Open Data in der Verwaltung: Warum kann Berlin nicht, was Hamburg kann?
In der Hansestadt erlaubt ein "Transparenzportal" Einsicht in öffentliche Verträge, einen Überblick der Gewässerqualitäten oder der Spielplätze. Warum geht das in Berlin nicht?
Die Verträge für öffentliche Bauvorhaben online einsehen? Oder mit einem Klick erfahren, wo neue Kinderspielplätze in meiner Umgebung sind? Was in Hamburg längst erfolgreich praktiziert wird, steckt in Berlin noch in den Anfängen. Das „Transparenzportal“ der Stadtverwaltung der Hansestadt stellt einen Großteil solcher Verwaltungsinformationen gesammelt auf einer Webseite bereit. 1,64 Millionen Mal wurde das Portal alleine im Juni dieses Jahres angeklickt – beispielsweise um einzusehen, wer beim Bau der Elbphilharmonie die größten Verträge bekommen hat.
In Berlin gibt es ein ähnliches Portal für offene Daten – daten.berlin.de. Wie eine Anfrage von Alexander Morlang, Mitglied der Piratenfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus ergab, wird dieses jedoch kaum genutzt. Gerade einmal 23 178 Klicks (sogenannte Page Impressions) fanden hier im Juni statt. Der Grund für die mangelnde Nutzung des Berliner Portals ist schnell benannt, sagt Morlang: „Wenn der Rest der Welt schon mit Elektroautos durch die Gegend fährt, ist die Berliner Verwaltung noch mit Dampfmaschinen unterwegs.“ Nicht nur seien in Berlin viel weniger Datensätze auf dem Portal zu finden, sie seien zudem größtenteils nicht sonderlich relevant und so wenig standardisiert, dass sie schlecht nutzbar seien.
Das Ideal: Mehr Mitbestimmung und besserer Service
Die Bereitstellung von Verwaltungsdaten ist nicht nur wichtig für mehr Transparenz im Regierungshandeln. Das Portal in Hamburg beispielsweise werde sowohl von Bürgern als auch von Journalisten benutzt, um in den veröffentlichten Verträgen der Stadt mit Firmen nach unliebsamen Details zu suchen, sagt Daniel Stricker, Sprecher der dortigen Finanzverwaltung. Die kostenlose Veröffentlichung solcher Datensätze gilt darüber hinaus als beachtlicher Motor für die Digitalwirtschaft der Stadt. Wenn beispielsweise Standortkoordinaten aller Spielplätze oder neuer Bauvorhaben gesammelt veröffentlicht werden, können Programmierer auf dieser Basis Apps oder Programme entwickeln. Im besten Falle, so das Ideal hinter Open Data, führt das gleichzeitig zu mehr Mitbestimmung und neuen Dienstleistungen für die Bürger.
Die Verantwortung für die geringe Nutzung des Berliner Portals will Morlang aber nicht in erster Linie bei der Senatsverwaltung sehen: „Das Ganze war damals eher ein Projekt von dem linken Teil der rot-roten Regierung. Der jetzige Senat behandelt das Ganze ziemlich stiefmütterlich.“ Ein Transparenzgesetz, wie es in Hamburg die Grundlage für den Erfolg des dortigen Portals bildet, sei in Berlin derzeit in weite Ferne gerückt. In Hamburg hatte ein breites Bündnis aus Parteien, Gewerkschaften und Transparenzverbänden den Gesetzentwurf ausgearbeitet. Das Gesetz verpflichtet die Verwaltung, eine Vielzahl an Daten öffentlich und gut zugänglich bereitzustellen. Dazu gehören alle Verträge mit Wasserversorgern, Energieanbietern und stadteigenen Unternehmen. Jeder kann die Bauverträge der Elbphilharmonie einsehen.
In Berlin fehlt die Pflicht zur Offenheit
Piraten und Grüne haben eine ähnliche Gesetzesvorlage 2012 für Berlin vorgelegt. Der Senat bezeichnete die Novelle als unnötig. Stattdessen gilt weiterhin das Berliner Informationsfreiheitsgesetz von 1999. Da hierin jedoch keine Veröffentlichungspflicht der Behörden festgeschrieben ist, herrscht kein Druck zur Veröffentlichung. Die Daten auf Open Data Berlin werden freiwillig zur Verfügung gestellt. Bezirksverwaltungen beispielsweise, sagt Morlang, haben bislang noch fast gar keine Daten bereitgestellt.
Alexander Dennebaum, Sprecher der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung, sieht hier auch den wesentlichen Grund für die stärkere Nutzung des Hamburger Portals. Natürlich würde eine Veröffentlichungspflicht mehr Nutzung nach sich ziehen. In Berlin habe man sich darauf fokussiert, ausschließlich maschinenlesbare Datensätze zu veröffentlichen, mit denen wirklich Programme entwickelt werden können. Baubeschlüsse oder dergleichen zu veröffentlichen, sei dafür nicht zielführend. „Was das betrifft, ist Berlin mit über 30 Anwendungen in Deutschland vorne mit dabei“, sagt Dennebaum. Ein langsamer kontinuierlicher Ausbau des Portals sei auch geplant. Dafür stehen 120 000 Euro pro Jahr zur Verfügung. Zum Vergleich: In Hamburg stehen jährlich 903.000 Euro bereit.
Wer nicht fragt, bekommt auch keine Antworten
Die stärkere Nutzung in Hamburg scheint wohl noch einen anderen Grund zu haben. „Die Anforderungen an unser Portal waren von Beginn an sehr hoch“, erzählt Daniel Stricker von der Hamburger Finanzverwaltung. Einerseits habe man viel Werbung für das Portal gemacht. Vor allem sei das Transparenzgesetz in Hamburg ein Thema mit hoher öffentlicher Aufmerksamkeit gewesen. So sei es kaum verwunderlich, dass die Bürger es nun auch nutzen. In Berlin hingegen scheint es bisher noch an beidem ein wenig zu mangeln.