zum Hauptinhalt
Der designierte Regierende Bürgermeister Michael Müller mit seinen neuen Senatoren Matthias Kollatz-Ahnen und Andreas Geisel (von rechts nach links).
© dpa

Michael Müller und Berlin: Was bringt der neue Senat?

Matthias Kollatz-Ahnen, neuer Finanzsenator, kennt sich mit EU-Förderprogrammen aus, Andreas Geisel bringt als künftiger Stadtentwicklungssenator den Pragmatismus eines Bezirkspolitikers mit. Zumindest eine Sache kommt so zu einem Ende. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Lorenz Maroldt

In der Politik gerinnt oft erst im Rückblick zur Strategie, was sich zuvor nicht vermeiden ließ. Bei den neuen Berliner Senatoren für Stadtentwicklung und Finanzen, die der designierte Regierende Bürgermeister Michael Müller am Freitag präsentierte, ist das offensichtlich nicht der Fall: Ihr Profil passt exakt zu der Politik, die Müller in den vergangenen Wochen angekündigt hatte. Deshalb spielt es heute auch keine Rolle mehr, ob und wenn ja welche bekannteren Kandidaten gefragt worden sind und abgesagt haben. Für den neuen Senatschef Müller sind Matthias Kollatz-Ahnen als Finanzsenator und Andreas Geisel als Stadtentwicklungssenator erste Wahl; ob sie auch erste Sahne für die Stadt sind, ob überhaupt dieser festgefahrene Senat in den verbleibenden knapp zwei Jahren bis zur nächsten Wahl noch in Schwung kommt, wird sich erst noch zeigen müssen.

Kollatz-Ahnen bringt so ziemlich alles mit, was das linke sozialdemokratische Herz begehrt: Juso-Karriere, Essays zur sozialistischen Industriepolitik, Vizepräsidentschaft bei der Europäischen Investitionsbank – da entsteht leicht das Bild eines Finanzsenators, der auch gerne mal einen ausgeben will. Und Müller will ja ausgeben, will in Steine und Menschen investieren, in Wohnungsbau, Straßen und Personal. Aber, und darauf wies Müller am Freitag süffisant hin, er habe bewusst auch einen Finanzsenator gewollt, der noch nicht mit beiden Beinen im Berliner Gefälligkeitsgeflecht steckt und bei jeder Haushaltsbitte eines anderen Senators vor lauter Empathie „gleich mitweint“. Zudem wird Müller an Kollatz-Ahnen eine Erfahrung und damit vermutete Fähigkeit schätzen, die dessen Vorgängern eher weniger lag: Der neue Finanzsenator kennt sich bestens aus mit EU-Förderprogrammen, und da steckt für Berlin noch viel Anschubkraft drin.

Andreas Geisel ist dagegen so ganz nach dem Geschmack eher konservativer Sozialdemokraten. Freiflächenfans werden jedenfalls keine Freude am bisherigen Lichtenberger Bürgermeister haben, er will bauen, und zwar nicht nur Häuser: Geisel, kaum benannt, sprach gleich von „verstärkten Straßenbauprogrammen“, die der wachsenden Wirtschaft angepasst werden müssten. Auch das folgt den Linien, die Müller vorgegeben hat. Außerdem kann es aus Sicht des neuen Regierenden Bürgermeisters nicht schaden, einen erfahrenen Bezirkspragmatiker im Senat zu haben, denn das Verantwortungsvakuum, das sich zwischen den Berliner Verwaltungsebenen auftut wie ein schwarzes Loch im All, muss Müller überbrücken, sonst verschwindet seine Politik darin schneller als das Licht. Warum in der SPD allerdings 25 Jahre nach dem Fall der Mauer geradezu penetrant darauf hingewiesen werden muss, dass Geisel gebürtiger Ostdeutscher ist, lässt sich nur mit dem heraufziehenden Wahlkampf erklären; auf die Qualität seiner Stadtentwicklungspolitik wird sich das weder im Guten noch im Schlechten auswirken.

Somit kann die dreieinhalbmonatige Abschiedstournee von Klaus Wowereit, die ihn noch einmal im großen Bogen um die unschönen Baustellen und verwahrlosten Orte herum auf glanzvolle Bühnen führt, so langsam zum Ende kommen. Nachfolger Müller hat für seinen Auftritt alles verkabelt, Arbeitssenatorin Dilek Kolat noch zur Bürgermeisterin gemacht, Senatskanzleichef Björn Böhning zur Kontinuitätswahrung im Amt belassen – aber jetzt wird es Zeit für echte Impulse.

Zur Startseite