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Unter Druck: Justizsenator Dirk Behrendt will Margarete Koppers zur Generalstaatsanwältin machen - jetzt werden ihm Verfahrensfehler vorgeworfen.
© Mike Wolff
Update Exklusiv

Berliner Generalstaatsanwaltschaft: Unterlegene Bewerberin klagt gegen Entscheidung für Koppers

Schwere Vorwürfe gegen Justizsenator Dirk Behrendt im Fall Koppers. Die Meinung der Berliner Politiker dazu ist gespalten.

Das Erwartete ist eingetreten: Gegen die Entscheidung des Berliner Senats, dass die amtierende Vize-Polizeipräsidentin Margarete Koppers Generalstaatsanwältin werden soll, wird am heutigen Freitag Klage eingelegt. Das teilte die unterlegene Bewerberin Susanne Hoffmann dem Tagesspiegel mit. Jetzt muss das Verwaltungsgericht entscheiden, ob Koppers zur neuen Chefin des größten Staatsanwaltschaft der Bundesrepublik ernannt werden kann.

Hoffmann, Abteilungsleiterin im Justizministerium Brandenburg, dort sogar zeitweilige stellvertretende Generalstaatsanwältin, erhebt mit ihrer Klage schwere Vorwürfe, die Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) treffen. Der Senator ist wegen seines Vorgehens ohnehin angeschlagen. Sollte Hoffmanns Klage Erfolg haben, stünde er - aus Sicht der Opposition - selbst in Frage. Denn Hoffmann beklagt schwere Verfahrensfehler. Was bei strittigen Personalentscheidungen im öffentlichen Dienst trockenes Verwaltungsrecht ist, wird in diesem Fall zum Politikum.

Die Aktenlage ist eindeutig - und liest sich wie ein Krimi

Die Aktenlage ist aus Sicht von Koppers Konkurrentin jedenfalls eindeutig - und liest sich wie ein Krimi, wie ein gescheiterter Versuch von Behrendt und seinen Untergebenen, bei der Besetzung des Chefermittlers "House of Cards" zu spielen, aber an den Spielchen der Macht wie in der US-Serie zu scheitern. Bleiben wir beim - nur scheinbar - drögen Verwaltungsrecht. Im öffentlichen Dienst, bei Beamten, gilt das im Grundgesetz verankerte Gebot der Bestenauslese, entscheiden solle Eignung, Befähigung, fachliche Leistung. Und derlei Verfahren müssen anhand nachvollziehbarer Regeln und Standards überprüfbar sein. Aus Sicht der Klägerin ist genau das nicht der Fall.

Folgen die Richter der Argumentation von Hoffmann und ihrer Anwälte, dürfte für Behrendt und Koppers am Ende nicht viel übrig bleiben. Und nicht nur wenn sich die Klage bis in die nächsten Instanzen zieht, egal ob sie erfolgreich ist, dürfte der Posten des Chefermittlers über Monate, Jahre unbesetzt sein. Angesichts der Probleme wie Terrorgefahr ein heikles Unterfangen - und das in der Bundeshauptstadt.

Was könnte also schief gelaufen sein? Ex-Justizsenator Thomas Heilmann, bis zum Spätherbst 2016 im Amt, ließ die Stelle am 13. November 2015 ausschreiben. Die Justizsenatsverwaltung entschied: Koppers und Hoffmann liegen im Rennen gleichauf. Heilmann rief eine Auswahlkommission ins Leben, besetzte sie mit Bundesrichtern, seiner Staatssekretärin, einer früheren Staatssekretärin im Bundesinnenministerium und dem Generalstaatsanwalt von Mecklenburg-Vorpommern. Die Kommission lud Koppers und Hoffmann mehrfach zu Auswahlgesprächen: August, September, Oktober. Jedes Mal war Koppers krank geschrieben. Dauerhaft, seit Juli 2016.

Auswahlkommission komplett ausgetauscht

Schließlich gab es doch noch ein Gespräch. Das war am 24. Januar 2017. Behrendt, der im Dezember 2017 Justizsenator wurde, aber tauschte die Kommission komplett aus. Unter seiner Staatssekretärin Martina Gerlach trafen sich der Chef der Lübecker Staatsanwaltschaft, ein Generalstaatsanwalt aus Baden-Württemberg, der Vize-Präsident des Berliner Kammergerichts, Andreas Diekmann, und der Leiterin der Abteilung 1 der Senatsinnenverwaltung, Petra Michaelis-Merzbach, die auch Landeswahlleiterin ist. Ein Problem könnte für Behrendt nun vor Gericht sein, dass Michaelis-Merzbach als oberste Personalchefin des Innenressorts auch für Koppers zuständig ist und damit befangen sein könnte.

