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Vorkaufsrecht: Wirksames Instrument oder Symbolpolitik?
© Jens Kalaene, dpa

Symbolpolitik oder wirksames Instrument?: Was das Vorkaufsrecht wirklich bringt

Im Kampf für günstige Mieten nutzen Berliner Bezirke das Vorkaufsrecht, um Häuser zu kaufen. Ist das sinnvoll? Fragen und Antworten.

Einige Bezirke Berlins nutzen das kommunale Vorkaufsrecht offensiv, damit einzelne Mietshäuser in den Milieuschutzgebieten der Stadt nicht an private Investoren verkauft werden. Ist das ein wirksames Instrument der Mieten- und Wohnungspolitik? Oder ist es nur ein symbolischer Akt, mit dem Senats- und Bezirkspolitiker zeigen wollen, dass sie der Mietenexplosion und Verdrängung aus dem Kiez nicht tatenlos zusehen? Der umstrittene Ankauf von Häusern in Friedrichshain-Kreuzberg zugunsten der neu gegründeten Genossenschaft „Diese eG“ hat die Diskussion über das Vorkaufsrecht neu aufleben lassen.

Wie funktioniert das Vorkaufsrecht?

Das Baugesetzbuch erlaubt es den Gemeinden bundesweit, Gebiete „zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung“ festzulegen. In Berlin dürfen die Bezirke seit 2001 solche Erhaltungssatzungen für sogenannte Milieuschutzgebiete eigenständig festlegen.

Dort haben die Bezirke auch ein Vorkaufsrecht, um zu verhindern, dass einzelne Immobilien an private Interessenten veräußert werden. Es sei denn, der Käufer ist bereit, mit dem Bezirk eine Abwendungsvereinbarung abzuschließen, in der er beispielsweise auf teure Modernisierungen oder andere Maßnahmen zulasten der Mieter verbindlich verzichtet.

Ist der Investor nicht willens, sich gütlich zu einigen, hat der Bezirk zwei Monate Zeit, um das Vorkaufsrecht selbst oder „zugunsten eines Dritten“ wahrzunehmen. Nach der bisherigen Praxis in Berlin wurden solche Häuser in der Regel von einer der sechs städtischen Wohnungsbaugesellschaften erworben. Gelegentlich in Zusammenarbeit mit gemeinnützigen Stiftungen.

Im Mai gründete sich in Berlin erstmals eine Genossenschaft („Diese eG“), die in Friedrichshain-Kreuzberg und Tempelhof-Schöneberg Wohnungen im Rahmen des Vorkaufsrechts erwerben will. Das Land Berlin kann solche Immobilienkäufe bezuschussen, damit sie für die neuen Eigentümer wirtschaftlich tragfähig bleiben.

Wie hat alles angefangen?

Im Frühjahr 2015 legte sich der Bezirk Tempelhof-Schöneberg ausgerechnet mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) an, die bundeseigene Mietshäuser in der Großgörschen- und Katzlerstraße zu Höchstpreisen an Privatinvestoren veräußern wollte. Es ging um 48 Wohnungen. Zum ersten Mal wurde in Berlin das kommunale Vorkaufsrecht in einem Milieuschutzgebiet genutzt.

Die Bima klagte, der Rechtsstreit ist in zweiter Instanz beim Kammergericht Berlin anhängig. Bis Ende Mai dieses Jahres haben sieben Berliner Bezirke in 49 Fällen das Vorkaufsrecht geltend gemacht. Doch viele Investoren, deren Geschäft auf diese Weise verhindert wurde, wehrten sich. Der Senat zählt elf Widerspruchs- und elf Klageverfahren, von denen viele noch nicht entschieden sind.

Ebenfalls 2015 ging Friedrichshain-Kreuzberg in die Offensive und kaufte ein Haus mit 30 Mietern in der Wrangelstraße, in diesem Fall zugunsten des städtischen Wohnungsunternehmens Gewobag in Kooperation mit der Stiftung „Umverteilen“.

Ein Jahr später gab es in dem Bezirk einen weiteren Vorkaufsfall, doch richtig in Schwung kam dieses Instrument der Mietenpolitik und Stadtentwicklung dann erst 2017. Also mit dem Antritt des rot-rot-grünen Senats. „Zur Flankierung der wohnungspolitischen Ziele und um Spekulation zu begrenzen, nutzt Berlin verstärkt seine Vorkaufsrechte“, schrieben SPD, Linke und Grüne in die Koalitionsvereinbarung hinein.

Wie sieht die bisherige Bilanz aus?

Zentrale Voraussetzung für das kommunale Vorkaufsrecht ist die Ausweisung von „sozialen Erhaltungsgebieten“. Vor vier Jahren gab es in Berlin nur 22 dieser besonders geschützten Kieze, jetzt sind es schon 57.

