"Berlin Werbefrei": Volksentscheid soll Werbung aus Berlins Straßen verbannen
Überall Plakate, Tafeln, digitale Anzeigen: "Das wollen wir nicht länger akzeptieren", sagt Fadi El-Ghazi von der Bürgerinitiative "Berlin Werbefrei".
Dass sie besonders aggressiv werben würden, kann man der Initiative „Berlin Werbefrei“ wahrlich nicht vorwerfen. Ganz in schwarz-weiß gehalten fällt ihr kleiner Stand am grauen Moritzplatz kaum auf. Auffälliger sind da schon die beiden großen Werbetafeln direkt nebenan.
Genau darum geht es Fadi El-Ghazi. „Die Werbung wird in der Stadt immer dominanter“, sagt er. „Sie überdeckt Gebäude, Plätze und Grünanlagen.“ Und jetzt komme auch noch die digitale Werbung, die sich mit Bewegtbildern noch stärker ins menschliche Bewusstsein dränge. „Das wollten wir nicht länger akzeptieren.“
Zusammen mit ein paar Kollegen hat der Anwalt deshalb im Juni 2017 einen Gesetzesentwurf erarbeitet, durch den Werbung aus Berlins öffentlichem Raum verbannt werden soll. Per Volksentscheid will die Initiative diesen nun durchsetzen. Am Moritzplatz begannen die Aktivisten am Dienstagmittag offiziell mit ihrer Unterschriftenkampagne. Und das nicht ohne Grund: Denn auf der Brandschutzwand hinter den Prinzessinnengärten hat ein Automobilkonzern im vergangenen Sommer eine riesige Werbung geschaltet – der Anstoß für El-Ghazis Initiative.
Sollte sich „Berlin Werbefrei“ mit seinem Gesetzesentwurf durchsetzen, könnte in Berlin zukünftig nur noch für Veranstaltungen und gemeinnützige Zwecke geworben werden – an BVG-Haltestellen und 2500 ausgesuchten Litfaßsäulen. Alle übrigen Werbeflächen sollen demontiert werden. Allerdings dürften Restaurants und Geschäfte weiter Werbetafeln an ihren Lokalen anbringen.
Kunst und Bäume statt Reklame
Wird Berlin also bald überall so grau wie der verregnete Moritzplatz an diesem Tag? „Ach, die immergleiche Werbung macht die Städte doch eher eintönig“, sagt Fadi El-Ghazi. Wenn es weniger Werbung gäbe, könnten sich die Menschen mehr entfalten. „Dann wäre mehr Platz für Kunst oder auch für Bäume“, glaubt der 39-Jährige.
Bis zu einem werbefreien Berlin ist es allerdings noch ein weiter Weg. Um die hundert Unterschriften haben El-Ghazi und seine Mitstreiter in anderthalb Stunden am Moritzplatz gesammelt. Erst bei mehr als 20.000 Unterschriften muss sich das Abgeordnetenhaus mit dem Gesetz beschäftigen.
Sollte das Parlament den Vorschlag ablehnen, braucht es 200.000 Berliner, um einen Volksentscheid zu erzwingen. Zumindest die erste Hürde könne die Initiative locker nehmen, meint Fadi El-Ghazi. Auf der Internetseite von „Berlin Werbefrei“ wird aber sogar schon ein möglicher Abstimmungstermin genannt: Die Europawahl im Mai 2019.
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Caspar Schwietering