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Während sich im Terminal C von Schönefeld die Passagiere vor der Sicherheitskontrolle stauen, herrscht nebenan im Terminal A gähnende Leere.
© Stefan Jacobs

Gedränge neben Leere in Schönefeld: Wenn es am Flughafen drunter und drüber geht

Am Flughafen Schönefeld drängen sich die Passagiere. Die hier arbeiten, sind erschöpft – und sorgenvoll.

Normalität und Wahnsinn sind dicht beieinander an diesem Mittwoch am Flughafen Schönefeld, wobei die Normalität im Gegensatz zum Wahnsinn nur eine scheinbare ist. Sie besteht etwa in der langen Liste der Flüge für die nächsten Stunden, die die Bildschirme versprechen: Mallorca, Moskau, Toulouse, Paris, Alicante. Also auch in Gegenden, in denen Rausgehen gerade unter Strafe steht.

Höchstens ein Drittel der Abflüge ist offenbar gestrichen, wobei man das teils nur an den fehlenden Gate-Nummern erkennt. Die Karawane der Rollkoffer, die sich von Bahnhof, Taxistand und den BVG-Bussen in Richtung Hauptterminal bewegt, ist spärlicher als sonst, aber sie rattert noch.

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Nicht die meisten, aber doch viele Menschen tragen Mundschutz. Es sind überwiegend Ausländer, die irgendwie nach Hause wollen. So wie die zwei Belgierinnen, denen eine Flughafenmitarbeiterin nach ausgiebigem Studium ihres Handys empfiehlt, sich schleunigst nach Tegel zu begeben: Von dort hätten sie zumindest noch die Chance auf einen Flug nach Brüssel.

Drinnen im Terminal A döst der Mann am Geldwechselschalter in der ungewohnten Ruhe. Marché und Zeitungsladen sind noch offen, das Bratwurstrestaurant „Von der Pike“ hinterm kreuzweise gespannten Flatterband verwaist. Fast kein Mensch läuft durch die Halle.

Eine Beschäftigte der Sicherheitskontrolle, die gerade Feierabend hat, erklärt den Grund: Wegen des großen Gedränges am Vortag sei das Hauptterminal A für Abflüge geschlossen worden. Nun werde der Andrang über die Seitenterminals abgewickelt – was das Gedränge dort noch vergrößere.

Das Terminal A in Schönefeld ist vorerst stillgelegt. Für Tegel ist die gleiche Maßnahme geplant.
Das Terminal A in Schönefeld ist vorerst stillgelegt. Für Tegel ist die gleiche Maßnahme geplant.
© Stefan Jacobs

Ein Blick ins Terminal C links vom Hauptgebäude bestätigt ihre Worte: In langer, keineswegs luftig aufgereihter Schlange stehen die Passagiere vor der Sicherheitskontrolle. Die meisten wollen den Flug nach Moskau kriegen, fast alle haben großes Gepäck.

So sei es auch tags zuvor gewesen, sagt die Sicherheitsfrau: Ein sonst nie ausgebuchter Flug nach Ägypten habe plötzlich 200 Passagiere gehabt, die mit eilig gepackten, übervollen Taschen angestanden hätten. Eilig gepackt bedeute auch: gedankenlos. Entsprechend viel habe aussortiert oder wegen Übergepäck nachberechnet werden müssen. „Aber die 100 Euro haben die Leute einfach bezahlt.“

Der Betrieb wird noch weiter heruntergefahren

Ein Flughafensprecher relativiert später auf Anfrage die Kritik: Das Passagieraufkommen sei um drei Viertel gesunken, da brauche man nicht alle Terminals. Und dass Passagiere in überfüllte Zubringerbusse gepfercht würden, sei allein Sache der Airlines und ihrer Dienstleister: Die Flughafengesellschaft habe sie ausdrücklich auf das Problem hingewiesen, aber keinerlei Weisungsbefugnis. "Wenn die Airlines wollen, dass ein zweiter Bus kommt, müssen sie auch einen zweiten bestellen."

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Am Mittwochabend meldete dpa, dass die Passagiere in Tegel von Donnerstag an größtenteils im dortigen Terminal C, die in Schönefeld ausschließlich im Terminal B abgefertigt werden. Die Passagierzahl habe sich bereits drastisch verringert und gehe weiter deutlich zurück. Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup will so die Personalstärke aufs wirklich nötige Maß reduzieren.

Trump war langsam, aber konsequent, findet die Sicherheitsfrau

Wenn sie zu Hause sei, werde sie wie üblich bei CNN reinschauen und dann ein wenig schlafen, sagt die Schönefelder Sicherheitsfrau am Ende ihrer Frühschicht. Sie habe das Gefühl, „wir machen gerade alles falsch“. Wir? Ja, die Flughäfen, die täten, was die Bundesregierung wolle – und mit dem regen Ausreiseverkehr das Virus weiter in der Welt verteilten.

Sie habe den Eindruck, dass US-Präsident Donald Trump wieder mal länger gebraucht habe, um den Ernst der Lage zu begreifen, aber dann konsequenter – also der Situation angemessener – entschieden habe, indem er den Einreisestopp für Europäer verhängte.

Während die Frau heimwärts radelt, stehen zwei Bundespolizisten mit müden Augen vor dem Terminal, die Zigaretten fast aufgeraucht. Ob sie mal eine Minute zum Reden hätten? „Tut mir leid“, sagt die Beamtin. „Die Minute haben wir uns gerade genommen. Sie sehen ja, was hier los ist.“

Dabei deutet sie auf das Getümmel im Terminal C. Ein paar Schritte entfernt sitzen die Leute vor „Laggners Almhütte“ am Rande des Parkplatzes. Aus den Lautsprechern neben den Hirschköpfen an der Holzfassade schmettert Partymusik: „Es geht mir gut, merci chéri!“

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