FU Berlin: Wie ihr Flüchtlingen helfen könnt
In der Sporthalle der FU wohnen etwa 200 Flüchtlinge. Sich zu verständigen ist mühsam. Deshalb gibt Selina Deutschunterricht, und hat uns erzählt, wie auch ihr mithelfen könnt.
„Wie findest du die Lehrerin?“, fragt Selina ihren Schüler Rasheed. „Nett“, antwortet er. Selina fragt weiter: „Wer findet die Lehrerin nett?“ „Ich“, sagt Rasheed. Beide lachen. Rasheed und Selina sind befreundet, er ist 19, sie 20. Sie bringt ihm Deutsch bei, denn er ist aus Syrien nach Deutschland geflohen. Momentan wohnt er mit anderen Flüchtlingen in der Turnhalle der FU.
Selina, blonde Haare, blaue Augen, dreieckige Ohrstecker, hat im vorletzten Jahr Abi gemacht und trifft sich fünfmal pro Woche mit Rasheed. Seit Februar unterrichtet sie Flüchtlinge und Asylbewerber aus Syrien, Pakistan, Afghanistan und den Balkanländern. Sie ist die jüngste unter den ehrenamtlichen Helfern. „Ich bin einfach vorbeigegangen und habe gefragt, wie ich helfen kann“, erzählt sie. Das Wichtigste sei, dass sich die Flüchtlinge willkommen fühlen und Hilfe bei der Integration bekommen. „Die meisten sind unglaublich motiviert und wollen so schnell wie möglich Deutsch lernen.“ Angst vor Überfremdung kann sie nicht nachvollziehen. „Wer gegen Ausländer hetzt, soll sich mal selbst in einer Flüchtlingsunterkunft umsehen und sich mit den Flüchtlingen unterhalten“, empört sie sich.
Die Flüchtlinge zeigen Selina Bilder ihrer Flucht, die man sonst nur aus dem Fernsehen kennt
Selinas Engagement für die Flüchtlinge geht längst über den Deutschunterricht hinaus: Mit vielen ihrer Schüler, die oft nicht viel älter sind als sie selbst, trifft sie sich auch am Wochenende. Sie fährt mit ihnen zum Brandenburger Tor oder geht mit ihnen an der Krummen Lanke spazieren. Auf dem Weg dorthin üben sie: „Ich fahre U-Bahn, du fährst U-Bahn, wir fahren U-Bahn“. Im Gegenzug lernt Selina, was es heißt halal, also nach islamischem Glauben zu essen oder was der Unterschied zwischen Sunniten und Schiiten ist.
Schnell fassen die Flüchtlinge Vertrauen und erzählen ihr von der langen Flucht aus ihrem Heimatland und von ihren Familien, die sie zurücklassen mussten. „Neulich hat mir einer ein Video gezeigt, das er während der Bootsüberfahrt von Tunesien nach Italien gemacht hat. Man kennt die Bilder zwar aus dem Fernsehen, aber dieses Video von einem Schüler zu sehen, war etwas anderes.“ Alles – damit meint die 20-Jährige auch die europäische Asylpolitik, nimmt sie anders wahr, seitdem sie täglich mit Flüchtlingen zusammen ist. Sie setzt sich für eine Abschaffung oder zumindest eine Revision der Dublin-Verordnung ein, die besagt, dass immer das Land für das Asylverfahren zuständig ist, in dem ein Flüchtling zum ersten Mal europäischen Boden betritt. Viele von Selinas Deutschschülern haben Angst, dass sie zurück nach Italien oder Ungarn müssen, wo sie erstmals registriert wurden. Obwohl Selina mittlerweile geübt ist im Unterrichten, möchte sie nicht Lehramt, sondern internationale Beziehungen in den Niederlanden studieren. „Ich möchte lernen, wie Länder untereinander agieren.“ Besonders der Nahe Osten interessiert sie, gerne würde sie selbst einmal in den Iran oder nach Syrien reisen – sobald sich die politische Situation in den Ländern gebessert hat.
Helfen, Geld oder Dinge des täglichen Bedarfs spenden? Meldet euch bei der Arbeiterwohlfahrt (AWO) als Betreiber der Notunterkunft, dem Willkommensbündnis Steglitz-Zehlendorf oder der Evangelischen Kirchengemeinde Dahlem.
Nora Tschepe-Wiesinger, 20