Kampf gegen Dealer: Unterirdische Geschäfte: Wo in Berlin mit Drogen gehandelt wird
Nicht nur am Görlitzer Park ärgern sich viele über die Dealer, die Kunden, den Drogen-Dreck. Es gibt noch mehr Orte in der Stadt - von der Hasenheide über die Revaler Straße bis hin zur U-Bahnlinie U7.
Die Geschichte des Görlitzer Parks kennt jeder, vom Dealer bis hin zum Polizisten. Der Frust ist groß, viele Anwohner sind verärgert. Verzweifelt sind auch viele Anwohner rund um den Stuttgarter Platz in Charlottenburg, den wir jetzt wieder besucht haben. Denn auch dort sind seit Jahren Dealer und Junkies unterwegs, nicht nur im Grünstreifen, sondern auch in Hausfluren. Den Tagesspiegel-Bericht unseres Reporters, der nicht nur mit Anwohner sprach, lesen Sie unter diesem Link. Doch es gibt noch so viel mehr Orte, an denen gedealt wird, an denen Partyveranstalter durchgreifen, an denen Anwohner aufgeben.
Ab in die Hasenheide - Ab ins Gebüsch
Früher Morgen in der Hasenheide, knapp über null Grad. Eine junge Frau grüßt auf einer Wiese den Tag mit Tai-Chi-Übungen, ein junger Mann übt Hip-Hop-Choreografien ein. Einige Meter weiter steigen zwei Männer aus einem kahlen Gebüsch, einer der beiden steckt sich 20 Euro in die Geldbörse. „Hey man“, grüßt er, „need something?“
Die Hasenheide ist nur 2,5 Kilometer vom Görlitzer Park entfernt. Gelingt es der Polizei, die Dealer dort zu vertreiben, könnten sie hier wieder auftauchen. 2008 in der Hasenheide: eine Messerstecherei. Kurz danach: 20 Dealer gehen mit Schlagstöcken auf zwei Männer los. „Revierstreitigkeiten“, nannte das die Polizei. Die Beamten kamen öfter, Anwohner malten mit Kreide „Benimmregeln“ für die Dealer auf den Asphalt. Die Zahl der Dealer und der Gewalttaten nahm ab. Der Drogenhandel fällt noch auf, artet aber nicht aus, so wie zuletzt rund um den Görlitzer Park – im Moment.
Revaler Straße: Auf der Partymeile
Sie verstecken ihre Graspäckchen in Bauzäunen, unter parkenden Autos oder hinter den zentimeterdicken Plakatschichten an den Wänden. Sie tragen Hoodie, Lederjacke, Turnschuhe und Cap. Die meisten stammen aus Afrika. Man erkennt sie gut. Sie nennen sich Revalen.
Dort, wo sich Warschauer und Revaler Straße kreuzen und jeden Abend Tausende zur nächsten Party strömen, warten die Dealer schon auf ihre Kunden. Alle fünf bis zehn Meter steht einer von ihnen . „What’s up? You need some?“, fragen sie. Viele Kunden bleiben stehen.
„Am Wochenende stehen schon mal mehr als 50 Dealer vor der Tür“, sagt Ufuk, Verkäufer in einem nahen Getränkekiosk. Er verkauft die legalen Drogen: Bier, Schnaps und Zigaretten. „24 Stunden ist hier Dealer-Betrieb.“ Vom benachbarten RAW-Gelände selbst wurden die Drogenhändler vertrieben. Die Eigentümer haben sich zusammengeschlossen und einen Sicherheitsdienst engagiert.
Die Polizei kann allzu oft nichts ausrichten. Die Dealer warnen sich gegenseitig. Cem, Geschäftsführer vom Burgerium, sagt: „Wenn ein Dealer Alarm schlägt, strömen alle hier rein und bestellen Burger. Die Drogen tragen sie ja nie am Körper und die Hintermänner, die Nachschub besorgen, sind kaum zu fassen.“ Ufuk hat die Revaler Straße schon aufgegeben. Er zieht jetzt nach Salzgitter.
Die U-Bahnlinie U7: Schnell hin, schnell weg
Die U 7 ist Berlins längste U-Bahn-Linie, und sie ist zum Schauplatz des Drogenhandels geworden, ob am Bahnhof Hermannplatz oder weiter im Westen, am Jakob-Kaiser-Platz. Das aber ist für Unbeteiligte kaum zu erkennen. Kunden rufen direkt auf dem Handy des Verkäufers an, ein Treffpunkt in der Nähe wird ausgemacht. Nach der Transaktion steht der Dealer wieder am Gleis, Bahnen fahren vorbei. Es dauert nicht lange, bis sich der nächste Abnehmer meldet.
Der öffentliche Nahverkehr ist unübersichtlich, Dealer können sich schnell fortbewegen – so kommt es, dass sich „gute Tatgelegenheiten“ ergeben, wie es bei der Polizei heißt. In den Gebieten rund um die betroffenen U-Bahnhöfe häufen sich Rauschgiftdelikte. Die U 7 hat die U 8 als größten Umschlagplatz abgelöst. Vor gut zehn Jahren hatten Eltern von Schülern der Kreuzberger Hermann-Hesse-Schule die Polizei in einem offenen Brief um Hilfe gebeten: Die Dealer an der Schönleinstraße, einer Station der U 8, belästigten Schüler, einige Stationen weiter seien Schülerinnen regelmäßig festgehalten und belästigt worden. Die BVG erhöhte den Wachschutz damals an den Stationen Kottbusser Tor, Schönleinstraße, Hermannplatz, Boddin- und Leinestraße.
Die Drogen-Linie: 2008 sind wir mit dem damaligen Polizeipräsidenten Glietsch U-Bahn gefahren. Lesen Sie die Reportage unter diesem Tagesspiegel-Link.
Kurierdienst mit Öffnungszeiten
Die Ware: Kokain, Amphetamine, Speed, Ecstasy. Das Transportmittel: das „Koks-Taxi“. Die Kunden: alle, die die Handynummer kennen. Genau genommen ist das Koks-Taxi gar kein Taxi, es ist ein Bringdienst mit Telefonnummer – und Öffnungszeiten.
Am Mittag beginnen die Drogenkuriere ihre Arbeit, vorher lohnt es nicht. Bis drei, vier Uhr nachts fahren sie durch die Stadt, am Wochenende so lange, bis es hell wird. Das Klientel: Musiker, Politiker, Prostituierte, Manager, Zahnärzte, Start-up-Chefs – Spaßkokser und Süchtige. Die Dealer: jung, geschäftstüchtig und vorsichtig. Die Fahrten sind geradezu unspektakulär, Kurierfahreralltag eben. Manche wickeln ihr Geschäft durchs Autofenster ab, andere fahren gemeinsam mit dem Kunden 50 Meter um den Block, es dauert nie länger als zwei Minuten. Es gibt keine Statistik, wie viele Koks-Taxis in Berlin unterwegs sind. Ein Kurier aus Mitte schätzt ihre Zahl auf 50 bis 100. Man muss sich den Job einsam vorstellen. Aber er ist lukrativ.