Nur in Steglitz-Zehlendorf, Spandau und Marzahn-Hellersdorf wurden bisher keine Milieuschutzgebiete ausgewiesen, aber das ist wohl nur eine Frage der Zeit. Den Berichten der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung an das Abgeordnetenhaus ist zu entnehmen, dass bis Ende 2018 insgesamt 37 Vorkaufsrechte rechtswirksam ausgeübt wurden, davon 21 im vergangenen Jahr.

Rund die Hälfte dieser „Vorkäufe“ (19) wurde bis Ende vergangenen Jahres in Friedrichshain-Kreuzberg getätigt. Gefolgt von Neukölln (8), in weitem Abstand folgen Tempelhof-Schöneberg (4), Mitte (3), Pankow (2) und Treptow-Köpenick (1). Für dieses Jahr gibt es noch keine amtlichen Zahlen, aber die Entwicklung geht vorerst dynamisch weiter.

Allerdings gibt es ein Problem: Die meisten Immobilien wurden im Rahmen des Vorkaufsrechts von den städtischen Wohnungsbaugesellschaften erworben.

Angesichts hoher Kaufpreise und des oft schlechten Zustands der Häuser ist das ein wirtschaftlicher Kraftakt, den die öffentlichen Unternehmen nur noch ungern stemmen. Für einzelne Vorkaufsobjekte musste mit Einwilligung der Betroffenen die Miete sogar um fünf bis zehn Prozent erhöht werden, „um den Ankauf wirtschaftlich darstellen zu können“, teilte die Stadtentwicklungsverwaltung des Senats mit.

Andere „begünstigte Käufer“, wie es amtsdeutsch heißt, sind aber schwer zu finden. Friedrichshain-Kreuzberg und seit Montag auch Tempelhof-Schöneberg (ein neuer Vorkaufsfall in der Schöneberger Gleditschstraße) setzen nun auf die neue Genossenschaft „Diese eG“, die im Mai gegründet wurde. Ohne die finanzielle Unterstützung des Senats und eine zusätzliche Belastung der Mieter wird die Genossenschaft die Hauskäufe kaum realisieren können.

Was hat das bisher gekostet?

Nach Angaben der Stadtentwicklungsverwaltung des Senats wurden bisher für den Kauf von insgesamt 1427 Wohnungen und 105 Gewerberäume im Rahmen des Vorkaufsrechts 255,2 Millionen Euro ausgegeben. Das entspricht einem Preis von 2403 Euro je Quadratmeter Wohn- oder Nutzfläche.

In der Regel wurden die Käufe von den städtischen Wohnungsunternehmen aus eigener Kasse bezahlt. Die Bestandssicherung dieser Immobilien ist also genauso teuer wie der Neubau landeseigener Wohnungen, deren Herstellungskosten die Senatsbehörde mit 2427 Euro je Quadratmeter angibt.

Das Land Berlin unterstützt den bezirklichen Häuserkauf durch Zuschüsse aus dem landeseigenen Investitionsfonds Siwana. Für Vorkaufsrechte wurden nach Angaben der Finanzverwaltung bisher 32,1 Millionen Euro zugesagt, weitere 44,9 Millionen Euro seien „in Planung“.

Sollten künftig Genossenschaften als Käufer zum Zuge kommen, können sie aus einem Fördertopf bedient werden, in dem derzeit 20 Millionen Euro liegen. Über eine Aufstockung der Mittel wird in der Koalition nachgedacht. Genossenschaften könnte bis zu zehn Prozent des Kaufpreises erstattet werden, damit werden sie den städtischen Wohnungsbaugesellschaften gleichgestellt.

Gibt es Alternativen?

Im Streit um die Vorkaufspolitik geht häufig unter, dass viele Berliner Wohnungen in Milieuschutzgebieten durch Abwendungsvereinbarungen mit den privaten Käufern geschützt werden können. Bis Ende 2018 waren es immerhin 2291 Wohnungen in sechs Bezirken. Das kostet nichts und ist rechtssicher.

Eine andere Alternative, die nicht der staatlichen Regulierung, sondern dem Gesetz von Angebot und Nachfrage folgt, ist der Neubau von Wohnungen. Das hat andere Dimensionen als der Vorkauf. So wurden laut Amt für Statistik im letzten Jahr 16.706 neue Wohnungen fertiggestellt. Im Jahr zuvor waren es 15.669 Wohnungen. Außerdem wurden in den vergangenen zehn Jahren 40.723 Wohnungen kommunalisiert, also von den städtischen Wohnungsbaugesellschaften außerhalb des Vorkaufsrechts erworben.

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