Kulinarisches Berlin: Weinbars florieren in der Hauptstadt
Von der Biermetropole über die Weinstadt zur Weinbar-Stadt: Die Berliner Gastronomie experimentiert mit modernen, kommunikativen Konzepten - und liegt damit voll im Trend.
Der Trend ist wie eine Schnecke im Weinberg: Berlin eine Weinstadt? Als der Autor Stuart Pigott 1996 trotzig in die weltbekannte Biermetropole zog, da machte er sich keine Illusionen über die vinophilen Neigungen seiner neuen Nachbarn – er schrieb seine viel beachteten Weinbücher hier, das war’s.
Aber eben doch nicht. Denn exakt zu jener Zeit begann das Berliner Logenhaus, mit einer Weinmesse zu experimentieren, und der in Mainz ansässige Verband der deutschen Prädikatsweingüter (VDP) organisierte erstmals eine große Präsentation seiner Mitglieder im damaligen Debis-Haus am Potsdamer Platz, die in den folgenden Jahren einen festen Platz im Veranstaltungskalender fand. Vor allem der deutsche Wein profitierte; undenkbar wäre heute, was noch vor 20 Jahren ganz normal war: Top-Küche in Berlin ohne deutschen Wein auf der Karte.
Wichtiger als Essen
Und noch etwas gab dem Thema indirekt einen Schubs: Immer mehr Restaurants in der Hauptstadt stemmten ihre Küche auf Gourmet-Niveau, was auch heißt: Wein wird wichtiger. Angetrieben wurde diese Welle nicht von allen Touristen, aber doch von jenen vielen, die sich nicht mit Fast Food zufriedengeben mochten. Und das führt nun auch zu einem Trend, der in vielen europäischen Metropolen schon längst ganz alltäglich ist: Der Wein wird in der Gastronomie wichtiger als das Essen.
Das Ergebnis ist die Weinbar. Sie signalisiert dem Gast: Hier gibt es ein gutes Glas und erst recht eine gute Flasche, und du bist auch willkommen, wenn du nichts essen oder erst einmal abwarten willst. Kein Kellner bietet suggestiv lange Menüs an, aber es könnte sein, dass er sofort – findet er Interesse vor – über die gerade verfügbaren Weine berichtet, Vorschläge macht, Vorurteile zu revidieren versucht. Die Cordobar in Mitte, erst im letzten Jahr eröffnet, hat das Konzept zwar nicht erfunden, aber mit ihrem großen Erfolg gezeigt, dass es da noch eine Marktlücke gibt. Jedenfalls, wenn man sich modern und kommunikativ gibt und auf den Traditionsmief mit Rebwurzelkorkenziehern, Römergläsern und Bildern von dicken Mönchen verzichtet.
Zwiebelkuchen und Handkäs
Aber auch wenn das Essen nicht die Hauptrolle spielt, so muss es auch in einer Weinbar mit der Zeit gehen. Zwiebelkuchen und Handkäs sind zwar noch nicht verboten, aber bestenfalls noch die Basis einer wechselnden Speisekarte, die die Anwesenheit eines gelernten Kochs voraussetzt. Wenn dann noch ein gutes Konzept hinzukommt, wird das Ganze besonders interessant: Im „Maxime“ in Mitte setzt der Chef Maxime Boillat ganz auf die viel diskutierten „Naturweine“, und er hat mit Hugo de Carvalho einen experimentierfreudigen Küchenchef.
Die Weinbar-Idee floriert also, und sie wird weiterentwickelt. Viele Weinhändler versuchen, sich damit wirtschaftlich abzusichern, und viele gestresste Küchenchefs und Sommeliers sehen darin einen Weg, es etwas ruhiger angehen zu lassen. Andreas Lochner vom Restaurant Lochner möchte eine Weinbar gründen, Billy Wagner, der preisgekrönte Rutz-Sommelier, hat was in Arbeit, und das sind nicht die Einzigen, von denen wir Neues erwarten dürfen, zeitgemäß und locker, wie es sich für Berlin gehört.
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