Neues Leitbild des Senats: Was verbirgt sich hinter der „Strategie Berlin 2030“?
Rot-Rot-Grün will die Hauptstadt mit der „Strategie 2030“ für kommende Jahre rüsten. Was ist das Ziel des neuen Leitbildes und was sind die Schwerpunkte? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Berlin wächst – und zwar schneller als erwartet. Allein 2017 erhöhte sich die Zahl der Hauptstädter um 41.308 auf 3.711.930. Vor ein paar Jahren ging man von einem Zuzug von 240000 Neuberlinern in zehn Jahren aus. Heute rechnet man schon mit 400.000 Zuzüglern plus eine noch nicht zu bestimmende Zahl von Flüchtlingen. Mehrfach mussten Bevölkerungsprognosen deshalb korrigiert werden.
Um mit derartigen Entwicklungen besser umgehen zu können, plant der Senat eine aktuelle „Strategie Berlin 2030“ mit ressortübergreifendem Leitbild: Die Stadt soll sich sozial, modern und nachhaltig entwickeln. In einem gesellschaftlichen Diskurs sollen mit der Stadtgesellschaft „Meilensteine“ bis 2021 und dann bis 2026 entwickelt werden, um Ziele konkret zu definieren. Ein erster Referentenentwurf liegt dem Tagesspiegel vor, verabschiedet werden soll die Berlin-Strategie 2030 im Frühjahr 2020.
Was sind Anlass und Ziel der Strategie?
Ende 2014 hatte der damals rot-schwarze Senat noch unter Federführung von Michael Müller (SPD) als Stadtentwicklungssenator die „Berlin Strategie“ beschlossen, die bereits 2016 unter dem damaligen Müller-Nachfolger Andreas Geisel in der Stadtentwicklungsverwaltung zur „Berlin-Strategie 2030 2.0“ aktualisiert wurde. Die Themenschwerpunkte waren damals Wohnen, Arbeiten und offene Stadtgesellschaft. Jetzt plant der Senat – wie im Koalitionsvertrag auch festgeschrieben – die Fortführung dieser Strategie zur „Berlin Strategie 2030“, aber diesmal unter Federführung der Senatskanzlei. Das ist übrigens auch Konsens unter Rot-Rot-Grün.
Folgende Themenfelder sollen mit den aktuellen Kennzeichen angepasst werden: Wirtschaft, Kreativität, Bildung und Qualifizierung, Vielfalt der Quartiere, Stadt und Grün, klimagerechte Metropole, Mobilität und gemeinsame Zukunftsgestaltung. Ein Beispiel: In der 2016 überarbeiteten „Berlin Strategie 2.0“ wurden sogenannte Transformationsräume für Arbeit, Wohnen, Wissenschaft und Wirtschaft wie Marzahn–Hellersdorf, Tegel oder Spandau neu aufgenommen. Da Tegel bekanntlich bis zur BER-Eröffnung vermutlich im Jahr 2020 nicht als Wissenschaftsstandort und für den Wohnungsbau zur Verfügung steht, müssen alle geplanten Projekte in diesen Zentren nochmal aktualisiert werden.
In dem neuen Konzept soll es zwölf dieser Räume geben. Ob zum Beispiel die Elisabeth-Aue für den Wohnungsbau hinzukommen soll, steht noch gar nicht fest. Die Bebauung der Aue legte die Koalition nach dem Widerstand der Grünen und Linken bis 2021 auf Eis. Und es dürfte erneut zu heftigen Debatten in der Koalition führen, sollte die Bebauung der Elisabeth-Aue wieder auf der Tagesordnung stehen.
In der Strategie 2030 sollen auch die Themen Zuwanderung, Integration und Nachhaltigkeit aufgenommen werden. Konkrete Ansätze gibt es noch nicht, da das Referentenpapier zunächst in den einzelnen Verwaltungen diskutiert wird.
Wie sieht der Weg zu diesem neuen Leitbild aus?
Ohne Partizipation will Rot-Rot-Grün dieses Leitbild für eine nachhaltiges, solidarisches und weltoffenes Berlin nicht entwickeln. Gesteuert werden soll der Prozess durch die Senatskanzlei. Daneben soll es einen Lenkungskreis mit den Fachverwaltungen Stadtentwicklung, Arbeit, Wirtschaft sowie Umwelt und Verkehr geben. Auch die Stiftung Zukunft Berlin soll teilnehmen. Die Aufgabe dieses Lenkungskreises ist es, Zukunftsforen vorzubereiten und im Endeffekt auch die Strategie Berlin 2030 niederzuschreiben.
