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Obdachlose am Freibeuter Schiff in der Rummelsburger Bucht. Von links nach rechts: Micha alias Ampel, Micha alias Opa, Lui, Illi, Cassy, Trotzi, Wolfgang Ilg.
© Sven Darmer

Obdachlose an der Rummelsburger Bucht: "Wir, die wir ganz unten sind, brauchen auch Platz"

"Wir wollen unseren Teil der Stadt", sagen Lumpi und Trotzi, Obdachlose, die derzeit an der Rummelsburger Bucht campieren. Anwohner beschweren sich über die Zustände.

Sie haben ihre selbstgebauten Hütten winterfest gemacht, soweit das geht. Die Obdachlosen an der Rummelsburger Bucht machen sich Sorgen: Der Bezirk Lichtenberg will die Situation auflösen, es gibt Klagen von Anwohnern und der Wind wird immer kälter. Ständig spricht jemand davon, dass die Camps bald geräumt werden sollen. Viele der Betroffenen wüssten nicht wohin sie gehen sollten, wenn es denn zu einer Räumung kommt. Deswegen sind einige Obdachlose am Sonntag zum Landesparteitag der Berliner Linken gegangen und haben dort ihre Situation geschildert. Daraufhin schrieb die Linke: "Unsere Position ist klar: Keine Räumung ohne eine alternative Unterbringung." Sozialsenatorin Elke Breitenbach bietet Hilfe an und Vereine informieren nun vor Ort über Angebote, Streetworker sollen eingesetzt werden. Wie viele Leute dort leben, ist unklar. Von einer Räumung wären sicherlich rund 200 Personen betroffen, meint Lumpi, einer, der dort mal ein halbes Jahr gelebt hat.

Lumpi ist groß, hat ein einnehmendes Lächeln und ist seit acht Jahren in der Gegend unterwegs. Wo genau er mittlerweile lebt, möchte er nicht sagen. Darüber spricht niemand von ihnen so gerne. Kein Wunder, Schlafplätze – sogenannte „Platten“ - sind rar, besonders jetzt im Winter. Die Angst entdeckt zu werden und dadurch alles zu verlieren ist groß. „Es gibt nur noch wenige Räume für alternative Lebenskonzepte in der Stadt“, meint Lumpi. „Es ist fatal wie auch diese Freiräume inzwischen verdrängt werden. Für Menschen ohne Geld, Konto, Wohnung, konkreten Aufenthaltsstatus oder vielleicht auch jene, die mit dem Gesetz nicht auf ganz so gutem Fuß stehen, sind derartige Flächen überlebenswichtig.“ Er lächelt, doch sein Ton ist ernst. „Wir, die wir ganz unten sind, brauchen auch Platz. Wir wollen unseren Teil der Stadt."

Warum können die Obdachlosen nicht auf dem besetzten Schiff leben?

Tagsüber holen sich Lumpi und Co gelegentlich Essen oder warme Getränke auf der "Freibeuter", einem derzeit besetzten Schiff auf dem Friedrichshainer Teil des Sees. Die Besetzung ist vom dortigen Bezirksamt geduldet. Auf dem Freibeuter können die Obdachlosen jedoch nicht unterkommen, das habe der Bezirk verboten, heißt es von dort. In diesem Falle würde die geduldete Besetzung erlöschen. Der Bezirk würde dafür haften müssen, wenn jemandem dort etwas passiert, meinte Sarah Waterfeld vom Kollektiv "Staub zu Glitzer", die den Freibeuter besetzt haben. „Wir können zur Nachtwache vier Leute auf das Boot holen, aber wohnen lassen können wir sie hier nicht“, erzählt Waterfeld. Als wieder mal von einer Räumung gesprochen wurde, hat sie die Obdachlosen und Vertreter der Presse auf den Freibeuter eingeladen. Einen Tag danach fiel der Entschluss, zum Landesparteitag der Linken zu gehen.

Anwohner beschweren sich über den Müll

An der Bucht gibt es zwei Lager: Eines von "deutschsprachigen Obdachlosen" und eines von Roma. Mit diesen sei der Kontakt etwas schwieriger, sagen die Schiff-Besetzer. Anwohner des Rummelsburger Sees beschweren sich immer wieder über den Müll. Die Friedrichshainer Umweltstadträtin Clara Herrmann (Grüne) spricht von einem "Beschwerde Hot Spot". Anwohner fordern eine bessere Beleuchtung an dem Seeuferweg. Manche würden sich unsicher fühlen und die Obdachlosen würden ihre Notdurft überall verrichten.

Toiletten und Müllplätze für die Obdachlosen wird das Bezirksamt Lichtenberg dort zunächst nicht aufstellen. Begründung: „Das Bezirksamt hat kein Interesse daran, dass sich diese menschenunwürdigen Zustände, die sich vor Ort etabliert haben, verfestigen. Insofern werden wir unsere Energie darauf verwenden, den vor Ort lebenden Menschen Alternativangebote zu unterbreiten", so Bezirksbürgermeister Michael Grunst (Linke).

