Kitaschließungen in Berlin: „Viele Eltern gehen auf dem Zahnfleisch“
Die Auslastung bei den Kitas hat bald die Grenze von 60 Prozent erreicht. Viele Eltern, die ihre Kinder noch zu Hause betreuen, sind am Limit.
„Wir können nicht mehr.“ Diesen Satz bekommt Milan Renner, Sprecher der Initiative Familien in der Krise, immer öfter zu hören. Da Kitas nur im Notbetrieb laufen und eine vom Senat vorgeschriebene Betreuungsobergrenze von 60 Prozent nicht überschritten werden darf, gibt es immer noch zahlreiche Kinder, die seit Mitte Dezember keinen einzigen Tag in einer Kindertagesstätte verbracht haben oder nur ein minimales Betreuungsangebot von wenigen Tagen erfahren.
„Viele Eltern haben sich seit mehr als zwei Monaten zusammengerissen und ihre Kinder zu Hause betreut, aber sie gehen jetzt auf dem Zahnfleisch“, sagt Renner. Eltern berichteten ihm von Kleinkindern, die plötzlich ausrasten würden oder mit Gewalt reagierten. Viele Selbstständige unter den Eltern haben Einkommenseinbußen, Angestellte fürchten sich vor einem Jobverlust.
Die durchschnittliche Auslastung bei den Berliner Kitas liegt laut Auskunft der Senatsbildungsverwaltung aktuell bei 46 Prozent. 13 Prozent hätten allerdings Betreuungsanspruch angemeldet, wobei kommende Woche dann mit 59 Prozent die Obergrenze von 60 Prozent fast erreicht sein sollte.
Der Druck auf die Kitas vonseiten der Eltern wird immer größer. Auch vom Kitaträger Fröbel, der 27 Einrichtungen in Berlin betreibt, ist zu hören, dass immer mehr Eltern auf einen Betreuungsanspruch drängen würden und viele Kitas mit der vorgeschriebenen Obergrenze von 60 Prozent nicht mehr hinkämen.
„Wir merken, dass die Eltern immer mehr am Limit sind“, sagt Fröbel-Sprecher Mario Weis. Ähnliches berichtet Roland Kern vom Dachverband der Kinder und Schülerläden (Daks): „Es gibt immer mehr Eltern, die die Notbetreuung in Anspruch nehmen wollen.“
Viele Kitas gehen vermehrt zum Wechselmodell über
Viele der insgesamt 2740 Berliner Kindertagesstätten gehen deshalb vermehrt zum Wechselmodell über. Das heißt, dass die Gruppen geteilt werden, Eltern deshalb ihre Kinder nur noch zwei bis drei Tage pro Woche in die Kita bringen dürfen.
Dieses Modell hat den Vorteil, dass keine Gruppe ausgeschlossen wird. Es funktioniert allerdings nur, wenn alle Eltern damit einverstanden sind, denn eigentlich gibt es vom Senat eine Liste mit systemrelevanten Berufen und anderen Anspruchsberechtigten, auf die sich Eltern, die beispielsweise in Pflegeberufen arbeiten oder alleinerziehend sind, berufen können.
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Dem Tagesspiegel liegt beispielsweise der Bericht einer alleinerziehenden Mutter vor, die Vollzeit in der Pflege arbeitet und trotzdem ihr Kind drei Tage die Woche zu Hause betreuen muss, weil ihre Kita sich für ein Wechselmodell entschieden hat.
„Wenn eine Kita groß genug ist, lässt sich auch noch eine extra Gruppe für die Systemrelevanten einrichten, aber kleinere Einrichtungen schaffen das häufig nicht“, sagt Roland Kern vom Daks. Andere Kitas haben kein Wechselmodell eingeführt, sondern richten sich ausschließlich nach der Senatsliste, auch das stößt auf Kritik.
„Unser vierjähriger Sohn war seit Mitte Dezember nur drei Tage in der Kita, weil wir nicht als systemrelevant gelten. Langsam wird es ungerecht“, sagt Johanna Spath, Designerin und Mutter aus Friedrichshain. Sie fühlt ihre Bedürfnisse nicht gehört.
Am Sonntag demonstrieren Eltern für Corona-Lockerungen bei den Kindern
Einige Kitas überschreiten die 60-Prozent-Auslastung in Absprache mit dem Träger, wenn sie viele Problemfälle zu betreuen haben. Aber das ist nicht die Regel. Kitas könnten nur das erfüllen, wofür sie ausreichend Personal haben, sagt Corinna Balkow vom Landeselternausschuss Kitas. „Desto besser Eltern und Kitaleitungen kommunizieren, desto weniger groß ist der Frust“, sei ihre Erfahrung. Insgesamt sei es wichtig, dass alle Kinder einen Anspruch auf eine Form von Betreuung hätten und keine Gruppe ausgeschlossen werde. Balkow bemängelt, dass der Senat nicht auf andere Ressourcen zurückgreift.
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„Es gibt in Museen sehr viele Pädagogen, die auch sonst mit Kindern arbeiten, und die jetzt nichts zu tun haben, die könnte man einsetzen und auch die Museumsräume könnte man nutzen“, schlägt sie vor. Vielen Eltern würde auch das nicht mehr ausreichen. Eltern der Initiative Familien in der Krise drängen auf einen weitgehenden Normalbetrieb. „Natürlich unter Berücksichtigung des Infektionsschutzes“, sagt Sprecher Milan Renner.
Am Sonntag, dem 28. Februar, wollen sie um 11 Uhr vor dem Roten Rathaus für Corona-Lockerungen in Kitas und Schulen demonstrieren. Hygienerichtlinien sollen dabei eingehalten werden.
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