Drei Tage nach den Auswahlgespräch, am 27. Januar, informierte Gerlach die Bewerberinnen: Beide seien geeignet, ein knappes Rennen sei es gewesen. In einem zwei Wochen nach dem Auswahlgespräch, am 13. Februar, erstellten Protokoll, hält die Kommission fest, dass Koppers in dem Gespräch mit einem geringen, aber dennoch deutlichen Vorsprung besser war. Wie deutlich kann ein geringer Vorsprung aber sein?

Erst eineinhalb Monate nach den Gesprächen wurde ein Auswahlvermerk erstellt, nach geltender Rechtssprechung möglicherweise zu spät. In dem Vermerk heißt es über Koppers' Dauererkrankung: Es seien keine nennenswerten Erkrankungszeiten festzustellen, sie habe sehr schnell wieder ihrer komplette Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt. Keine Bedenken zu Koppers gesundheitlicher Eignung also. Dabei soll Koppers erst wenige Tage vor dem Auswahlgespräch wieder gesund geschrieben worden sein.

Jedenfalls befand die Kommission,  Hoffmann sei fachlich besser, Koppers aber bei anderen Kompetenzen: Persönlichkeit, Soziales, Führung. Sie sei orientiert an den Mitarbeitern, Partizipation, aber auch zu sehr auf die Führungsebene ausgerichtet. Die Krux: Warum Hoffmanns bessere Fachkenntnis als Staatsanwältin geringer wiegt, müsste klar begründet werden. Doch in den Akten findet sich dazu nichts.

Der Gesamtstaatsanwaltsrat, eine Art Personalvertretung der Anklagebehörde, zeigte sich dann Mitte April entsetzt über die Vorgänge: über den Austausch der Auswahlkommission, über die Einschätzung, dass Koppers wieder voll leistungsfähig sei. Über Widersprüche in der Bewertung. Weil Koppers offenbar im Auswahlgespräch wenig Belastbares zum Verhältnis von Staatsanwaltschaft und Polizei sagen konnte - auch wegen fehlender Erfahrungen in einer Anklagebehörde. Und weil Koppers fehlende Erfahrung in einer Staatsanwaltschaft für die Auswahlkommisssion offenbar keine Rolle spielten.

Kein Disziplinarverfahren trotz Strafermittlungen

Bleiben noch die Ermittlungen gegen Koppers in der Schießstandaffäre. Sie wird als Beschuldigte geführt wegen des Verdachts auf gefährliche Körperverletzung durch Unterlassen im Amt. Jedem anderen einfachen Polizeibeamten blieben bei Strafermittlungen Beförderungen verwehrt.

Im Auswahlvermerk vom März spielte all das noch keine Rolle. Für Koppers ließ Justizsenator Behrendt nachträglich, erst Mitte Juni, bei der Staatsanwaltschaft und bei Polizeipräsident Klaus Kandt nachfragen. Die Staatsanwaltschaft teilte Behrendt dann Ende Juni mit, es läge ein ausreichender Verdacht dafür vor, dass Koppers von den katastrophalen Zuständen in den Schießanlagen wusste. Und Kandt erklärte dem Justizsenator: Gegen Koppers läuft kein Disziplinarverfahren. Jeder einfache Beamte dürfte sich dabei die Augen reiben. Denn bei Strafermittlungen müssen in der Regel automatisch Disziplinarverstöße geprüft werden, jeder Aufstieg ist dann blockiert.

Jedenfalls hätte bei der Auswahl der Umstand, dass Koppers gegenüber Staatsanwälten, die gegen sie ermitteln, Weisungen erteilen kann, näher erläutert werden müssen - findet Hoffmann. Behrendt jedoch stellte Anfang Juli fest, dass all das Koppers Eignung für den Posten des Chefanklägers nicht in Frage stelle, vielmehr das öffentliche Interesse an der baldigen Besetzung des Postens schwerer wiege. Von Bestenauslese keine Spur? Fraglich ist auch, ob Behrendt dem Senat bei seinem Personalvorschlag Mitte Juli auch die Auskunft der Staatsanwaltschaft ausdrücklich vorgelegt hat. Dem Gesamtstaatsanwaltsrat und der Frauenvertreterin der Justiz wurden die Auskünfte jedenfalls nicht vorgelegt.

