Schwieriges Filmgeschäft im Lockdown: Wie eine Berliner Agentin ihre Schauspieler fit hält
Kümmern ist ihr Beruf. Als Schauspielagentin begleitet Katja Lorenz ihre Klienten durch eine harte Zeit.
Es ist ein Handel mit Typen, den Katja Lorenz in Schöneweide betreibt. Menschentypen, die jeder im Kopf hat: Großer schlanker Mann, blaugraue Augen, Mitte 30, Typ aalglatter Banker, bitte ohne Bart und lange Nase. Hast du da was Passendes?
30 Schauspieler befinden sich derzeit „im Angebot“ ihrer Vermittlungsagentur Colibri, mehr Frauen als Männer. Katja Lorenz, Typ humorvolle Powerfrau, unprätentiös, Mitte 40, wollte nach der Schule eigentlich nichts mehr mit Schauspielerei zu tun haben. Beide Eltern unterrichteten an der Ernst-Busch-Schauspielschule.
Tochter Katja schlug die Bongotrommeln beim Sandmännchen, übernahm kleine Rollen im Theater – und entschied später, dass Künstler-Typen nicht wirklich zu ihr passen. Lieber im echten Leben unterwegs sein. Sie machte eine Ausbildung im Büro, ging ins Ausland und sammelte Erfahrungen im Management diverser Firmen, unter anderem bei einem großen Reiseveranstalter „im arabischen Raum“.
Nach einer Auszeit zur Familiengründung – inzwischen ist der Nachwuchs zu dritt – kam der Wunsch, etwas Eigenes aufzubauen. Da geriet die Schauspielerei dann doch wieder in den Blick, aber eher als Managementaufgabe.
2009 gründete Katja Lorenz zusammen mit ihrem Bruder die Agentur, damals noch in Pankow. Inzwischen lebt und arbeitet Katja Lorenz in Schöneweide. In der Coronakrise sind natürlich viele Schauspieler unter- oder gar nicht beschäftigt.
Um etwa 50 Prozent sei das Geschäft eingebrochen, sagt Lorenz. Was die Theater angeht, sogar um 100 Prozent. Im Frühjahr hatte sie eine staatliche Hilfe beantragt. Im Sommer nahm das Filmemachen kurzzeitig wieder an Fahrt auf, inzwischen, sagt sie, sei es sehr ruhig geworden. Etablierte große Produktionsfirmen wie die Ufa oder Bavaria könnten unter den Corona-Regeln noch arbeiten, kleine freie Produzenten eher nicht.
Auch unbekannte Schauspieler haben Allüren
Ihre Schauspieler, darunter Hans-Jürgen Schatz, kommen aus dem gesamten Bundesgebiet. Man lernt sich auf Veranstaltungen der Branche kennen, junge Schauspieler bewerben sich oft direkt bei ihr. 30 Darsteller könne man als Einzelagentin gerade noch so bewältigen, vom Betreuungsaufwand her, sagt Lorenz.
Sie hatte mal 50, „da klingelte Tag und Nacht das Telefon“. Denn dass Schauspieler, die noch nicht weltbekannt sind, keine Allüren hätten, sei eine Fehleinschätzung. Einer ihrer Schützlinge wollte vor der Kamera partout keine Waffe anfassen, „damit fallen 70 Prozent der Produktionen schon mal weg“. Wer als Schauspieler das Krimigenre auslässt, muss sich das leisten können.
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Gutes Essen am Filmset sei wichtig, auch in dieser Hinsicht betreut sie ihre Klienten. Manche sind verträumt, müssen an alles erinnert werden, andere brauchen Zuspruch nach einem Casting. „Man muss sich das wie einen Kindergarten vorstellen“, sagt Lorenz. „Einfangen und abholen.“ Jeder will mal an die Hand genommen werden, der eine mehr, die andere weniger. Der Hans-Jürgen Schatz zum Beispiel brauche nicht viel Betreuung, der wisse selbst, was zu tun ist.
"Nicht aufhören zu spielen"
Für Katja Lorenz geht die Arbeit weiter, trotz Berlinale-Ausfall, Homeoffice und Lockdown. Werbung machen für die Schauspieler, vor allem in sozialen Medien. Die Einträge in den einschlägigen Datenbanken aktualisieren. Kontaktpflege mit Redakteuren und Regisseuren. Schauspieler trösten, die nicht mehr weiterwissen.
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Letztlich, sagt Lorenz, müssten sie aber selber zusehen, „dass sie ihren Hintern an die Wand kriegen“, also Jobs zum Geldverdienen suchen, Fortbildungskurse machen, Studentenprojekte unterstützen, „im Training bleiben, nicht aufhören zu spielen“.
Manche Kollegen stellen selber Videos ins Netz, singen oder tanzen. Einfach Präsenz zeigen, gegen den Strom anschwimmen. Nicht einfach, aber wichtig. Bis es irgendwann wieder richtig losgeht.