Landesarmutskonferenz in Berlin: Unterkünfte für Obdachlose gesucht
Die Sozialsenatorin lehnt Container für Obdachlose ab. Stephan Von Dassel will die Betroffenen in die Pflicht nehmen.
Man darf dort keinen Alkohol trinken. Man darf keine Hunde mitnehmen. Man könnte bestohlen werden. Es gibt viele Gründe dafür, dass Obdachlose Notunterkünfte meiden. Auch deshalb will Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke), dass U-Bahnhöfe auch in diesem Winter für Obdachlose geöffnet bleiben. Nächste Woche ist dazu ein Spitzentreffen von Breitenbach mit der BVG-Chefin Sigrid Nikutta geplant.
Aber eine optimale Lösung sieht für Breitenbach anders aus. Bei der Landesarmutskonferenz am Dienstag in der Heilig-Kreuz-Kirche in Kreuzberg erzählte sie, wie sie sich das vorstellt: „Obdachlose, unabhängig von ihrer Herkunft, sollten in Unterkünften untergebracht werden, die festgeschriebene Standards haben.“ Geschätzt 30.000 Menschen ohne Bleibe leben derzeit in Berlin. Viele von ihnen, sagte Breitenbach, seien Opfer von Arbeitsausbeutung.
Und viele Betroffene wollen unter einem Dach schlafen, finden aber keine Unterkunft. Ein Problem, sagt Breitenbach, „das wir nur lösen können, wenn alle zusammenarbeiten, Senat, Bezirke, Menschen, die täglich mit Obdachlosen arbeiten“. Nach dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) müssen Betroffene zumindest kurzfristig untergebracht werden. Wenn sie es wollen.
Container, in denen bisher Flüchtlinge gewohnt haben, sind für die Senatorin keine Lösung. Es gebe Bezirke, die Obdachlose in solche Container einquartierten, „aber das bringt Berlin nicht weiter“. Dabei mangelt es nicht am Geld. Doch die acht Millionen Euro, die in diesem Jahr zur Vermeidung von Obdachlosigkeit bereitstehen, können gar nicht komplett ausgegeben werden. „Den Trägern fehlt Personal.“ Nächstes Problem: „Wir finden nicht genügend Wohnungen."
Stephan von Dassel (Grüne) hat ein etwas anderen Blick auf viele Obdachlose. Der Bezirksbürgermeister von Mitte ist natürlich dafür, ihnen zu helfen, aber er sagt auch, dass „viele von ihnen schon in ihrer Heimat gescheitert sind“. Zu Hause hätten sie sehr wohl eine Wohnung. Aber sie hätten auch Schulden oder wollten einer Haftstrafe entgehen. „Deshalb fliehen sie in die Nische Berlin.“
Und Opfer von Arbeitsausbeutung? „Das ist nur eine Minderheit.“ Viele andere würden sich nicht um eine Arbeitsstelle kümmern, damit aber entfiele für EU-Bürger auch das Recht auf Freizügigkeit. Und weil sie dies befürchteten, wollten viele Obdachlose Behördenhilfe nicht annehmen. „Sonst gerieten sie ins behördliche System.“ Doch wenn sich jemand auf Dauerarbeitslosigkeit einstelle, „müssten die Behörden die Freizügigkeit entziehen. Andere Bundesländer machen das, Berlin macht es nicht.“
Gemeinsam das Problem angehen
Von Dassel wird auch in seiner eigenen Partei kritisiert, weil er zum Beispiel die wilden Zeltlager im Tiergarten auflösen ließ. Der Bezirksbürgermeister betrachtet das schlicht als Pflichterfüllung. „Da gilt es, die Ordnung im öffentlichen Raum zu sichern. Wir können keine Zeltstädte in Grünanlagen zulassen.“ Er ist überzeugt, „dass die Wiedereingliederung dieser Menschen besser in ihren jeweiligen Heimatländern gelingt als in Berlin“. Und „selbstverständlich müssen wir diese Menschen unterbringen, aber ihnen auch Dinge abfordern. Irgendwann müssen sie erkennen, dass sie ihr Leben ändern müssen.“
Elke Breitenbach ist für eine Einzelprüfung bei den Betroffenen, es müsse untersucht werden, ob jemand Anspruch auf eine Leistung habe oder nicht. „Aber diese umfassende Einzelfallprüfung gibt es derzeit nicht in Berlin.“ Immerhin: Jetzt endlich arbeite man in Berlin zusammen, um das Problem angehen zu können. Im Oktober findet die zweite Strategiekonferenz zur Obdachlosigkeit statt. „Darauf“, sagte sie, „freue ich mich schon.“
Frank Bachner