Countdown to Brexit: Wie der EU-Austritt der Briten in Berlin begangen wird
Bye-bye! Mit Literatur, einer Kochperformance, Gesang und natürlich an der Theke wird der Brexit dieser Tage in Berlin vollzogen.
Diesmal ist es wirklich soweit: In der Nacht zum Samstag wird das Vereinigte Königreich die Europäische Union verlassen. Der Brexit wird vollzogen – auch in Berlin. In der britischen Botschaft wird am Freitagabend die EU-Flagge, die im Innenhof hängt, eingeholt.
Bereits am Nachmittag wollen sich vor der Botschaft Menschen versammeln, um ihren Unmut und die Trauer über dieses Ereignis auszudrücken. Aber auch an anderen Orten wird der Abschied zu spüren sein: Viele werden sich am Donnerstag und am Freitag treffen, um ihre Trauer in Cider, Gin Tonic oder Tee mit Schuss zu ertränken, ihr künstlerischen Ausdruck zu verleihen, zu singen oder EU-Fahnen zu schwingen. Hier eine Auswahl an Veranstaltungen zur Brexit-Trauer.
Ein Liebesbrief an England
Als am Morgen des 24. Juni 2016 verkündet wurde, dass Großbritannien aus der EU austreten wird, ist Nele Pollatschek über Nacht zu Geld gekommen - zumindest wurde sie weniger arm. Denn der Schuldenberg, der sich bei der jungen Berlinerin durch ihr Studium in England angesammelt hatte, löste sich durch den Brexit und den niedrigen Pfundkurs quasi in Luft auf.
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Richtig freuen konnte sie sich darüber trotzdem nicht: England, ihre große Liebe, hatte sie verstoßen. Nun hat Pollatschek, die in Oxford zu englischer Literatur promovierte, ein Buch über diese gescheiterte Beziehung geschrieben. In „Dear Oxbridge. Liebesbrief an England“ erzählt die 30-Jährige Anekdoten aus ihrer Studienzeit an den Unis in Cambridge und Oxford, die, ähnlich wie bei Pärchennamen à la Brangelina, gerne zu dem Begriff „Oxbridge“ zusammengefügt werden.
Zum Beispiel, dass sie an der Eliteuni gelernt hat, wie man eine verstopfte Toilette repariert – denn selbst an diesen privilegierten Orten funktionierte kaum etwas, zog es durch die Fenster, war es immer feucht. Außerdem versucht Pollatschek zu erklären, wie es überhaupt so weit kommen konnte. Als einen Grund nennt sie die immer größer werdende Ungleichheit der Klassen im Königreich, der ungleichen Verteilung von Reichtum und Prestige.
Ihr Buch stellt Pollatschek Donnerstagabend in der Akazienbuchhandlung in Schöneberg vor. Nach der Lesung soll getrunken, getrauert und getanzt werden. Auf der Playlist: „Should I stay or should I go“, auch wenn sich die Frage mittlerweile erledigt hat. Ganz unversöhnlich steht Pollatschek, die nach ihrem Wegzug aus England zur „Teilzeitberlinerin“ geworden ist, der Studienheimat nicht gegenüber. „Man kann in Ideologien das Böse sehen“, sagt sie, „aber es hilft nichts, es in den Menschen zu sehen.“
Donnerstag 19.30 Uhr, Akazienstraße 26, Eintritt 5 Euro
Kochen vorm Kollaps
Das deutsch-britische Kollektiv „Gob Squad“ stellt am Freitagabend im „Hebbel am Ufer (HAU) seinen Ansatz zur Trauerbewältigung vor: Die Performance trägt den Titel „I Love You, Goodbye (The Brexit and Beyond Edition)“ und wird als „sechsstündiges Happening kurz vor dem Kollaps“ beworben.
Auf der Bühne wird gekocht. Während der Zubereitung regionaler Speisen sprechen die Künstler darüber, was Heimat bedeutet – und wie der Brexit den europäischen Traum verändert. Die Veranstaltung beginnt um 19 Uhr und rahmt damit die letzten Stunden, in denen die Europäische Union noch 28 Mitgliedstaaten hat. Die Veranstalter weisen darauf hin, dass während der Vorstellung Ein- und Auslass jederzeit möglich sind. Etwas unkomplizierter als in der EU.
Freitag, 19 Uhr im HAU1, Stresemannstraße 29, Restkarten an der Abendkasse
Burgfrieden
In der Kneipe The Castle in Friedrichshain wird normalerweise recht unpolitisch Craft Beer und Gin serviert. Am Freitag findet dort aber ab 20.15 Uhr ein „Stammtisch für Europa“ statt, organisiert vom Verein „British in Germany“.
Jeder und jede ist eingeladen, ein traditionelles Gericht aus einem der 27 verbleibenden EU-Staaten mitzubringen (mit Zutatenliste, für etwaige Allergiker). „So wollen wir unsere Vielfalt und unser gemeinsames Europäersein feiern“, heißt es in der Beschreibung der Veranstaltung auf Facebook. Und: Dann müsse auch keiner am „Brexit day“ allein sein.
Freitag ab 20.15 Uhr, The Castle, Frankfurter Tor 7
Song to say Goodbye
Wer selbst laut werden und den Briten ein Abschiedsständchen entgegenschmettern möchte, der kann sich am Freitag um Mitternacht vor dem Brandenburger Tor einfinden. Der Brite und Direktor der Embassy Singers, Andrew Sims, organisiert dort einen Flashmob, bei dem die Europahymne gesungen werden soll.
Für Sims soll die Aktion eine Ode an die Freude sein. Es sei immerhin besser, nachts gemeinsam zu singen, als traurig und allein zu Hause zu sitzen. Trotzdem sagt er: „Die ganze Geschichte ist eine Katastrophe.“
Der „Brexit Flash Mob“ beginnt am Freitag gegen 23.45 Uhr vor dem Brandenburger Tor