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Ex-Polizist und Stasi-IM. Karl-Heinz Kurras (84) im Amtsgericht.
© dpa

Tod von Benno Ohnesorg: Warum Kurras schoss, bleibt im Dunkeln

Karl-Heinz Kurras, der 1967 den Studenten Benno Ohnesorg tötete, wird kein drittes Mal angeklagt. Das Ermittlungsverfahren gegen den 84 Jahre alten ehemaligen Polizisten soll eingestellt werden.

Karl-Heinz Kurras wird nicht mehr wegen der tödlichen Schüsse auf den Studenten Benno Ohnesorg vor Gericht gestellt. Das Ermittlungsverfahren gegen den 84 Jahre alten ehemaligen Polizisten werde eingestellt, erklärte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Martin Steltner am Mittwoch. Es hätten sich keine neuen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Kurras am 2. Juni 1967 aufgrund eines Mordauftrags auf Ohnesorg geschossen habe.

Der Verdacht war aufgetaucht, nachdem der West-Berliner Kriminalpolizist Kurras im Mai 2009 als Stasi-Spion enttarnt worden war – als ein besonders fleißiger und skrupelloser. 17 Aktenbände mit Informationen des Informellen Mitarbeiters „Otto Bohl“ – so Kurras’ Tarnname – hatten jahrelang im Archiv der Stasiunterlagenbehörde herumgelegen, bis die Historikerin und Behördenmitarbeiterin Cornelia Jabs sie richtig zuordnete: IM Otto Bohl hieß tatsächlich Karl-Heinz Kurras.

Knapp 42 Jahre vor seiner Enttarnung hatte er schon einmal – auf fatale Weise – Geschichte geschrieben: Während einer Demonstration tausender Studenten gegen den Schah von Persien tötete Kurras den Studenten Ohnesorg durch einen Schuss in den Kopf. Der Todesschuss feuerte die Studentenproteste damals weiter an: Viele Studenten fühlten sich an Leib und Leben bedroht. Kurras versuchte, sich mit dem Gefühl zu entschuldigen, er sei als ziviler Ermittler bedroht worden. Dabei war Ohnesorg einige Meter entfernt und bewegte sich weg von Kurras. Dessen Kugel traf ihn in den Hinterkopf. Der Publizist Uwe Soukup hat dies in seinem Buch „Wie starb Benno Ohnesorg? Der 2. Juni 1967“ präzise untersucht und dargestellt.

Dass ausgerechnet das DDR-Ministerium für Staatssicherheit Kurras als politischen Attentäter gewonnen haben könnte, war 2009 jedenfalls nicht ausgeschlossen – zu überraschend und fast bizarr wirkte die Erkenntnis, dass der Polizist Kurras gleich zweimal im Leben Schlagzeilen machte. Das Ministerium für Staatssicherheit als Beschleuniger der Studentenunruhen? Das hätte dem Kalten Krieg um West-Berlin im Nachhinein eine neue Dimension gegeben.

Die 17 Aktenbände mit Kurras’ Informationen für die Staatssicherheit bestätigten den Verdacht aber nicht. Tatsächlich brach Kurras’ Führungsoffizier den Kontakt zu seinem Zuträger sofort nach dem Todesschuss ab – und das, obwohl der West-Berliner Polizist so fleißig wie wenig andere IMs gewesen war und viele wichtige Interna der West-Berliner Sicherheitsbehörden an die Stasi verraten hatte, auch über desertierte ehemalige Stasi-Mitarbeiter, die bei West-Berliner Behörden aussagten. Wen er dadurch in Gefahr brachte, ist den Akten nicht zu entnehmen. Dass Kurras ein skrupelloser Stasi-Mann war, zeigen sie allerdings.

Zweimal musste sich Kurras vor West-Berliner Gerichten für den tödlichen Schuss rechtfertigen, verurteilt wurde er nicht. Jahre später versuchte er abermals, in Kontakt mit der Stasi zu kommen, doch kam keine Beziehung mehr zustande. Kurras war bis zur Pensionierung ein bekannter, aber unauffälliger West-Berliner Polizist. Seine Verbindung zur Stasi blieb nach 1989 unentdeckt. Denn als im Zuge der Suche nach IMs alle Polizisten in Berlin auf eine Stasibelastung hin untersucht wurden, war Kurras schon im Ruhestand.

Vor Gericht stand er zuletzt im November 2009 – wegen unerlaubten Waffenbesitzes. Damals gab Kurras den fast tauben, gehbehinderten, nur bedingt zurechnungsfähigen Greis – um tags darauf wieder in seine Stammkneipe zu radeln. Dem Land Berlin schuldet er nach einem Verwaltungsgerichtsverfahren jetzt 4500 Euro – eine Eingliederungshilfe, die er als ehemaliger sowjetischer Lagerhäftling bekommen hatte. Und es läuft auch noch ein Ermittlungsverfahren der Generalbundesanwaltschaft: wegen Landesverrats.

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