Abschaltung des Forschungsreaktors: Wannsee-Route wieder im Spiel
Das Helmholtz-Zentrum in Wannsee schließt, und das bedeutet: Die Flugroute über den Wannsee könnte nun doch kommen. Doch die Gegner wollen sich damit nicht abfinden, sie laufen sich bereits warm für die nächste Runde im Kampf.
Das Pendel zwischen Flugroutengegnern und Flugroutenplanern schlägt normalerweise im Takt der Gerichtsurteile hin und her. Manchmal gibt es aber auch einen Schub von außen. Diesmal sind es die Forscher des Helmholtz-Zentrums Berlin (HZB) in Wannsee, die es – wahrscheinlich unbeabsichtigt – in Bewegung versetzen. Die angekündigte Abschaltung des Forschungsreaktors lässt die eigentlich schon für tot erklärte Wannsee-Flugroute wieder realistisch erscheinen.
Mit dem Wegfall des Reaktors sei der „einzige kritische Punkt“ der Wannseeroute nicht mehr vorhanden, erklärte der Direktor des Bundesaufsichtsamts für Flugsicherung, Niklaus Herrmann, in verschiedenen Medien. Einer Klage der Bürgerinitiativen gegen die Wannseeroute hatte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) mit dem Verweis auf eine fehlende Risikoanalyse eines möglichen Absturzes über dem HZB-Reaktor stattgegeben. Ein Absturz hätte unabsehbare Folgen für die Bevölkerung. Der Chef des Bundesaufsichtsamtes war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. „Ein dringender Termin im Bundesverkehrsministerium“, hieß es im Büro.
Die Deutsche Flugsicherung (DSF), die Flugrouten ausarbeitet, erklärte sich für nicht zuständig. „Wir sind nicht die Beklagten“, sagte DFS-Sprecher Axel Raab. Wenn das Aufsichtsamt aber einen entsprechenden Auftrag erteile, werde man tätig. Das würde bedeuten: Eine förmliche Planung der Route, Beteiligung der Fluglärmkommission, Bestätigung durch das Aufsichtsamt. Vorerst läuft die Revision des OVG-Urteils vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVG) in Leipzig. Einen Verhandlungstermin gibt es noch nicht.
Urteilt das BVG wie vorher das OVG, müsste sich das Aufsichtsamt etwas gedulden. Eine Festlegung würde vor 2020 kaum Sinn machen. Danach schon, erkennt selbst Flugroutengegner und Verwaltungsrichter Matthias Schubert von der Bürgerinitiative Kleinmachnow an. Das Aufsichtsamt könne jederzeit die fehlende Risikoanalyse nachholen oder bis 2020 warten. „Für das aktuelle Verfahren spielt die Abschaltung keine Rolle.“
Schubert sieht in den Klagen gegen die Routen über Wannsee und Müggelsee nur einen von mehreren juristischen Hebeln. „Die Klage gegen das Planfeststellungsverfahren führen wir bis zum Bundesverfassungsgericht.“ Eine Verfassungsbeschwerde sei eingelegt. Notfalls werde man den Europäischen Gerichtshof anrufen.
Über die vorgezogene Reaktorabschaltung sei er eigentlich froh, so Schubert. Im Juni hatte das OVG festgestellt, dass für die Festlegung von Flugrouten keine Umweltverträglichkeitsprüfung nötig ist. Im Bundesrat läuft derzeit eine Initiative aus Rheinland-Pfalz, das Luftverkehrsgesetz zu ändern und bei der Festlegung von Routen Anwohner und das Umweltbundesamt künftig stärker einzubeziehen.
Thomas Loy