Angreifbar ist die Entscheidung für Koppers in mehrerer Hinsicht

Angreifbar ist die Entscheidung für Koppers also in mehrerer Hinsicht. Das fängt beim Beamtenzeugnis für Koppers - Note 1 in allen Belangen - an und hört damit auf, dass der Vergleichsmaßstab fehlt, um die im Grundgesetz vorgeschriebene Bestenauslese bei Beamten vorzunehmen. Zudem hat Behrendt aus Hoffmanns Sicht den Austausch der Auswahlkommission nicht ausreichend begründet, der Verdacht einer bestellten Auswahl steht für Koppers' Konkurrentin im Raum.

Obendrein könnte Polizeipräsident Kandt ein schwerer Fehler unterlaufen sein, als er für Koppers ein Zeugnis für die Bewerbung schrieb. Behördenchef wurde er im Dezember 2012, beurteilt hat er Koppers aber bereits für die Zeit ab September 2012 - ohne offizielle Hilfe anderer Polizeiführer. Schließlich wird das Verwaltungsgericht entscheiden müssen, ob die Auswahlkommission ihre Entscheidung, die Abwägung deutlich genug dokumentiert hat. Fraglich ist auch, ob das Gespräch überhaupt ausreichend durchorganisiert war. Es ist kein klassisches Bewerbungsgespräch, sondern muss bei Beamten klaren, für die Bewerber gleichen Strukturen folgen, etwa bei der Dauer und der Dokumentation.

Koppers absolvierte alles in weniger als 45 Minuten, bei Hoffmann war es mehr als eine Stunde. Und was wäre gewesen, hätte die Gesamtfrauenvertreterin der Berliner Justiz an den Gesprächen teilgenommen? Die wollte sogar per Klage die jüngste Entscheidung des Senats verhindern, scheiterte aber. Nun ist Hoffmann an der Reihe.

Die Konkurrentenklage Hoffmanns komme nicht überraschend, sagte die Grünen-Rechtspolitikerin Canan Bayram. Sie könne aber deren juristischen Argumente gegen das Auswahlverfahren, soweit sie öffentlich bekannt seien, nicht nachvollziehen. Sie sei zuversichtlich, so Bayram, dass die Gerichte zugunsten Koppers entscheiden werden.

Der Linken-Rechtsexperte Sebastian Schlüsselburg lobte Koppers als „qualifizierte Richterin mit langjähriger Leitungserfahrung“. Beides sei für die Generalstaatsanwaltschaft sehr wichtig. Die Neubesetzung der Auswahlkommission durch Senator Behrendt ist für Schlüsselburg nach einem Regierungswechsel „ein ganz normaler Vorgang“.

Fall Koppers ist zum Fall Behrendt geworden

Skeptischer äußerte sich der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Sven Kohlmeier. „Meine Erwartungshaltung ist, dass Justizsenator Behrendt diese wichtige Stelle schnellstmöglich und juristisch einwandfrei besetzt“, sagte er. Gerade bei so einer Stelle dürfe nicht der geringste Zweifel bestehen, „dass gemauschelt wurde“. Ansonsten sollte Behrendt eine Neuausschreibung starten. „Wir haben das Interesse, dass das Amt nicht beschädigt wird“.

Senatssprecherin Claudia Sünder sagte zur Klage Hoffmanns nur: „Wir kommentieren das nicht“. Nach Einschätzung des CDU-Fraktionsgeschäftsführers Sven Rissmann ist „der Fall Koppers nun zum Fall Behrendt geworden“. Der Senator werde sich trotz Sommerpause dem Parlament und seiner politischen Verantwortung nicht entziehen können. FDP-Rechtspolitiker Marcel Luthe forderte ein Neustart des Ausschreibungsverfahrens. Die daraus resultierende Lähmung der Generalstaatsanwaltschaft müsse Behrendt verantworten. Auch die AfD plädiert für eine Neuausschreibung.

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