Digitales Berlin: „Wir haben einen Technik-Zoo vorgefunden“
Sabine Smentek, Berliner Staatssekretärin für Informations- und Kommunikationstechnik, spricht über E-Akten, Anarchie und Bürgerbeteiligung
Frau Smentek, Barcelona hat einen Digital Innovation Commissioner, der für die gesamte Technologie- und Innovationsstrategie der Stadt zuständig ist. Gibt es in Berlin einen Verantwortlichen dafür?
Wir haben in Berlin mehrere, nicht nur eine einzige Verantwortliche. Digitalisierung ist eine Querschnittsaufgabe – der gesamte Senat und alle Ressorts tragen ihre Verantwortung. Die Aktivitäten sind aufeinander abgestimmt und laufen in die richtige Richtung.
Aber wer ist für Open Data, für Digitalisierung und für Partizipation zuständig?
Wir haben eine klare Aufteilung innerhalb des Senats. Ich bin die Staatssekretärin für Informations- und Kommunikationstechnik. Ich kümmere mich um die Verwaltung und sorge für eine einheitliche, moderne Technik. Wirtschaftsstaatssekretär Christian Rickerts ist für Digitalisierung als Wirtschaftsförderung und Open Data verantwortlich. Die Digitalisierungsaktivitäten der Ressorts sind in der Smart-City-Strategie gebündelt, dafür ist der Chef der Senatskanzlei, Björn Böhning, zuständig. Und Staatssekretärin Sawsan Chebli koordiniert in der Senatskanzlei die Partizipation.
Braucht Berlin nicht eine bessere Vernetzung?
Wir sind auf einem guten Weg, aber bestimmt noch nicht am Ziel. Vernetzung klingt immer prima: Man muss sich aber nur klar machen, wofür, auf welchen Ebenen und mit welchem Ziel. Vernetzen, um vernetzt zu sein, hilft niemandem. Aber klar ist doch, dass Daten, Informationen, Erkenntnisse, die der politischen Willensbildung und letztlich Entscheidung dienen, ohne Barrieren an allen Stellen verfügbar sein müssen.
Werden in Berlin online- und offline-Beteiligungsverfahren gut verknüpft?
Selbstverständlich. Es geht ja nicht um ein Entweder-Oder, sondern um ein Sowohl-Als-auch. Wichtig ist, dass unterschiedliche Zielgruppen erreicht werden. Fakt ist ja auch im Jahr 2018: Es leben nicht nur „Digital Natives“ in Berlin, auch Menschen ohne digitale Neigungen müssen sich beteiligen können. Als bekannte Beispiele fallen mir ein: Der Entwicklungs- und Pflegeplan für das Tempelhofer Feld oder der Stadtdialog zur Entwicklung des Rathausforums. Die wurden klassisch off- und online geführt.
Ab 1. Januar sollte die IT-Ausstattung landesweit vereinheitlich sein, aber die zuständige Behörde ITDZ, also das IT-Dienstleistungszentrum und der Senat sind damit wohl überfordert. Es gibt 82 700 Arbeitsplätze, aber nur gut 13 000 Mitarbeiter nutzen das ITDZ-Angebot. Es gibt ein Durcheinander von PCs, Servern, Software und IT-Verfahren. Das ist doch reine Anarchie.
Erstens: Wir sind nicht überfordert. Zweitens: Durcheinander heißt nicht gleich Anarchie. Sie müssen sehen: Die Verwaltung in Berlin ist ein Großkonzern mit mehr als 100 000 Mitarbeitern. Eine einheitliche IT-Struktur für gut 83 000 Arbeitsplätze würde auch private Firmen vor große Herausforderungen stellen, die können Sie nicht innerhalb von zwei Jahren standardisieren. Mit dem E-Government-Gesetz haben wir aber die Voraussetzung geschaffen. Seit dem 1. Januar gibt es eine einheitliche Finanzierung, die ich zentral für alle Verwaltungen verantworte. Für Betrieb und Modernisierung der IT habe ich rund 80 bis 90 Millionen pro Jahr zur Verfügung. Zusätzlich haben wir Investitionsmittel aus SIWANA (Anm.d.Red.: Sondervermögen Infrastruktur für die wachsende Stadt) für die Einführung der elektronischen Akte und für betriebsvorbereitende Maßnahmen im ITDZ in Höhe von 70 Millionen Euro. Die EDV, die jetzt noch von Senat oder Bezirken in Eigenverantwortung betrieben werden, wird sukzessive in die ITDZ-Verantwortung übergehen.
Sie sprachen von einer Planung auf Sicht. Wie lange dauert das denn?
Die Planung für den Betriebsübergang muss flexibel sein, weil sich Rahmenbedingungen innerhalb der Verwaltungen ändern können. Die Standardisierung von IT in einem solchen Technik-Zoo, wie wir ihn vorgefunden haben, dauert mehrere Jahre.
Da nützt aber das seit eineinhalb Jahren existierende E-Government-Gesetz auch nicht. Genau das entscheidende, nämlich dass alle Behörden ab 1. Januar ihre Software von ITDZ beziehen, ist nicht umgesetzt. Wie ist der zeitliche Rahmen?
Das Gesetz nutzt schon jetzt sehr viel! Alle IT-Anschaffungen in der Berliner Verwaltung werden bereits jetzt nach einheitlichen Standards über das ITDZ getätigt. Nach unserer Planung werden die IT-Arbeitsplätze des Landes zum Ende der Legislaturperiode vom ITDZ betrieben. Dafür brauchen wir aber auch im nächsten Doppelhaushalt Geld, da wir parallel zum Betriebsübergang natürlich die IT modernisieren.
Wo kann der Berliner derzeit Ideen und Vorschläge online ablegen?
Jeder Bürger kann sich auf www.mein.berlin.de daran beteiligen. Und es gibt es auf dem Serviceportal service.berlin.de die Möglichkeit, ein direktes Kundenfeedback abzugeben, zum Beispiel nach einem Bürgeramts-Besuch.
Wer wertet das aus?
Das werten die Bürgerämter direkt aus. Diese Informationen unterliegen strengen Regeln. Sie dürfen nicht zur Überwachung von Mitarbeitern genutzt werden. Auch über die Homepages von Bezirken können Anregungen gegeben werden.
Warum gibt es in Berlin keine zentrale Stelle für Beschwerden?
Rot-Rot-Grün hat Leitprojekte definiert. Dazu gehören Schulbau und die Weiterentwicklung der Bürgerämter. Im Rahmen dieses Projektes haben wir für die Bürgerämter ein Monitoring- und Steuerungssystem entwickelt. Es muss ein Zusammenspiel zwischen der Fachbehörde, also der Senatsinnenverwaltung, und den Bezirken geben. Dieses System wird jetzt aufgebaut. Unser Ziel, dass die Bürger innerhalb von zwei Wochen einen Termin im Bürgeramt erhalten, haben wir seit November in enger Zusammenarbeit zwischen Senat und Bezirken stabil erreicht.
Sabine Smentek, 56, ist Staatssekretärin für Informations- und Kommunikationstechnik und gehört der SPD an. Vor ihrer Zeit als Bildungsstadträtin in Mitte war sie Unternehmensberaterin. Das Gespräch führte Sabine Beikler.