur“ in Europa müsse das ICC erhalten bleiben und in die Denkmalliste des Landes Berlin eingetragen werden, fordern die Teilnehmer der Jahrestagung der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger und des Verbands der Landesarchäologen.
"Hohe baukünstlerische Qualität"
350 Experten tagten jüngst in Berlin und beschlossen eine entsprechende Resolution. Sie befürchten, dass die bisherigen Vorschläge für eine künftige Nutzung des ICC „eine weitgehende Zerstörung des Inneren mit sich brächten“. Und sie loben die „hohe baukünstlerische Qualität“ und den „außergewöhnlich guten Erhaltungszustand“ des ehemaligen Kongressgebäudes am Messedamm. Zur Erklärung: Die Hightech-Architektur, der das ICC zugeordnet wird, hat ihre Wurzeln im Konstruktivismus der zwanziger Jahre und dem durch neue Bautechniken und -materialien geprägten Architekturstil der frühen siebziger Jahre.
Auch die SPD in Charlottenburg-Wilmersdorf will das ICC unter Denkmalschutz stellen und hat einen entsprechenden Antrag für die Bezirksverordnetenversammlung am 19. Juni gestellt. Die BVV-Fraktionen der CDU und der Piraten signalisierten bereits ihre Zustimmung.
Ob der Senat vielleicht ahnt, dass das ICC nicht irgendein Bauwerk ist? Gelegentlich wird das erkennbar. So räumte die Senatsbaudirektorin Regula Lüscher jetzt ein, dass die Nachnutzung „auch ein baukulturelles Thema“ sei. Es gehe um Architekturqualität und „Fragen der Identität des Bestandes“. Deshalb sei eine Nachnutzung als Shopping Mall kein einfacher Weg und durchaus kritisch zu diskutieren. Das kann dauern. Zumal auch noch andere Dinge zu besprechen sind, wenn es um die Sanierung und den Umbau geht. Vor allem die Finanzierung und die dauerhafte Wirtschaftlichkeit.
In der SPD ist der Einbau eines Shoppingcenters umstritten
Und weil es koalitionsintern noch keine Einigung über die Zukunft des ICC gibt, liegt eine Senatsvorlage der Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) auf Eis. Erst wenn die Senatsverwaltungen für Stadtentwicklung und Finanzen zustimmen, kann sich das Kabinett mit den Nutzungsvorschlägen befassen. Aber beide Behördenchefs, Michael Müller (SPD) und Ulrich Nußbaum (parteilos) teilten der Kollegin Yzer mit, dass sie für die Prüfung der umfangreichen Vorlage noch einige Zeit brauchen. Die Sprecherin der Wirtschaftsverwaltung, Claudia Hombach, weist auf ein weiteres Problem hin. Das geplante Gutachten zur „Einzelhandelsverträglichkeit“ eines ICC mit integriertem Einkaufszentrum könne noch nicht ausgeschrieben und in Auftrag gegeben werden, weil der Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses das nötige Geld für eine solche Studie bisher nicht bewilligt habe. „Wir hoffen aber, das Gutachten noch vor der Sommerpause auf den Weg zu bringen.“ Die Stadtentwicklungsbehörde weist darauf hin, dass im Stadtentwicklungsplan „Zentren 3“ das ICC als mögliches neues Stadtteilzentrum nicht erwähnt werde. Auch in der SPD-Fraktion ist der Einbau eines Shoppingcenters in den hoch komplexen Kongressbau umstritten.
Die Wirtschaftsbehörde rechnet fünf Varianten durch
Die Finanzverwaltung betont, dass die „stadtentwicklungspolitische Verträglichkeit“, aber auch die Wirtschaftlichkeit der senatsintern vorliegenden Nutzungskonzepte geprüft werden müsse. Und solange es im Senat und im Parlament keine grundsätzliche Entscheidung über die Vorschläge der Wirtschaftsverwaltung gebe, „gibt es auch keinen Auftrag für weitere Schritte“, sagt Senatsbaudirektorin Lüscher. Ob der Senat noch in diesem Jahr eine solche Grundsatzentscheidung fällt, ist offen. Bis dahin bleibt es bei der Verabredung zwischen SPD und CDU, dass für die Sanierung des ICC höchstens 200 Millionen Euro aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung stehen und ein privater Investor einbezogen werden soll.
Auf dieser Grundlage rechnete die Wirtschaftsbehörde fünf Varianten durch. Dazu gehören Angebote der Branchenriesen für Einkaufszentren, mfi und ECE, der Umbau zur Landesbibliothek und ein Konzept der Berliner Immonen Group für ein „International Center for Contemporary Culture“ (ICCC). Als Standort für Kongresse, ein Hotel, Konzerte und zeitgenössische Kunst. Das Unternehmen ist allerdings erst wenige Jahre im Immobiliengeschäft tätig, örtlich konzentriert auf Alt-Hohenschönhausen, wo es die Zentrale der Sparda-Bank und Künstlerateliers bewirtschaftet und mit dem Bezirk Lichtenberg seit 2011 Pläne für ein Hochhausprojekt (The Square 3) verhandelt.
Finanzsenator Ulrich Nußbaum hat kürzlich angeregt, das ICC „liegen zu lassen“, bis eine nachweislich wirtschaftliche Nachnutzung gefunden ist. Für Berlin sei das finanziell günstiger als 200 Millionen Euro öffentlicher Mittel in ein Baudenkmal zu stecken, denn das koste jährlich vier bis fünf Millionen Euro Zinsen.
Ulrich Zawatka-Gerlach