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Warteraum der Kfz-Zulassungsbehörde in der Kreuzberger Jüterboger Straße.
© Kai-Uwe Heinrich

Berliner Verwaltung: Weiterhin wochenlange Wartezeiten für Kfz-Zulassungen

In Berlin warten Privatpersonen und Gewerbetreibende extrem lange auf Termine bei den Zulassungsbehörden. Dabei werden seit den Ferien Ausweiskopien akzeptiert.

„Da hamse ja ’nen echten Sechser im Lotto jehabt“, sagt der Mann am Telefon der Behördennummer 115 und übermittelt das schier Unglaubliche: einen gerade frei gewordenen Termin in der Kfz-Zulassungsbehörde in acht Tagen. Wer als Privatperson am Montag online einen Termin buchen wollte, dem wurde der 3. September angeboten. Die zehn Termine, die für den Vormittag angezeigt wurden, waren in Minutenschnelle vergeben. Für den Nachmittag gab es bis Ende November keinen einzigen Termin mehr.

Besser geht es auch den Händlern nicht: Sie müssen derzeit mit zwei bis drei Wochen Wartezeit rechnen – im besten Fall. Einige Händler haben sich jetzt in einem Brief an den Senat gewandt und fordern Abhilfe in der katastrophalen Situation.

„Die Kunden, die ein neues Fahrzeug kaufen, sind total verärgert. Wir und nicht die zuständige Verwaltung müssen uns mit wütenden Kunden auseinandersetzen“, sagt der Inhaber eines Charlottenburger Autohauses, der nicht genannt werden will. In einem Fall hatte eine Kundin ihren Neuwagen schon Anfang Juni gekauft und wartet seitdem auf die Zulassung. Sie ist auf ein Auto angewiesen und musste einen Wagen anmieten. Die Mietkosten ersetzt ihr niemand.

Und: „Ich musste Ende Juni für die Zulassung meinen Personalausweis abgeben“, erzählt Sabine G. Mit ihrem Lebensgefährten will sie demnächst ins Ausland verreisen. „Zum Glück“ besitzt Sabine G. einen Reisepass. Andere haben keinen Reisepass. Händler erzählen von Fällen, bei denen Urlaube gefährdet waren.

Ausweiskopie: Ausnahmeregel bis längstens Ende des Jahres

Seit Beginn der Sommerferien werden in den Zulassungsstellen Lichtenberg und Kreuzberg auch einfache Kopien von Ausweisdokumenten, die von Zulassungsdiensten oder Autohäusern eingereicht werden, anerkannt. Das teilte die Senatsumweltverwaltung auf Tagesspiegel-Anfrage mit. Diese Regelung soll gelten, bis Antragsrückstände abgearbeitet sind, längstens bis zum 31. Dezember 2018.

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Als Voraussetzung für die Anerkennung muss der einreichende Zulassungsdienst oder das zuständige Autohaus mit Unterschrift und Stempel auf der Kopie bescheinigen, dass das Original vorgelegen hat und die Kopie mit dem Original übereinstimmt. Ferner muss auf der Kopie bestätigt sein, dass diese ausschließlich für einen bestimmten Zulassungsantrag mit Angabe von Antragsdatum und Name des Antragsstellers zur Vorlage bei der Zulassungsbehörde vorgesehen ist.

„Frechheit, dass wir Versagen der Politik ausbaden müssen“

Für Privatleute ist die wochenlange Wartezeit ein großes Ärgernis, für Händler kann sie existenzbedrohend sein. Sie müssen finanziell in Vorleistung gehen, wenn der KfZ-Brief eintrifft und der Hersteller den Kaufpreis fordert. Erst wenn die Zulassung vorliegt, erhält er das in der Regel von der Bank mitfinanzierte Geld vom Kunden. „Es ist eine Frechheit, dass wir das Versagen der Politik ausbaden müssen“, ärgert sich ein Händler.

Viele Händler zahlen Zulassungsdienste für die Anmeldungen. Diese gehen an den Händlerschalter, geben die Unterlagen ab und werden informiert, wenn sie die Papiere wieder abholen können. „Einen richtigen Ansprechpartner haben wir nicht“, erzählt der Inhaber eines Dienstes. „Wir können nichts beschleunigen und nicht nachfragen.“ Die Händler versuchen deshalb, keine Fristen zu garantieren. „Dem Kunden sagen wir gar nichts“, erzählt ein Verkäufer.

2017 waren in Berlin 1.505.992 Fahrzeuge zugelassen. Im April arbeiteten 216 Beschäftigte in den Publikumsbereichen der Zulassungsbehörde. Ganze sieben mehr waren es nach Auskunft der Innenverwaltung Anfang Juli. In der Sachbearbeitung wurden in diesem Jahr bereits 22 neue Beschäftigte eingestellt. Weitere 19 Mitarbeiter werden Anfang August ihren Dienst antreten.

„Die Auswahl von weiteren Beschäftigten ist in Vorbereitung“, teilte die Innenverwaltung mit. Eine „Taskforce aus Nachwuchskräften und Azubis“ sei „im Einsatz“. Zudem sei ein gesonderter Ausbildungsbereich in der Kfz-Zulassungsbehörde eingerichtet worden.

Keine Besserung in Sicht

Im April wurde die Online-Terminbuchung wieder freigeschaltet, nachdem der Terminhandel auf dem Schwarzmarkt jahrelang kräftig florierte und überhaupt keine Termine zu buchen waren. Jetzt aber buchen die gewerblichen Zulassungsdienste die Termine entgegen den Nutzungsbedingungen der Online-Terminvereinbarung. Seit dem 22. Juni führt die Innenverwaltung verstärkt Kontrollen durch. Wann genau eine Besserung in Sicht ist, kann die Behörde nicht sagen.

Berlin beteiligt sich am Bundesprojekt I-Kfz. Aber nur 488 Berliner Autobesitzer setzten 2017 ihr Auto online außer Betrieb. Im ersten Halbjahr 2018 waren es 192. Denn es gibt Hürden: Man benötigt einen maschinenlesbaren Personalausweis und ein passendes Lesegerät. Ab 2019 soll die Neuzulassung eines Autos im Netz möglich sein.

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