zum Hauptinhalt
Kulminierte Historie. 1918, 1923, 1938, 1989 - der 9. November ist ein geschichtsträchtiger Tag.
© Jörg Carsetnsen/dpa

Gedenken und Mahnung: Warum der 9. November in Berlin Feiertag sein sollte

Freiheit und Demokratie, aber auch Unrecht und Verfolgung: Kein anderes Datum ist von so überwältigender Symbolik für Berlin. Ein Gastbeitrag.

Die Berliner Regierung möchte einen neuen Feiertag einführen, weil Berlin das Bundesland mit den wenigsten Feiertagen ist. Wenn damit nicht nur dem Bedürfnis nach Freizeit und Erholung Rechnung getragen werden soll, muss dies ein Tag sein, der Anlass gibt, dass sich die Bürgerinnen und Bürger Berlins jedes Jahr „feierlich“ seiner erinnern, privat und öffentlich. Ein Tag, der für die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft unseres Gemeinwesens Bedeutung hat und eng mit dieser Stadt verknüpft ist.

Das ist wie kein anderer Tag der 9. November. Es ist der Tag, an dem im Jahre 1918 die Revolution gegen die politischen und militärischen Eliten kulminierten, die Deutschland und die Welt in den bis dato fürchterlichsten aller Kriege manövriert hatten. Der Tag, an dem der Kaiser abdankte, in Berlin die Republik ausgerufen und erstmals in Deutschland eine Demokratie geschaffen werden sollte. Sie scheiterte, weil sich das Land 15 Jahre später von der Demokratie wieder verabschiedete und einem populistischen Führer unterstellte, der bereits im Jahre 1923 erstmals den Versuch unternommen hatte, zusammen mit Vertretern des alten Regimes die junge Demokratie zu beseitigen – am 9. November.

Millionen Menschen verbinden den Tag mit Berlin

Zu welchen Verbrechen der Diktator und seine Gefolgschaft fähig und willens waren, demonstrierten sie in unverfrorener Deutlichkeit in der Nacht des 9. November 1938, dem Beginn der Novemberpogrome gegen die jüdische Bevölkerung. Ein Jahr später entfachten sie den 2. Weltkrieg und setzten ihr mörderisches Unterfangen in unvorstellbarem Ausmaß fort. Im selben Jahr explodierte die Bombe Georg Elsers, die Deutschland von Hitler befreien sollte – am Vorabend des 9. November.

Schließlich der 9. November 1989: der Tag, an dem in Berlin die Mauer fiel, weil sich die Bürgerinnen und Bürger der DDR gegen ihre politische Führung erhoben, die das Volk hatte repräsentieren wollen, aber vier Jahrzehnte lang in seiner Freiheit beschnitten und keine freien Wahlen zugelassen hatte. Millionen Menschen auf der ganzen Welt verbinden bis heute Berlin mit diesem Tag.

Der 9. November ist ein Datum von geradezu überwältigender Symbolik - für Berlin, für Deutschland und für die Welt. Als gesetzlicher Feiertag würde er wie kein anderer die Erinnerung an Geschehnisse wachhalten, die einerseits für Frieden, Freiheit und Demokratie stehen, andererseits an das Unrecht gemahnen, das entsteht, wenn sich Staat und Gesellschaft von diesen Werten abwenden. Ein Tag der Feier und des Gedenkens.

Der Autor lebt als Rechtsanwalt in Berlin und lehrt an der Humboldt-Universität Strafrecht, Strafprozessrecht und Rechtsgeschichte.

Alexander Ignor

Zur Startseite