Experten zweifeln an „Deep Fake“: Wie kam das Gespräch zwischen Pseudo-Klitschko und Giffey zustande?
Berlins Senatskanzlei hatte mitgeteilt, dass es sich bei dem Gespräch vergangene Woche vermutlich um einen Deep Fake handelte. Daran zweifeln aber Experten.
Die Abteilung Staatsschutz beim Berliner Landeskriminalamt (LKA) ermittelt nach dem Fake-Telefonat eines vorgeblichen Vitali Klitschko mit Berlins Regierender Bürgermeisterin Franziska Giffey, um welche Art der Manipulation es sich genau handelt.
Das teilte Senatssprecherin Lisa Frerichs am Montag auf Anfrage mit. Giffey (SPD) hatte bei einer Videoschalte am Freitag Zweifel bekommen, ob sie tatsächlich wie geplant mit Kiews Bürgermeister Klitschko verbunden war. Das Gespräch endete dann vorzeitig.
Die Senatskanzlei hatte am Freitag mitgeteilt, allem Anschein nach habe es sich um ein Deep Fake gehandelt. Dabei geht es um einen Medieninhalt, der mit Techniken künstlicher Intelligenz (KI) manipuliert wurde. Nach Angaben der Senatskanzlei hatte es keinen Hinweis darauf gegeben, nicht mit einer realen Person zu sprechen.
„Wir haben direkt nach dem Gespräch am Freitag, auch öffentlich, kommuniziert, wie das Gespräch ablief“, so die Senatssprecherin. „Dazu gehört auch, dass es eine Interaktion zwischen Frau Giffey und dem vermeintlichen Klitschko gab.“
Er habe durchaus darauf reagiert, was von der Regierenden Bürgermeisterin gesagt wurde. „Auf Russisch wurde das gesagt, was auch im Anschluss auf Deutsch übersetzt wurde.“
ARD-Journalist Daniel Laufer: Deep Fake ist unwahrscheinlich
Der ARD-Journalist Daniel Laufer hatte zuvor bezweifelt, dass es sich um eine "Deep Fake" gehandelt hat, also den Einsatz Künstlicher Intelligenz. Demnach entsprächen die fünf veröffentlichten Bilder genau einem Interview, das Klitschko im April einem ukrainischen Journalisten gegeben habe - und nun als Material für die Täuschung gedient habe.
Weder in der Mimik, noch im Hintergrund gebe es Abweichungen, was aber bei einer Manipulation mit KI wahrscheinlich sei.
Nach Angaben der Senatskanzlei kam die Anfrage zu dem Telefonat am 2. Juni per E-Mail, genau wie die weitere Kommunikation. Zur Diskussion darüber, dass die Mail nicht die offizielle Domain-Endung des Kiewer Bürgermeisters gehabt habe und daher als Fälschung erkennbar gewesen sei, wies die Senatssprecherin erneut darauf hin, es sei insbesondere seit Kriegsbeginn nicht ungewöhnlich, von E-Mail-Adressen „ohne institutionelle E-Mail-Signatur oder Domain“ kontaktiert zu werden.
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„Dennoch werden wir entsprechende Anfragen noch genauer prüfen.“ Ähnliche Fake-Telefonate mit einem angeblichen Vitali Klitschko haben auch die Bürgermeister von Madrid, Wien und Budapest geführt. Madrid erstattete Anzeige wegen Vorspiegelung einer falschen Identität gegen Unbekannt, in Österreich nahmen der Staatsschutz und das Innenministerium Ermittlungen auf.
Das von der Berliner Senatskanzlei veröffentlichte Foto zeigt Kiews Bürgermeister in einem Setting, das wie das eines Interviews mit einem ukrainischen Journalisten im Frühjahr aussieht. Klitschko trägt die gleiche hellbraune Jacke und im Hintergrund ist ebenfalls unter anderem die ukrainische Flagge zu sehen.
Möglicherweise wurde das Videomaterial des damaligen Interviews als Grundlage verwendet und in Echtzeit mit dem Gesprochenen und den Lippenbewegungen desjenigen zusammengeführt, der tatsächlich mit Giffey sprach. Fachleute bezeichnen das als „Face Reenactment“.
„Echter“ Klitschko hofft auf baldiges Gespräch mit Giffey
„Bei mehreren Bürgermeistern in Europa hat sich ein falscher Klitschko gemeldet, der absurde Dinge von sich gegeben hat“, sagte Klitschko am Samstag in Kiew in einem durch „Bild“ verbreiteten Video. Dahinter stecke kriminelle Energie.
Es müsse dringend herausgefunden werden, wer dahinter stecke. Klitschko sagte, er hoffe auf ein baldiges Gespräch mit Berlins Regierender Bürgermeisterin. Ein Termin dafür steht nach Angaben der Senatssprecherin noch nicht fest. Es solle aber zeitnah stattfinden.
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Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk schätzt das Verhältnis zwischen beiden Ländern dennoch als stabil ein. „Keine Deepfakes oder andere Tricks der Russen können das Vertrauen zwischen der Ukraine und Deutschland erschüttern“, sagte Melnyk der „Welt am Sonntag“. Ihm zufolge zeigen die Vorfälle, dass Deepfakes als Teil der hybriden Kriegsführung Russlands viel ernster genommen werden müssten. „Es ist eine perfide psychologische Waffe, und die Technik wird immer besser“, sagte Melnyk.
Er berichtete auch, dass er selbst noch am Freitag mit Giffey telefoniert habe, die „sehr geschockt“ von dem Vorfall sei. (Tsp, dpa)