Berlin: Verkehrssenatorin Günther übersteht Missbilligungsantrag
Die Regierungsfraktionen stehen zur parteilosen Senatorin. Die CDU hatte wegen des "Falls Kirchner" eine Absetzung Günthers gefordert.
Ein Missbilligungsantrag der CDU-Fraktion gegen die Verkehrs- und Umweltsenatorin Regine Günther wurde am Donnerstagabend im Abgeordnetenhaus abgelehnt. 87 der insgesamt 146 an der Abstimmung beteiligten Abgeordneten stimmten gegen den Antrag, 59 dafür. Die Fraktionen von FDP und AfD hatten sich dem Unions-Antrag angeschlossen. Die Christdemokraten wollten eine geheime Abstimmung beantragen, aber das ist laut Geschäftsordnung des Abgeordnetenhaus es nicht zulässig.
Die Christdemokraten hatten ihren Antrag damit begründet, dass Senatorin Günther ihren Verkehrs-Staatssekretär Jens-Holger Kirchner „ausschließlich aus Krankheitsgründen“ in den einstweiligen Ruhestand versetzt habe. Einen engen Mitarbeiter ohne Rücksicht auf dessen persönliche Umstände so zu behandeln, habegroßes Befremden und Betroffenheit ausgelöst. Es sei auch rechtlich nicht möglich, Kirchnerersatzweise eine neue Leitungsaufgabe in der Senatskanzlei anzubieten. Eine solche Stelle müsse öffentlich ausgeschrieben werden. Zudem zeigte sich die Union befremdet, dass der Nachfolger Kirchners, der neue Staatssekretär Ingmar Streese, „über keinerlei verkehrspolitische Expertise verfügt“.
Dregger kritisiert „würdelose Entlassung“
In der Debatte zum Antrag bezeichnete CDU-Fraktionschef Burkard Dregger den Umgang mit Kirchner „unmenschlich, unwürdig und unverantwortlich“. Seine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand gleiche einer „würdelosen Entlassung“, die Politik werde ihrer Vorbildrolle damit nicht gerecht. FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja nannte den Fall Kirchner einen „traurigen Höhepunkt dieser Koalition“ und wertete den Verzicht von SPD und Linken auf die eigenen Redebeiträge als Indiz dafür, dass Günther nicht das Vertrauen der gesamten Koalition genieße. Dregger wie Czaja forderten die Senatorin dazu auf, sich in der Debatte zu erklären. Ihr Schweigen nannte Czaja „ein Armutszeugnis“.
Als einziger Vertreter der Regierungskoalition ergriff Daniel Wesener, Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, das Wort. Wesener sprach von einer „ebenso schmerzhaften wie grenzverletzenden Debatte“. Es seien Grenzen überschritten worden, „darauf kann niemand stolz sein.“ Weseners an die CDU gerichteten Vorwurf, auf dem Rücken Kirchners Politik zum machen, wies Dregger zurück.
Die Abgeordneten spendeten lang anhaltenden Beifall für Kirchner
Im Gegensatz zu einem Misstrauensantrag, der sich gegen den Regierenden Bürgermeister wendet und zum Rücktritt des Regierungschefs mit anschließender Auflösung des Senats führen kann, ist die Missbilligung eines Senatsmitgliedsdurch das Abgeordnetenhaus auch im Erfolgsfall rechtlich folgenlos. Es ist aber ein politisches Instrument der parlamentarischen Opposition, um auf das Fehlverhalten eines Regierungsmitglieds aufmerksam zu machen.
Die Stimmung in der Parlamentssitzung war am Donnerstagfraktionsübergreifend eindeutig. Zu Beginn der Plenarsitzung begrüßte Parlamentspräsident Ralf Wieland (SPD)zwei neu ernannte Staatssekretäre. Außer Streese ist auch Martin Matz in der Senatsarbeitsverwaltung neu im Amt. Er bedankte sich in diesem Zusammenhangausdrücklich für die „hervorragende Arbeit“ des Verkehrs-Staatssekretärs Jens-Holger Kirchner, der am Dienstag vom Senat in den Ruhestand versetzt worden ist. „Wir wünschen ihm alles Gute zur Genesung“, fügte Wieland hinzu. Alle Fraktionen, von den Linken bis zur AfD, spendeten lang anhaltenden Beifall. Eine ungewöhnliche Geste des Abgeordnetenhauses.
Günther entschuldigte sich bei Kirchner
Ungewöhnlich war auch, dass der Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) zu Beginn seiner Rede zum Nachtragshaushalt auf das schwierige Thema zusprechen kam. Er lobte Kirchners „Lebensmut“ und sprach für den Senat die Hoffnung aus, dass dessen langjährige politische und berufliche Erfahrung für Berlinerhalten bleiben könne. Verkehrssenatorin Günther hatte sich außerhalb des Parlaments für ihr Verhalten entschuldigt. „Es tut mir sehr leid, dass ich Jens-Holger Kirchner mit meinem Handeln so stark belastet habe. Ich bedaure sehr, dass wir nicht mehrzusammenarbeiten können“, sagte sie in einem Interview mit der Berliner Zeitung.
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