Die zentralen Themen sollen in Workshops in den Strategieforen stattfinden. Dort sollen 100 Akteure aus der Stadtgesellschaft sowie Vertreter der Senatsverwaltungen eingebunden werden. Die in den Foren erzielten Ergebnisse soll anschließend der Begleitkreis auf Bürgernähe und Praktikabilität überprüfen. In dem Begleitkreis werden Vertreter von Verbänden, die Bezirksbürgermeister, Vertreter der sechs Fraktionen im Abgeordnetenhaus sowie 30 Repräsentanten der Stadt eingeladen sein.
Wer sind die Autoren?
Robert Drewnicki, Leiter des Referats „Politische Grundsatzangelegenheiten/Strategien für Berlin“ hat den ersten Entwurf für die Strategie 2030 konzipiert. Der Etat dieses Referats beläuft sich auf jährlich 430.000 Euro. Damit werden unter anderem Gutachten, Rathaus-Dialoge und die Maßnahmen für die Erarbeitung einer Berlin Strategie 2030 finanziert. Ein externer Dienstleister, der ausgeschrieben wird, ist für die Organisation und inhaltliche Vorbereitung der geplanten Foren verantwortlich.
Wird auch die Stiftung Zukunft Berlin mit ihrem „Berlin Forum“ an diesem Prozess beteiligt?
Die Stiftung Zukunft Berlin soll laut Planung in dem Lenkungskreis teilnehmen. Vorstand Volker Hassemer (CDU) geht auch davon aus, dass die Stiftung das geplante „Berlin-Forum“ umsetzen wird, in dem Vertreter aus Politik und Gesellschaft einen Masterplan für eine Zukunftstrategie der Stadt entwickeln wollen. „Ich fühle mich verpflichtet, das Forum aufzubauen“, sagte Hassemer dem Tagesspiegel. Er habe sich darüber vor einigen Wochen mit Vertretern des Abgeordnetenhauses und dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) verständigt. Hassemer will die Frage über die Zukunft der Stadt Berlin möglichst nicht mit der Politik verknüpfen.
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Das sieht man in Teilen der Koalition anders. Der Stiftung wurde bisher keine finanzielle Unterstützung für den Aufbau eines „Berlin-Forums“ im Haushalt zugesichert. Kritisiert wird unter anderem, dass die Stiftung einen „bürgerlichen Ansatz“ pflege, der sich zu sehr auf die Repräsentanz von Berlin als Hauptstadt fokussiere.
Noch will niemand von einem Konflikt sprechen, aber es ist derzeit völlig unklar, wie und ob die Stiftung sich mit einem „Berlin Forum“ an der Strategie Berlin 2030 beteiligt.
Welche Leitbilder zur Stadtentwicklung gibt es?
In Berlin gibt es eine Vielzahl von Stadtentwicklungsplänen (StEP), die städtebauliche Nutzungen wie Wohnen, Industrie und Gewerbe, Einzelhandel, Wohnen, Klima, Verkehr, Ver- und Entsorgung und Zentren strategisch im Blick haben. Sie listen Maßnahmen wie Änderungen im Flächennutzungsplan oder in der Bauleitplanung auf. Die Pläne sind langfristig ausgerichtet und werden regelmäßig überarbeitet.
Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) überarbeitet derzeit den StEP Wohnen. In dem „StEP Wohnen 2030“ sollen Flächen für Neubauten, Verdichtungsmöglichkeiten wie Dachgeschossausbau, Quartiersmanagementgebiete oder soziale Erhaltungsgebiete aufgelistet werden. Und parallel erarbeitet die Lompscher-Verwaltung derzeit Leitlinien für die Bürgerbeteiligung bei räumlichen Entwicklungen, also bei Wohnungsbauvorhaben in den geplanten Großsiedlungen.
2030 ist noch fern – was passiert in der näheren Zukunft?
Mit Sicherheit wird viel über die richtige Strategie für Berlin in der Landespolitik diskutiert werden. Auch wenn Rot-Rot-Grün Partizipation hochhält, muss sich zeigen, ob diese in den Foren tatsächlich auch umgesetzt wird.
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