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Christian Lindemann ist Dichter und Sänger der deutschen Rockband Rammstein.
© imago/ZUMA Press

Berlin-Prenzlauer Berg: Verdrängt der Rammstein-Sänger Till Lindemann ein Künstlercafé?

Das Café Niesen muss nach 13 Jahren wegen einer Mieterhöhung schließen. Die kommt ausgerechnet von einem Künstler, dem Rammstein-Sänger Till Lindemann.

Das Café Niesen in Prenzlauer Berg war einer der letzten Kieztreffpunkte im Gleimviertel am Mauerpark. Vor allem Künstler aus der Nachbarschaft trafen sich hier und lauschten kleinen Konzerten. Damit ist seit letzter Woche Schluss: Das Café in der Schwedter Straße musste nach 13 Jahren schließen, wegen einer Mieterhöhung.

Pikant: Das Haus gehört laut übereinstimmenden Medienberichten einem prominenten Künstler aus Prenzlauer Berg: Rammstein-Sänger Till Lindemann. Café-Betreiberin Christine Wick, selbst bildende Künstlerin, ist deswegen besonders enttäuscht: „Das zeigt wohl, dass Künstler nicht automatisch bessere Menschen sind – man muss schon etwas dafür tun.“

Hausverwaltung forderte Mieterhöhung um 55 Prozent

Vor kurzem hatte ausgerechnet Rammstein-Keyboarder Christian „Flake“ Lorenz noch die Gentrifizierung seiner Heimat Prenzlauer Berg angeprangert. Offenbar mischt sein Bandsänger dabei kräftig mit. Lindemanns Hausverwaltung forderte laut Wick eine Mieterhöhung um 55 Prozent ein: „Das konnte mein Café nicht leisten.“ Wick vermutet, dass die Erhöhung nicht ohne Plan erfolgte: „Man hat mir gesagt, ein familiennaher Freund Lindemanns wolle hier künftig Gastronomie betreiben.“

Die Hausverwaltung und auch das Rammstein-Management wollten sich auf Nachfrage nicht zu der Angelegenheit äußern. Dafür ergriff Lindemanns frühere Freundin Sophia Thomalla Partei für den Sänger. Sie warf der Café-Betreiberin via Instagram „mangelnde Hygiene“ vor, zum Schluss sei sogar das ganze Haus von Mäusen befallen gewesen. Lindemann habe Wick zudem jahrelang „Angebote gemacht, die sie ausgeschlagen hat. Madame Besitzerin hatte eher das Bedürfnis, Till in einem schlechten Licht erscheinen zu lassen. Zettel wurden verteilt, im Internet wurde gedroht.“ Nun habe man „die Reißleine gezogen, damit man sich diesem Mist nicht mehr aussetzen muss.“ Wick habe am Ende noch „eine fette Abfindung“ gefordert.

Wick findet diese Behauptungen „ekelhaft“ und sagt: „Die kennt mich nicht mal, die Frau.“ Aber nun könne sie sich auch vorstellen, wer die beiden anonyme Anzeigen wegen angeblicher Mäuse geschrieben habe: „Der Kammerjäger hat uns nach zehn Tagen Zwangsschließung bestätigt, dass gar keine Mäuse da sind.“

Das Ende Ihres Cafés fügt sich laut Christine Wick ein in die Entwicklung des Gleimviertels, in dem der Verdrängungskampf tobt. „Der Kiez verändert sich, es geht einer nach dem anderen. Er wird neu bespielt, aber es sind ganz andere Leute, nicht so offen und zugänglich.“

„Er hat sich hier schon lange nicht mehr sehen lassen"

Sie glaubt, dass sich auch Till Lindemann vom Kiez entfremdet habe. Am Anfang, als er noch im Haus wohnte, habe er sich noch im Café gezeigt, auch Rammstein hätten sich öfter dort getroffen. Inzwischen habe Lindemann sich regelrecht abgeschottet: „Er hat sich hier schon lange nicht mehr sehen lassen, ich selbst habe auch keinen Kontakt mehr zu ihm“, sagt Wick. „Ich weiß bisher nicht mal, wem ich den Schlüssel geben soll.“ Sie könne es sich nur so erklären, „dass es irgendwann krank macht, so viel Geld zu haben – das ist Geldsucht. Man verliert dabei wohl den Kontakt zu sich und den Leuten.“

Lindemann habe inzwischen zwar „zig Wohnungen und Häuser hier im Kiez“, sei aber dadurch auch eine Art Kiez-Phantom geworden. „Bei der Abschiedsfeier im Café hat jeder Zweite gesagt, dass er für Lindemann Päckchen in seinem Haus annimmt“, sagt Wick.

Trotz des unschönen Endes will Christine Wick auch künftig einen Kieztreff anbieten. „Ich bin dabei, einen neuen Raum direkt in der Nähe aufzutun, den eine freundliche Frau aus der Nachbarschaft mir angeboten hat.“ Dort will sie einen Verein für den Kiez auf die Beine stellen, der offen für Musik und Kunst ist. „Im Café Niesen war alles durchmischt, so soll es wieder sein“, so Wick. „Man soll auch reinkommen können, wenn man kein Bild anschauen will – es soll ein Kieztreff sein, wo Nachbarn miteinander reden. Vielleicht gibt es eine Kaffeemaschine, ein bisschen Bier und Wasser – mehr braucht man nicht.“

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