zum Hauptinhalt
Bunt und teuer. Die ortsübliche Mieten werden bisher falsch berechnet – sagt zumindest das Amtsgericht in erster Instanz. Für Mieter könnte das teuer werden.
© dpa

Berliner Mietspiegel: Was bedeutet das Urteil für die Mieter?

Das Amtsgericht Charlottenburg kippt die bisherige Berechnung des Mietspiegels. Was bedeutet das für die Mieter? Lesen Sie hier eine Übersicht.

Es ist auf jeden Fall ein Urteil mit Wirkung: Für eine Richterin am Amtsgericht ist der Berliner Mietspiegel nicht nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt – sie verdonnerte eine Mieterin deshalb dazu einer Mieterhöhung zuzustimmen, obwohl sie mehr als laut Mietspiegel „ortsüblich“ bezahlen müsste.

In dem konkreten Fall soll die Nutzerin einer knapp 132 Quadratmeter großen Wohnung im Stadtteil Charlottenburg in der Nähe des Schlosses künftig rund 946,99 Euro im Monat bezahlen statt bisher 853,21 Euro. Das entspricht einer Miete von 7,19 Euro je Quadratmeter, etwas mehr als der Oberwert laut Berliner Mietspiegel (7 Euro) vorsieht.

Aufsehen erregt das Urteil nicht wegen der Höhe der neuen Miete, sondern wegen der darin zu findenden grundsätzlichen Aussagen: Im Mietspiegel werden die Berliner Wohnlagen in die drei Kategorien „mittel“, „gut“ und „einfach“ unterteilt, doch dies „entspricht nicht anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen“, schrieb die Richterin.

Das will ein Gutachter festgestellt haben, dessen Bewertung sich die Richterin aber anschloss. Und sie schreibt: „Der Berliner Mietspiegel 2013 wurde nicht nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt.“ Deshalb hätten auch die darin enthaltenen Werte zur „ortsüblichen Vergleichsmiete“ keine Gesetzeskraft. Einfach ausgedrückt: Der Mietspiegel ist wertlos. Oder etwa nicht?

Hier die wichtigsten Fragen und Antworten:

Was ändert sich durch das Urteil?

Zunächst gar nichts, weil Mieterin und Mieterverein Berufung gegen das Urteil einlegen wollen. Der Fall wird dann erneut verhandelt von einem anderen Richter an einem anderen Gericht. Ob das Landgericht, das den Fall nun neu aufrollen muss, zum selben Urteil wie das Amtsgericht kommt, bleibt abzuwarten.

Ist mit dem Urteil der Mietspiegel bedeutungslos?

Natürlich nicht. Das Urteil betrifft eine einzelne Wohnung in einer ganz speziellen Lage in der Nähe des Schlosses im Stadtteil Charlottenburg. Es betrifft eine konkrete Miete, die nur nur geringfügig über dem Oberwert laut Mietspiegel liegt.

Und ein eigens dazu gebetener Gutachter stellte fest, dass die Erhöhung der Miete über diesen Oberwert für diese Wohnung gerechtfertigt sei. Es handelt sich also um eine Entscheidung in einem Einzelfall. Weil der Gutachter aber eine grundsätzliche Aussage über das „nicht wissenschaftliche Verfahren“ bei der Ermittlung der Werte trifft und sich die Richterin dem anschließt, könnten Vermieter in anderen Fällen sich auf dieses Urteil berufen. So gesehen handelt es sich um eine grundlegende Attacke auf den Mietspiegel, deren Auswirkung erst weitere Urteile zeigen werden.

Wozu dient der Mietspiegel bisher?

Bisher gilt er als zuverlässiges Instrument zur Befriedung des Wohnungsmarktes. Der Mietspiegel dient Hauseigentümern zur Durchsetzung von Mieterhöhungen, ebenso wie Mietern zur Abwehr von Wucherern. Seit die Wohnungsnot in Berlin aber so groß ist und wegen der großen Nachfrage gewaltige Mieterhöhungen möglich wären, wenn es keinen Mietspiegel gäbe, wurde dieser wiederholt von Maklerverbänden und Grundeigentümern als realitätsfern angegriffen.

Wie wird die ortsübliche Miete im Mietspiegel errechnet?

Durch die Auswertung der Daten von Mietern (40 Prozent) und Vermietern (60 Prozent). Bei Neuerstellung eines Mietspiegels (alle vier Jahre) müssen es 12 000 Datensätze sein, bei Fortschreibung 8000. Dazu werden Mieter und Vermieter persönlich befragt. Bei der Auswertung schließen die Verfasser „Ausreißer“ nach einem bundesweit vielfach verwendetem statistischen Verfahren aus. Im Mietspiegel 2013 wurden so etwa 250 Mietwerte als „Wucher-“ oder „Gefälligkeitsmiete“ ausgeschlossen.

Hat das Urteil Auswirkungen auf die Mietpreisbremse?

Ja, weil die Mietspreisbremse den Spielraum für Mieterhöhungen in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt auf maximal zehn Prozent über dem am Ort sonst übliche Miete begrenzt. Was ortsüblich ist, soll eigentlich dem Mietspiegel abzulesen sein. Falls die darin enthaltenen Werte aber angreifbar sind, dann fehlt die Grundlage für die Feststellung der ortsüblichen Vergleichsmiete – und die Mietpreisbremse greift ins Leere.

Warum ist das Urteil vorteilhaft für die Vermieter, falls es rechtskräftig würde?

Weil ohne Mietspiegel der Spielraum für Mieterhöhungen größer ist. Hauseigentümer könnten eigene Gutachter bestellen und mit dem Nachweis von vergleichbaren Wohnungen in der Nachbarschaft Mieterhöhungen durchsetzen. Denn wer neu in ein Miethaus zieht, bezahlt in Berlin erheblich mehr Miete als der Nachbar mit dem Altvertrag für die gleiche Wohnung ein Stock höher.

Die „Neuvertragsmiete“ für freie Wohnungen liegt in Berlin bei gut acht Euro je Quadratmeter und Monat, der Mietspiegel bei nur 5,54 Euro. Gutachter könnten sich auf Vergleichswohnungen berufen, die vor kurzem zu Neuvertragsmieten vergeben wurden, berufen, um Mieterhöhungen bei Altverträgen durchzusetzen.

Hat die Politik schon reagiert?

Ja, der Mietrechtsexperte der CDU-Fraktion im Bundestag Jan-Marco Luczak fordert die Bundesregierung dazu auf, „einheitliche Kriterien für die Erstellung von Mietspiegeln festzulegen“. Außerdem hat die CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus Bausenator Andreas Geisel (SPD) dazu aufgerufen, „den Berliner Mietspiegel gerichtsfest“ zu machen.

Das Bundesjustizministerium hat eine „Expertengruppe zur Novellierung des Mietrechts“ einberufen, die in diesem Monat erstmals beraten soll. Am Ende könnte ein Gesetzentwurf für die einheitliche Erstellung eines Mietspiegel stehen.

Was sollte ich tun, wenn ich eine Mieterhöhung bekomme?

Wie gehabt, den Mietspiegel zu Rate ziehen und die ortsübliche Miete für die eigene Wohnung ermitteln. Auf der Website des Senats ist eine Online-Abfrage möglich Verlangt der Vermieter mehr als den Oberwert, ist eine Rückfrage beim Berliner Mieterverein empfehlenswert.

Zur Startseite