Rathaus Schöneberg, Invalidenstraße & Co.: Warum Baustellen in Berlin oft so lange dauern
Baustelle und kein Ende. "Wir haben Schweizer Käse unter den Straßen", klagen die Wasserbetriebe - zu beobachten gerade wieder am Rathaus Schöneberg. Aber nicht nur da.
Berlin baut – langsam. Nicht nur am BER und bei der Staatsoper. Auch einfach erscheinende Arbeiten ziehen sich oft in die Länge. Sogar die Reparatur eines simplen Rohrbruchs kann Monate dauern – wie vor dem Schöneberger Rathaus. Was zunächst einfach aussieht, kann nämlich äußert kompliziert werden, weil es im Berliner Untergrund unerforschte Geheimnisse gibt. „Wir haben Schweizer Käse unter den Straßen“, fasst Stephan Natz, Sprecher der Wasserbetriebe, die fleißig mitbauen, die Probleme zusammen.
Schöneberg
Anfang Februar war nach einem Wasserrohrbruch an der Dominicusstraße eine Fontäne aus der Straße in die Höhe geschossen und hatte die Umgebung überschwemmt. Mit dem simplen Flicken oder einem Austausch des Rohres war es aber nicht getan. Schnell war klar, dass der gesamte Kreuzungsbereich mit der Martin-Luther-Straße und der Belziger Straße komplett erneuert werden musste, weil er unterspült war.
Der Haken: Unter der Straße gibt es unzählige Leitungen und Kanäle – von den Wasserbetrieben, von Vattenfall, von der Gasag und der Telekom oder für die Ampelanlagen. Der Bodenaustausch habe um sie herum und zum Teil unter ihnen erfolgen müssen, sagte Natz. Deshalb sei auch viel Handarbeit erforderlich gewesen, was die Bauzeit verlängert habe.
Normalerweise hätten solche Arbeiten einen Planungsvorlauf von fast einem Jahr erfordert; jetzt habe aber alles ganz schnell gehen müssen. Gearbeitet habe man mit zwei Schichten an sechs Tagen in der Woche, nur für die Sonntage habe es keine Erlaubnis gegeben. Trotzdem ziehen sich die Arbeiten noch mindestens bis Juni hin. Erschwerend war, dass bei den Arbeiten auch Leitungen entdeckt worden waren, von denen nichts bekannt war. Sie führten ins Rathaus. Natz vermutet, dass sie nach dem Krieg von den West-Alliierten gelegt worden waren.
Wozu, habe auch die Verwaltung im Rathaus nicht gewusst. Trotzdem habe man die Kabel nicht einfach entfernen können; jedes Mal sei dafür eine Genehmigung erforderlich gewesen, sagte Natz. Die Kabel könnten ja noch genutzt worden sein. Auch nicht verzeichnete Mauerwerke fanden sich als unerwartete Hindernisse im Untergrund. Sie stammten vermutlich von abgerissenen Häusern, mit deren Schutt im und nach dem Krieg Bombenkrater gefüllt worden waren, sagte Natz. Auch das Beseitigen dieser Trümmer habe Zeit gekostet.
Invalidenstraße
Um auf der Invalidenstraße in Mitte Gleise für die Straßenbahn einbauen zu können, mussten dort aufwendig Leitungen und Kanäle verlegt werden. Sie dürfen nicht unter den Gleisen liegen, damit diese bei Reparaturarbeiten an den unterirdischen Anlagen nicht gesperrt werden müssen. Auch dort gab es viele unliebsame Überraschungen, die den Bauablauf verzögerten.
Die Pläne für den Bereich des ehemaligen Grenzgebiets waren nach Angaben der Senatsbauverwaltung von Ost-Berlin vernichtet worden. Und dass die unterirdisch geführte Panke nicht in einem Rohr fließe, sondern unter einer „Brücke“ hindurch, hatten die Planer nicht gewusst. Das Bauwerk musste nun aufwendig saniert werden. So hatte allein das Verlegen der Leitungen und Kanäle zwei Jahre gedauert.
Fehlende Pläne für den „Schweizer Käse“ im Untergrund seien generell ein Problem, sagte Natz. Viele Unterlagen seien im Krieg verbrannt oder bei den zahlreichen Behördenumzügen verloren gegangen. Oder einfach nicht mehr auffindbar, weil Mitarbeiter, die wussten, wo sie suchen mussten, längst im Ruhestand seien. „Hier gibt es einen erheblichen Wissensverlust“, klagte Natz.
Hallesches Ufer
Auch an der Ewig-Baustelle Hallesches Ufer/Wilhelmstraße in Kreuzberg war man auf Unbekanntes gestoßen: auf eine nicht eingezeichnete Torflinse – vier Meter unter der Oberfläche, sagte Natz. Um sie beim Kanalbau zu überwinden, habe man eine unterirdische Brücke bauen müssen. „Den Terminplan konnten wir so vergessen“, erklärte Natz.
Oberbaumbrücke
Gelegentlich sind es auch nur wenige Zentimeter, die Arbeiten unplanmäßig verlängern. Beim Umbau eines Regenüberlaufkanals an der Oberbaumbrücke 2012/13 stießen die Arbeiter auf eine Glasfaserleitung der Telekom, deren Lage nach Angaben von Natz um etwa 20 Zentimeter vom Plan abwich und dem Kanal nun im Weg war.
Das Verlegen der hochkomplexen Leitung habe mehrere Tage gedauert. Doch immerhin: Bei dieser Baustelle war es gelungen, die Arbeiten drei Monate früher als vorgesehen abzuschließen. Hier war ausnahmsweise auch nachts gearbeitet worden. Die dafür erforderlichen Mehrausgaben fehlen dann aber für andere Baustellen in der Stadt. Deshalb gehören Zuschläge für die Arbeiten (noch) nicht zum Alltag.
Erfolg mit Prämien
Mit einer ausgelobten Prämie hatte auch das Bundesverkehrsministerium 2011/12 Baufirmen zur Eile getrieben. Die Sanierungsarbeiten waren ein Jahr früher als geplant abgeschlossen. Rund eine Million Euro hatte das Ministerium für die Prämie rausgerückt. Für Arbeiten im Untergrund sind Prämien aber nicht unbedingt erfolgversprechend, dämpft Natz ähnliche Erwartungen: „Wer im Tiefbau vor Beginn der Arbeiten sagt, es sei alles klar – der hat keine Ahnung.“