Vandalismus gegen Stolpersteine: „Wir machen die Sache schnell weg“
Stolperstein-Initiativen leisten Wichtiges zur Mahnung und Erinnerung. Was tun, wenn ihre Arbeit angegriffen wird?
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Im Juni freute sich Sylvia Runge noch: Die Stolpersteinverlegung für ihre Urgroßtante Claire Lambertz in der Stübbenstraße 11 war gut über die Runde gegangen. Doch schon Ende Juli wurde der Schaukasten, der die Biografien ihrer Urgroßtante und deren Nachbarn Hermann Silberstein enthielt, mit gelber Farbe verschandelt. „Alles Lüge“, hatte jemand geschmiert, der Täter ist bis heute unbekannt.
Mehrfach attackiert
Die Stolperstein-Initiative Stierstraße, die sich nach langem Hin und Her mit der Bezirksverwaltung Claire Lambertz‘ Gedenken angenommen hatte, wird nicht zum ersten Mal in dieser oder ähnlicher Weise attackiert. Eine ehemalige Mitstreiterin hatte 2014 sogar an ihrer Wohnungstür die Schmiererei „Judenfreundin“ entdeckt. Wie gehen Leute damit um, dass ihre notwendige Erinnerungsarbeit, die ehrenamtliche Zeit, die sie damit verbringen, die Geschichten deportierter Nachbarn in Archiven auszugraben, von antisemitischer Hetze verachtet wird? Wie können sie sich schützen?
Schmierereien schnell entfernen
„Wir machen die Sache schnell weg und reden nicht viel drüber“, sagt Helmuth Pohren-Hartmann von der Stolperstein-Initiative Stierstraße, die seit 2005 etwa 150 Gedenksteine in Friedenau, Schöneberg und anderen Kiezen verlegt hat. Die Schmierereien am Glaskasten wurde schnell entfernt, wie auch die Hundekotspuren, die einige Tage später den Kasten zierten. Die Initiative erstatte, wie jedes Mal, sofort Anzeige. Doch ihre Strategie lautet auch: Den Ball flach halten, dem Täter möglichst wenig Aufmerksamkeit geben.
Sylvia Runge kann nicht ruhig bleiben. Sie und andere ehrenamtliche Helfer „spüren, dass diese Ressentiments wieder aufleben“, gegen die sie durch ihre Erinnerungsarbeit kämpfen. „Die Übergriffe gegen die Initiativen nehmen immer mehr zu“, sagt sie. „Es darf nicht erst Leib und Leben treffen, um das Ganze zu unterbinden.“ Anzeigen bezüglich Vandalismus bei Stolpersteinen und Schaukästen landen beim Landeskriminalamt, Abteilung 5, Staatschutz. Ob die Übergriffe tatsächlich zunehmen, kann der zuständige Beamte nicht sagen: „Es ist eine Fluktuation zu erkennen, so wie beispielsweise auch bei Wohnungseinbrüchen.“
Zähe Aufklärung
Die Aufklärung dauert lange, das ist für viele Ehrenamtliche und Angehörige von Holocaust-Opfern frustrierend. Das Landeskriminalamt betont dennoch, wie wichtig es sei, Anzeige zu erstatten. „Wir möchten jede Chance nutzen, nur so können wir eventuelle Serienzusammenhänge entdecken“, appelliert der Beamte an Stolperstein-Initiativen und Anwohner.
In vielen Fällen ist die Anzeige zudem der einzige Weg, auf die Angriffe zu reagieren. Stolpersteine und Schaukästen können nicht Tag und Nacht durch Kameras beobachtet werden, da diese im öffentlichen Raum stehen und damit auch Passanten aufnehmen und ihre Datenschutzrechte verletzen.
Aber jede Anwohnerin und jeder Anwohner kann Vandalismus der Polizei melden. Über die Internetwache der Polizei Berlin kommt die Anzeige auf dem direktesten Weg an. Außerdem beobachtet und dokumentiert die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) diese Vorfälle in Berlin, hier erhalten auch Initiativen Beratung.
Wichtiger Zusammenhalt
Die Initiative aus der Stierstraße macht trotz Schmierereien weiter, wissend wie wichtig ihre Arbeit gerade gegenüber solcher Gedanken ist. Vor allem wissen sie, wie wichtig es ist, sich gegenseitig zu unterstützen. „Wir halten zusammen“, sagt Pohren-Hartmann. Um diesen Zusammenhalt zu stärken, laden sie jedes Mal die ganze Nachbarschaft zu einer Verlegung ein. Nur so lebt die Erinnerung an vertriebene Nachbarn weiter.