Lumpi ist seit acht Jahren in der Gegend um den Rummelsburger See unterwegs.
Lumpi ist seit acht Jahren in der Gegend um den Rummelsburger See unterwegs.
© Sven Darmer

Die Sozialämter sollen verstärkt über Hilfsangebote informieren. "Wir brauchen angesichts der Temperaturen und der nicht haltbaren Zustände vor Ort eine schnelle Lösung." Das Bezirksamt hat veranlasst, dass der Tagestreff für Obdachlose am Bahnhof Lichtenberg ab Januar sieben Tage in der Woche öffne - nicht mehr nur, wie derzeit, fünf.

Ein Wohnheim kommt für Trotzi nicht infrage

„Wir sind auch Anwohner. Zumindest darauf müsste man sich einigen können“, meint Olli, ebenfalls obdachlos. Ebenso die 23-Jährige Trotzi, die seit zehn Jahren auf der Straße unterwegs ist und seit drei Monaten im Camp am Rummelsburger See lebt. Auch sie befürchtet eine Räumung. Hilfsangebote höre sie sich gerne an. Sie könnte sich vorstellen, irgendwo untergebracht zu werden, aber nur unter bestimmten Bedingungen. „Wenn, dann will ich meine Hunde mitnehmen dürfen, es müsste etwas Längerfristiges sein und ich will nicht bevormundet werden."

Ein Wohnheim käme nicht infrage. Dort bekomme sie nicht die Freiheiten, die sie braucht. Sie würde gerne an der Bucht überwintern, sagt sie. "Hier kann ich ohne Probleme meine Sachen lassen und muss mir keine Sorgen machen beklaut zu werden." Ihre Hunde seien dabei überlebenswichtig. „In meinem kleinen Zelt liege ich nachts mit meinen zwei Schlafsäcken und mit meinen drei Hunden. Das hält mich warm. Ohne die Hunde würde das nicht gehen.“ Bevor Trotzi ins Camp kam verbrachte sie zwei Monate bei Freunden und schlief davor unter einer Brücke an der Warschauer Straße. Im Moment habe sie das Problem, dass ihr Schlafsack durch das Kondenswasser im Zelt ständig feucht sei.

"Ich habe mich selbst dafür entschieden, so zu leben"

Der 27-Jährige Illi lebt seit drei Monaten an der Bucht. Trotzi und er kennen sich aber schon einige Jahre. Für Illi ist das Camp seine fünfte „Platte“ im Raum Friedrichshain/Lichtenberg in diesem Jahr. Kumpels hätten ihm das Camp in der Rummelsburger Bucht empfohlen. „Als ich hier angekommen bin haben mir die Security sogar gezeigt wo ich mein Zelt aufstellen darf. Die haben gemeint, dass ich hier bis zum Frühling Ruhe hätte“, erzählt Illi. Inzwischen hätte die Sicherheitsfirma aber gewechselt und der neue Wachschutz sei zwar nicht unfreundlich, aber weniger kommunikativ. Offenes Feuer auf dem Gelände sei verboten worden.

Nicht ohne meine Hunde. Trotzi möchte ungern in ein Wohnheim, sondern an der Bucht überwintern.
Nicht ohne meine Hunde. Trotzi möchte ungern in ein Wohnheim, sondern an der Bucht überwintern.
© Sven Darmer

Auch Illi möchte ungern in ein Wohnheim. "Warum geben die nicht einfach eine Brachfläche für zwei oder drei Jahre frei, damit wir da ungestört leben können. Ein Raum, auf dem wir vor Verdrängung sicher sind, wäre wichtiger als alles andere." Ein anderer Obdachloser sagt, die Politiker würden nur über sie reden, aber nicht mit ihnen.

Zahl der Obdachlosen vor Ort steigt

Horst (56) und Micha (59) haben gerade erst eine Räumung hinter sich. Die beiden sind seit drei Tagen im Camp. Davor waren sie in einer ehemaligen KfZ-Werkstatt am Ostkreuz untergekommen, aus der man sie vertrieben habe. "Wir hatten uns den Platz grade erst hergerichtet. Mit einem Mal steht der Besitzer im Raum und hat die Polizei im Schlepptau und sagt was von wegen Hausfriedensbruch und das wir sofort verschwinden sollen." Die Zahl der Obdachlosen an der Bucht steigt, weil sie andernorts verdrängt werden. Auch die Brache am Rummelsburger See wird irgendwann bebaut werden.

Einige Anwohner sagen, das werde auch Zeit, denn dann hätten diese Zustände ein Ende. Geplant ist unter anderem "Coral World", eine Touristenattraktion. Doch auch aufgrund anhaltender Proteste verzögert sich der Bau weiterhin. Im Januar unternimmt der Bezirk Lichtenberg einen weiteren Versuch, den Bebauungsplan festzusetzen. "Das Areal rund um das Ostkreuz ist kein Niemandsland", sagt Katalin Gennburg, Sprecherin für Stadtentwicklung der Berliner Linken. "Themen der sozialräumlichen Verdrängung finden hier gerade wie unter einem Brennglas statt." Dies müsse in die Planungsdebatte einfließen.

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