Invasive Tierarten: Wildtiere siedeln sich in Berlin an
Krebse aus Nord- und Nagetiere aus Südamerika: Berlin ist zur Heimat geworden für Tiere, die aus fernen Regionen stammen. Dem Senat bereiten die Fremdlinge Kopfzerbrechen.
Seit einigen Wochen wundern sich Passanten am Tiergartenufer über „rote Skorpione“, die dort herumkrabbeln. Sie stellten sich, wie berichtet, als eingeschleppte Krebse aus Nordamerika heraus. Menschen können die handtellergroßen Tiere mit ihren Klauen nicht gefährlich werden, doch Umweltschützer sind besorgt: Die beliebten Aquarientiere, die ausgesetzt wurden oder in Eiern an Kleidung nach Berlin kamen, verhalten sich invasiv. Sie vermehren sich schnell und können Krankheiten wie die Krebspest, an der sie selbst nicht erkranken, an einheimische Arten übertragen.
Senat fördert natürliche Fressfeinde
Seit mehreren Jahren wird der rote amerikanische Sumpfkrebs in Berlin bekämpft, obwohl es hier laut Derk Ehlert, dem Wildtierexperten des Senats, keine einheimischen Krebse mehr gibt, die verdrängt werden könnten. Schon lange haben andere Einwanderer aus Amerika oder Asien, wie die Chinesische Wollhandkrabbe, der Kamber- und der Marmorkrebs die Herrschaft in den Gewässern übernommen. Der Senat setzt als natürliche Gegenmaßnahme Aale ein, die den Panzer des roten Krebses aufknacken, wenn er sich häutet. Auch im Landwehrkanal wurden die Fressfeinde in den vergangenen Jahren ausgesetzt. Daneben gibt es Sammelaktionen mit Freiwilligen. Selbst aktiv zugreifen dürfen Bürger aber nicht, das gilt als Wilderei.
Waschbären breiten sich aus
Auch der Waschbär hat es auf die EU-Liste der invasiven und in Europa unerwünschten Tierarten geschafft. Als kurz vor Kriegsende eine Pelztierzucht in Wolfshagen bei Strausberg von Bomben getroffen wurde, entkamen 25 Waschbären. Seither vermehren sie sich im Berliner Umland und sind längst in die Innenstadt gewandert. Erst Ende Juli war ein Artgenosse in ein Kraftwerk in Siemensstadt eingedrungen und hatte einen folgenreichen Kurzschluss verursacht. Die Auswirkungen auf das Gleichgewicht in der Natur sind umstritten. Bekannt ist, dass sich die Tiere gerne über Vogelnester hermachen. In den Wäldern des Umlands werden Waschbären geschossen, die Zahlen sind in den vergangenen Jahren gestiegen.
Bisamratten vermehren sich im Umland
Von den anderen unerwünschten Tieren der EU-Kommission wird in Berlin und dem Umland nur noch die Biberratte problematisiert, die auch als Nutria bekannt ist. Zu DDR-Zeiten wurden die Nager aus Südamerika in Oranienburg gezüchtet. Nach der Wende gelangten viele Tiere ins Freie, weil sich die Farmen nicht mehr lohnten. Seitdem vermehren sie sich in Havelseen und im Spreewald. Es wird über Schäden an Uferböschungen berichtet, doch ein Verdrängungseffekt auf heimische Arten konnte bislang nicht nachgewiesen werden.
Zuwanderung ist in vielen Fällen eine Bereicherung
Das schnelle Auftreten neuer Arten sei in der globalisierten Natur nicht ungewöhnlich, sagt Ehlert. Auch die vielen milden Winter tragen dazu bei. Jährlich werden in Berlin zwischen drei und fünf Insektenarten entdeckt, die hier nicht heimisch waren. Meistens verläuft die Zuwanderung problemlos. Nur die wenigsten Tier- und Pflanzenarten werden zum Problem, wenn sie sich wegen fehlender Feinde rapide vermehren, Allergien bei Menschen auslösen oder andere Arten mit gefährlichen Krankheiten infizieren.
Derk Ehlert sieht in vielen Fällen sogar eine Bereicherung der heimischen Natur: Gerade bei Pflanzen könne man das beobachten: „Ein Großteil von dem, was vor dem Fenster wächst, wurde mal aus anderen Teilen der Welt hier eingeführt.“