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Ost-Berliner werden nach der Grenzöffnung 1989 an der Bornholmer Straße von Westlern empfangen.
© Bundesarchiv

30 Jahre Mauerfall: Weltgeschichte als Faksimile

Der Tagesspiegel veröffentlicht eine Mappe mit Nachdrucken von 48 seiner Titel- und Themenseiten zum Mauerfall

Der 13. August 1961 war ein Sonntag, journalistisch gesehen war das für den Tagesspiegel ausgesprochenes Pech. Die Zeitung erschien damals montags nicht, schon gegenüber fußballbegeisterten Lesern wegen der vielen Wochenendspiele ein echtes Handicap, und nun auch noch der Mauerbau! Warum der Verlag sich damals nicht für ein Extrablatt entschied, ist heute nicht mehr zu rekonstruieren. Vielleicht waren es einfach technische Gründe, die das verhinderten. Und so konnte der Tagesspiegel leider erst mit eintägiger Verzögerung über die dramatischen Vorgänge an der Sektorengrenze zu Ost-Berlin berichteten, dann aber auf gleich sieben Seiten, eine davon nur mit Fotos gefüllt. Die Zeitungen trugen damals noch die Hauptlast der optischen Information – Anfang der Sechziger waren Fernsehgeräte bei Weitem nicht in allen Haushalten zu finden.

Beim Mauerfall 28 Jahre später gab es andere journalistische Probleme, doch diesmal wurden sie teilweise gelöst. Der 9. November war ein Donnerstag, die Vorgänge an der Bornholmer Straße und anderen Übergängen entwickelten sich aber zu einem Zeitpunkt am späten Abend, als ein Medium wie der Tagesspiegel darauf kaum noch reagieren konnte. Schabowskis Pressekonferenz fand zwar ausführlich Niederschlag im Haupttext der Titelseite – Überschrift: „DDR öffnet ihre Grenze zum Westen – Die Mauer verliert ihre Funktion“. Die Auswirkungen an den Übergängen schafften es aber nur noch als „Letzte Meldung“ zu einer neunzeiligen Notiz: „Zahlreiche Bürger besuchten nachts kurz den Westen“.

Zur Grenzöffnung gab es ein "Extrablatt"

Am nächsten Tag allerdings wurde schon vormittags in einem kostenlosen „Extrablatt“ auf vier Seiten „Die Nacht der offenen Grenzen in Berlin“ ausführlich beschrieben und kommentiert. Das ganzseitige Interview mit Manfred Gerlach, dem Vorsitzenden der Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands, in der regulären Ausgabe vom 10. November nachzulesen, war also Makulatur. Tagesspiegel-Autor Frank Jansen hatte es sich noch am Vormittag des 9. November in Ost-Berlin autorisieren lassen, Gerlach sprach darin nur vage über eine fällige „Veränderung des Grenzregimes“, bezweifelte immerhin, dass die Mauer, wie von Honecker prognostiziert, noch in 100 Jahren stehen würde. Wie recht er haben sollte!

All das lässt sich jetzt im Original nachlesen. Als Sonderdruck hat der Tagesspiegel die Dokumentation „30 Jahre Mauerfall“ veröffentlicht: 48 Titel- und Themenseiten als Reprint im originalen Format, in einer Sammelmappe zusammengefasst, ähnlich, wie es das vor einigen Monaten zum Luftbrückenjubiläum gegeben hatte. Die Seiten reichen von 1961 bis 2014, decken also nicht nur die Tage und Wochen vor und nach dem 9. November 1989 ab. Vielmehr setzen sie mit dem Mauerbau ein und enden mit den Feiern zum 25. Jahrestag des Mauerfalls.

In zehn Mauerjahren 20 "Geschosseinschläge" mit Personenschaden

Dazu gehören der Kennedy-Besuch im Juni 1963 ebenso wie das erste Passierscheinabkommen, das West-Berlinern im selben Jahr über die Weihnachts- und Neujahrstage Verwandtenbesuche im Ostteil der Stadt ermöglichte. Einer Seite vom 14. August 1971, auf der die ersten zehn Mauerjahre bilanziert wurden, ist zu entnehmen, dass es in diesem Zeitraum zu 20 „Geschosseinschlägen“ mit Personenschaden und zu 356 Einschlägen mit Sachschaden gekommen sei. Der Bericht über Wolf Biermanns Ausbürgerung ist dabei, die Verleihung des Friedensnobelpreises an den polnischen Arbeiterführer Lech Walesa und selbstverständlich Ronald Reagans berühmte Rede vor dem Brandenburger Tor 1987.

Nicht immer ist ein direkter Zusammenhang mit den Ereignissen zum Mauerfall gegeben, aber irgendwie wurde dieser beispielsweise auch durch den Friedensnobelpreis für Walesa vorbereitet. Die DDR brach nicht plötzlich zusammen, sondern erodierte allmählich, durch innere Erdbeben und äußere Umwälzungen.

Die Ausreise der in die bundesdeutsche Botschaft in Prag geflüchteten DDR-Bürger Anfang Oktober 1989, der Sturz Erich Honeckers kurz danach, die Großdemonstrationen in Leipzig und dann am 4. November die riesige in Ost-Berlin – all das gehörte zur Vorgeschichte des Mauerfalls und ist jetzt nachzulesen.

Auch die Nachgeschichte wird in der Sammelmappe angerissen – in Berichten, die zu runden Jahrestagen des Mauerfalls erschienen. Zum zehnten Jahrestag kam in einem eigenen Text sogar Günter Schabowski zu Wort – der Mann, dessen „Sofort, unverzüglich“ den Sturm auf die Grenzübergänge und damit das Ende der DDR ausgelöst hatte.

Die Dokumentation „30 Jahre Mauerfall“ kostet 19,90 Euro. Sie ist unter shop.tagesspiegel.de oder im Shop des Verlagsgebäudes erhältlich (Askanischer Platz 3 in Kreuzberg, S-Bahn Anhalter Bahnhof, montags bis freitags, 9–18 Uhr).
Die Dokumentation „30 Jahre Mauerfall“ kostet 19,90 Euro. Sie ist unter shop.tagesspiegel.de oder im Shop des Verlagsgebäudes erhältlich (Askanischer Platz 3 in Kreuzberg, S-Bahn Anhalter Bahnhof, montags bis freitags, 9–18 Uhr).
© Tsp

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