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Mit dem Handy kann der Text ruhig mal kürzer ausfallen. Die SMS ist ja kein Brief.
© Doris Spiekermann-Klaas

Debatte über Jugendsprache: Was schreibst Du?

Berliner Schüler diskutierten über die Veränderung ihrer Alltagssprache durch kurze Textnachrichten oder Chats. Sie stellten klar: „Ich bin jetzt Alex“ ist nicht einfach eine Nachricht mit Migrationshintergrund. So verständigen sich Jugendliche eben heute.

Klar, für Anne Moddy Ehle, die Vize-Schulsprecherin des Pankower Carl-von-Ossietzky-Gymnasiums, ist es „total normal“, wenn sie mit ihren Freunden „locker abchillt“. Doch falls ihre Mutter mal dasselbe Wort gebraucht, denkt sie: „Oh Gott, Mutter, das muss nicht sein, sei entspannt!“

Chillen – ein Ausdruck, reserviert für Jugendliche? Oder schleicht sich das Synonym für „abregen“ und „rumhängen“ auch nach und nach in die Sprache der Älteren ein? Offenbar. Na und? Da gibt es andere Redewendungen unter jungen Berlinern, bei denen mancher Erwachsene „vor Überraschung sprachlos dasteht“, sagt Christiane Plöger von der „Knigge-Gesellschaft für moderne Umgangsformen“. Der Verband lud am Sonntag Schülervertreter und die junge Autorin Fine Riebner zur Diskussion ins Hotel Adlon. Thema: Die neue Jugendsprache – ein Buch mit sieben Siegeln? Verfall der deutschen Sprache?

Die kleine Runde der Schüler aus gymnasialen Oberschulen wirkt keineswegs sprachlich unbeholfen, alle drücken sich bestens aus . Und doch: Was Ältere mitunter als Provokation empfinden, gehört ebenso zu ihrem kommunikativen Alltag – zumindest bei Chats und kurzen Dialogen per SMS, WhatsApp oder Handy. Beispiele gefällig? „Bruder, was geht“ – „Geht gut“. Oder: „Ich geh’ Edeka.“ Oder: „Ich bin jetzt Alex.“ Das ist nicht mehr nur Migrantensprache. So verständige sich die junge Generation selbstverständlich, bestätigt die Gästerunde unter zwanzig.

Wort fehlt? Macht nichts!

Was soll denn „Ich bin jetzt Alex“ bedeuten? Jungautorin Fine Riebner , 20, Kurzgeschichtenpreisträgerin, weiß bei dieser Nachricht: „Wer das schreibt, fährt im Zug gerade am Alexanderplatz vorbei.“ Steht zwischen ,jetzt’ und ,Alex’ aber das Wörtchen „am“, dann läuft derjenige „gerade irgendwo am Alex rum“.

Diskussionsrunde in Berlin.
Diskussionsrunde in Berlin.
© Doris Spiekermann-Klaas

Überhaupt. Riebner und die Schüler zu ihrer Seite haben nichts gegen Verkürzungen und gegen die Chatsprache mitsamt aller Anglizismen. „Globalisierte Kommunikation“ lautet ihr Stichwort. „Wir konnten noch nie weltweit mit so vielen Menschen unmittelbar Kontakt aufnehmen und halten.“ Dazu gehöre nun mal eine pragmatische, effiziente Sprache, möglichst „niedrigschwellig“, also für alle verständlich. Und beschleunigt. Kurze Nachhilfe. Kein Plan = kp, hdl = Hab’ Dich lieb.

Switchen zwischen Sprachmodi

Was heißt denn hier Verfall? Auch diese ganze Weiterentwicklung der Sprache halten die Schüler-Vertreter durchaus wertvoll. Ein Knigge-Vertreter muss da heftig kontern. „Wie unsinnig ist beispielsweise der neumodische Ausdruck Public Viewing zur WM!“ In den USA bezeichne man damit die öffentliche Aufbahrung eines Toten. „Es hat sich bei uns halt so eingebürgert“, bekommt er zur Antwort. „Na ja, die deutschen Übersetzungen sind ja auch nicht immer prickelnd, meint die 18-jährige Leonie Mader vom Landesschülerausschuss. „Oder wollen Sie zum Laptop gerne Klapprechner sagen?“ Und sogar für die komplizierte Welt der Gefühle gibt es in der Chatsprache, wie sie versichert, treffendere Ausdrucksmöglichkeiten als Worte, etwa die vielen Smileytypen.

„Wir können aber auch anders“, sagt Darius Ruff, Gymnasiast aus Grunewald. „Wir switchen um, reden unter Jugendlichen anders als mit Lehrern oder Eltern.“ Und wie viel ist der What’sApp- und Facebook-Generation noch der gute, klassische Brief wert? „Ganz viel“, sagt Anne Moddy Ehle aus Pankow. „Das ist was Besonderes.“ Bei ihrer besten Freundin, da habe sie „richtig Bock“, lange Briefe zu schreiben.

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