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Bildungsmisere in Berlin: Viel zu wenig Lehrkräfte – Schulleiterverbände fordern Wiedereinführung der Verbeamtung

„Knapp wie Goldstaub“ seien gute Wissensvermittler, so der Interessenverband Berliner Schulen. Sie wollen den Lehrermangel in Berlin nicht länger hinnehmen.

Fast alle für eine – die Verbeamtung nämlich. In einer einmaligen Aktion haben sich am Montag fünf der sechs großen Berliner Schulleiterverbände gemeinsam an Senat und Abgeordnetenhaus gewandt, um die Wiedereinführung des 2004 abgeschafften Staatsdienerstatus für Lehrer:innen zu fordern.

Denn bei dem in Deutschland sowieso massiven Lehrkräftemangel hat Berlin noch einen zusätzlichen Wettbewerbsnachteil – weil es als inzwischen einziges aller 16 Bundesländer seine Lehrer:innen nicht verbeamtet.

Mit der Folge, dass jedes Jahr mehrere Hundert voll ausgebildete, oft junge Lehrkräfte in andere Bundesländer abwandern – oft nach Brandenburg.

Astrid-Sabine Busse vom Interessenverband Berliner Schulleitungen kennt das Elend vieler Schulleiter:innen mit ihren Referendar:innen.

Die freuten sich über die gute Ausbildung, sagte Busse. „Und dann kommt der Tag des zweiten Examens und dann sagt uns die Kollegin: ,Es war schön bei Ihnen, ich bedanke mich, aber ich bleibe nicht in Berlin.‘“

Dagegen müsse dringend etwas getan werden, forderten die Schulleiter:innen am Montag. Andernfalls sei der wachsende Bedarf angesichts der anstehenden Pensionierungszahlen bei gleichzeitig steigenden Schülerzahlen nicht zu decken, argumentierte Busse.

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Denn ein Drittel aller Lehrkräfte in Berlin sei 55 Jahre alt oder älter – voll ausgebildete Lehrkräfte, die in den nächsten zehn Jahren in den Ruhestand gehen. Busse zufolge ist für das Schuljahr 2025/26 ein Bestand von 23.000 Lehrkräften zu erwarten, bei einem Bedarf von 32860.

Allein zum kommenden Schuljahr muss Berlin laut Auskunft der Senatsschulverwaltung 2.440 Lehrerstellen neu besetzen.

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Es könnte alles so einfach sein: „Mehr Geld für die Schulen“ steht auf einem Protestplakat in Berlin.
Es könnte alles so einfach sein: „Mehr Geld für die Schulen“ steht auf einem Protestplakat in Berlin.
© Herbert Knosowski/dpa

Die wichtigsten Akteur:innen, gerade, um Lernrückstände nach der Pandemie aufzuholen, seien Lehrer:innen, sagte Busse, „und gut ausgebildet müssen sie sein. Die sind so knapp wie Goldstaub. Und es wird jedes Jahr enger“, sagte Busse.

Quereinsteiger:innen seien eine große Hilfe, bedeuteten für die Schulen jedoch in den ersten Jahren einen hohen Betreuungsaufwand. Und sammelten sich noch dazu häufig an Grundschulen im Brennpunkt, wo optimal ausgebildete Lehrkräfte besonders dringend gebraucht würden.

Angebliche „Blockhadehaltung“ von Grünen und Linken

Um den Druck zu erhöhen, forderten die fünf Schulleiterverbände Berlins angestellte Lehrkräfte am Montag auf, Verbeamtungsgesuche an die Senatsbildungsverwaltung zu schicken.

Vordrucke gibt es auf einer Website, bereitgestellt von drei pensionierten Berliner Lehrern, die gemeinsam mit den Schulleiterverbänden am Montag auch einen Gesetzentwurf zur Wiedereinführung der Verbeamtung vorstellten.

Doch zumindest vor der Wahl noch werden die Schreiben mit Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD) nicht die richtige Adressatin erreichen – Scheeres und die SPD befürworten die Verbeamtung von Lehrkräften.

Zwar waren es die Sozialdemokraten gewesen, die die Verbeamtung 2004 abgeschafft hatten. Doch wegen des massiven Lehrermangels legte die Berliner SPD 2019 nach heftigen Debatten mit einem Parteitagsbeschluss für die Wiedereinführung eine Kehrtwende ein.

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„Und das wäre schon längst erledigt, wenn wir bei unseren Koalitionspartnern nicht auf Blockadehaltung gestoßen wären“, sagte der SPD-Landes- und Fraktionsvorsitzende Raed Saleh dem Tagesspiegel. „Wir erwarten jetzt, dass sich Grüne und Linke hier neu positionieren.“

Mit Blick auf die Abgeordnetenhauswahl am 26. September sagte Saleh: „ Das wird spätestens in den Koalitionsverhandlungen zu einem harten Punkt für uns. Wenn sich so viele Verbände und Schularten zusammentun, dann ist das ein Hilferuf. Unsere Koalitionspartner müssen jetzt begreifen, dass das Thema Schule sich nicht eignet für ideologische Spielchen.“

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