Berlin-Lichtenberg: Verbotsschilder für den Rummelsburger See
Baden mit Belastung: Der Rummelsburger See ist sehr beliebt - aber auch verseucht. Manche Angler nehmen es mit Humor. So manchen Anwohner macht es traurig. Eine Sanierung rückt in weite Ferne.
Anton und Jacques angeln schon seit vielen Jahren in der Rummelsburger Bucht und sie essen den Fisch auch. „Wenn er vergiftet wäre, wären wir schon tot“, sagt einer von ihnen, der andere lacht. Lichtenbergs Bezirksbürgermeister Michael Grunst (Die Linke) isst den Fisch nicht und würde auch nicht im See baden. Er fordert eine Sanierung des Sees – von der Stadt finanziert. Lokalpolitiker plädieren dafür, bis dahin Warnschilder aufzustellen. Denn wie berichtet, gilt der beliebte See als vergiftet.
Die in Lichtenberg regierende Linke möchte vor den Gefahren des Badens und des Angelns warnen. So auch die Grünen. „Auch wenn dadurch unangenehme Fragen entstehen können, so viel Transparenz muss sein“, sagt Grünen- Fraktionschef Sebastian Füllgraf. Der Fraktionsvorsitzende der Linken, Norman Wolf fordert Warnungen mittels Piktogrammen, „die jeder verstehen kann“. Auch der Vorsitzende der Lichtenberger SPD, Kevin Hönicke, signalisiert die Zustimmung seiner Partei zu Verbotsschildern.
„Und Bier auch: vergiftet“
Anton und Jacques würden sich nicht von Schildern vom Angeln abhalten lassen. Ihre richtigen Namen möchten sie nicht nennen. Es gäbe auch Krabben im See, erzählen sie. Und das sei ein Zeichen dafür, dass „alles okay“ sei mit dem See. Und der Fisch aus dem Supermarkt, der sei ja auch vergiftet. „Nordsee, Ostsee, alles vergiftet.“ Die beiden lachen und stoßen mit ihren Bieren an. „Und Bier auch: vergiftet“, fügt Anton hinzu.
Der Angelverband Berlin gibt den beiden Recht: „Der Fisch ist genießbar“, heißt es von dort. Er sei lediglich in so geringem Maße vergiftet, dass es für die Mengen, die ein Mensch konsumiere, nicht zum Tragen käme. „Ich habe noch keinen Angler am Rummelsburger See gesehen, der nachts leuchtet“, witzelt ein Verantwortlicher des Verbands durchs Telefon.
Zuletzt hatte das Wasserstraßenamt vor dem „dauerhaften Aufenthalt auf dem Wasser“ gewarnt. Dies bringe „ein erhebliches gesundheitliches Risiko“ mit sich. Aufgrund dieser Nachricht vermeldet die Senatsverwaltung für Umwelt nun, der „temporäre Aufenthalt auf dem Wasser“ sei unbedenklich. Der See sei nicht vergiftet, sondern nur sein Grund. Das „Freiwasser“ sei nicht belastet. Jedoch könnte das „Seewasser“ potentiell belastet sein, wenn der Seeboden durch Bauarbeiten oder Schifffahrt aufgewirbelt würde. In der Mitteilung heißt es jedoch auch, dass „eine abschließende ökologische Bewertung“ kaum möglich sei, „da die Prozesse komplex und dynamisch sind“. Das Problem sei jedenfalls nicht neu, sagt das Amt. Politik und Justiz hätten sich in der Vergangenheit immer wieder damit befasst. Derzeit liefen „Versuchsfelder“ für eine Teilsanierung des „hochbelasteten nördlichen Teils“ des Sees. Nach der Auswertung dieser Untersuchungen stünden Entscheidungen an, auch andere Ufer einzubeziehen. In den zentralen Seebereichen seien nach aktuellem Stand keine Sanierungen geplant.
Voraussetzung für einen Segelkurs: Schwimmen
Ein „temporärer Aufenthalt“ ist also möglich – damit sind die Bootsverleihe und besonders die ansässige Segelschule gemeint. Dort sind die Meinungen gespalten: „Wir duschen uns ja nachher“, sagt eine Mutter, die ihre von oben bis unten nasse Tochter vom Segelunterricht abholt. Sie sei aber beunruhigt und habe der Tochter gesagt, nicht mehr als notwendig ins Wasser zu gehen. Ein Kind muss mindesten 15 Minuten frei schwimmen können – so steht es als Vorrausetzung auf der Website der Segelschule. In der Praxis sieht das so aus, dass die Kinder nicht nur ab und an ins Wasser fallen, sondern auch freiwillig reinspringen. Sie tragen Schwimmwesten und Badeklamotten.
Einige Lokalpolitiker von den Lichtenberger Grünen und von der SPD würden ihren Kindern den Kontakt mit dem Wasser untersagen, auch das Nassspritzen. Einige Eltern von Kindern der Segelschule stört das nicht. „Es gibt so vieles, das gesundheitsschädlich sein kann“, meint eine Mutter. Die Inhaberin der Segelschule meint, das Wasser sei vollkommen in Ordnung und das Schwimmen nicht gesundheitsgefährdend. Darüber würde man die Eltern auch „aufklären“.
„Hier an Land sind wir sicher“
Etwas weiter vom Wasser entfernt sieht man die Lage sowieso gelassen. „Hier an Land sind wir sicher“, scherzt ein Gast einer Bar am Rummlsburger Ufer. Auch im Restaurant „Hafenküche“, direkt am Ufer gelegen, sieht man keinen Grund, irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen. Allerdings würde man ja auch keinen Fisch aus dem See servieren. „Das würden wir nie tun“, sagt ein Kellner.
Um den See herum wird weiter fleißig gebaut. Auch Nadja ist vor vier Jahren mit ihrem Freund hierhergezogen, in eine sehr schöne Wohnung, wie sie sagt. „Naja, schade ist das alles jetzt schon, das muss ich zugegeben“, sagt die Anwohnerin, auf den Zustand des Sees angesprochen. „Da wohnt man schon am Wasser, kann aber nicht baden gehen.“ Früher seien sie öfter mal schwimmen gewesen. „Naja, aber es ist trotzdem schön hier“, sagt sie mit einem leicht traurigen Blick. „Wir werden schon nicht sterben.“ Dann lacht sie laut los.