Prozess gegen Rocker in Berlin: Vergessene Akten bringen Prozess ins Wanken
Zweieinhalb Jahre lagen Beweisakten in einem Mordprozess unbeachtet in einem Aktenschrank der Polizei. Nun gefährden sie den gesamten Prozess gegen die elf Angeklagten.
Beweis-Akten, die zweieinhalb Jahre in einem Aktenschrank der Polizei schmorten, bringen den großen Rocker-Prozess wegen Mordes in einem Wettbüro ins Wanken. Erst kürzlich waren die Unterlagen „entdeckt“ und dem Gericht übergeben worden – dabei läuft die Verhandlung gegen elf Männer bereits seit November 2014. Zwei Polizisten wurden nun zu den Daten in einem Angaben zufolge „dreistelligen Giga-Bereich“ befragt. War es Schlamperei oder gar Absicht? „Da ist nichts vorenthalten worden“, sagte ein 46-jähriger Beamter am Dienstag. Es sei ein Versehen gewesen. Die Verteidiger aber beantragten die Aussetzung des Verfahrens – um Einsicht in die Daten zu nehmen. Das Gericht muss nun, nach mehr als 150 Verhandlungstagen, entscheiden, ob der Prozess platzt und von vorn beginnen muss.
Es geht um einen Sonderband zur Handy-Auswertung. Die bei den verhafteten Rockern sichergestellten Mobiltelefone waren auszuwerten – am 20. Januar 2014 gab es den ersten Eintrag, den letzten Ende August 2014. Der Zeuge kam zur Einschätzung: „Keine Tatrelevanz“. Ähnlich schilderte es der zweite Zeuge. Inhaltlich sei es „sehr flach“ gewesen. „Zu 99,9 Prozent interessiert das sowieso niemanden.“
Es geht um gemeinschaftlichen Mord bei der Verhandlung vor dem Kriminalgericht in Moabit, laut Anklage heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen begangen. Zehn der elf Angeklagten gelten als Mitglieder der Hells Angels, mit dem 32-jährigen Kadir P. sitzt ihr Boss als einer der Verdächtigen mit in dem massiv bewachten Saal. P. habe den Mord in einem Wettbüro in Auftrag gegeben – „aus Rache und um seine Macht- und Führungsposition zu verdeutlichen“, so die Anklage. 13 teilweise vermummte Männer waren, wie berichtet, am 10. Januar 2014 in das Wett-Café in Reinickendorf gestürmt. Acht Schüsse fielen innerhalb von fünf Sekunden. Der 26-jährige Tahir Ö., der am Tisch in dem Lokal saß, hatte keine Chance. Er hatte sich, so die Ermittler, Wochen zuvor mit Hells Angels angelegt.