Berliner Gasversorgung: „Unser Grunewald-Speicher ist voll“
Trotz der Klage nach der Vergabe der Gasnetz-Konzession schließt der Gasag-Chef ein Kooperationsmodell mit dem Land nicht aus. Ein Interview mit Stefan Grützmacher über Versorgungsengpässe, sinkende Preise, das Grips-Theater und Olympische Spiele.
Herr Grützmacher, die Gasag unterlag dem landeseigenen Unternehmen Berlin Energie. Empfinden Sie das Vergabeverfahren für die Gasnetzkonzession als fair?
Das ist keine Frage der Fairness, sondern eine Frage der Rechtmäßigkeit. Das wird juristisch überprüft. Wir haben deshalb gut zwei Wochen nach Bekanntgabe des Ergebnisses unsere Klageschrift mit über 70 Seiten eingereicht. Wir sind der Meinung, es gibt gravierende Mängel bei der Vergabeentscheidung und in der Verfahrensführung. Und wir sind der Meinung, dass wir mit 170 Jahren Erfahrung der beste Gasnetzbetreiber für Berlin sind.
Das Landgericht ist weiter zuständig für die Klage der Gasag gegen die umstrittene Vergabe der Konzession. Das Land Berlin wollte die Klage ans Verwaltungsgericht überwiesen wissen. Ist das ein Teilerfolg?
Wir gehen davon aus, dass die Klage jetzt zügig verhandelt wird. Der Termin ist für den 9. Dezember angesetzt.
Hat das Land Berlin auf Zeit gespielt?
Das kann und möchte ich nicht bewerten.
Welche Punkte wollen Sie noch juristisch überprüft wissen?
Da wichtige Dokumente jetzt über das Internet frei zugänglich sind, können wir auf einem breiteren Fundament von Daten und Fakten argumentieren. Eine Rolle wird dabei sicherlich spielen, ob unser Wettbewerber Berlin Energie für eine Teilnahme an der Ausschreibung geeignet war und ob alle Angebote den Kriterien der Ausschreibung entsprechen.
Sie haben trotz der Klage eine spätere gütliche Einigung nicht prinzipiell ausgeschlossen. Wie kann diese aussehen?
Einigungen außerhalb von Gerichtssälen sind in unserem Rechtssystem gang und gäbe. Im laufenden Verfahren liegen alle Optionen und Angebote auf dem Tisch. Wir wollen das Gasnetz weiter betreiben, können uns aber auch vorstellen, dabei mit dem Land zu kooperieren. Diese Möglichkeit schließe ich weiterhin nicht aus.
Das Karenzjahr nach dem Auslaufen der Konzession endet am 31. Dezember. Wie geht es dann weiter?
Wir gehen davon aus, dass die Gasag auch ab 1. Januar 2015 das Gasnetz betreibt. Aber rechtlich muss geklärt sein, auf welcher Grundlage das geschieht. Sonst wären wir im vertragslosen Zustand. Wir sind derzeit in Gesprächen mit dem Land, um eine Interimsvereinbarung abzuschließen.
Zahlen Sie dann noch Konzessionsabgabe?
Wir betreiben zunächst weiterhin das Gasnetz und würden im Gegenzug, wie sich das gehört, die Konzessionsabgabe auch weiter zahlen. Das sind rund sieben Millionen Euro im Jahr.
Werden Sie die Investitionen senken?
Nein, ganz im Gegenteil. Wir wollen 2015 fast 50 Millionen in das Berliner Gasnetz investieren. In diesem Jahr werden es 40 Millionen sein. Zu einer erfolgreichen Energiewende gehört auch exzellente Infrastruktur, in die wir gerne weiter investieren – solange man uns lässt.
Die Hälfte des Geschäfts macht die Gasag mit den Netzen. Wie wäre die Zukunft des Unternehmens ohne Netz?
Wir betreiben nicht nur in Berlin das Netz, sondern auch ein 7000 Kilometer langes Gasnetz in Brandenburg. Wir haben ja die Strategie, der Energiemanager für Berlin und Brandenburg zu sein. Wir wollen die Energiewende in die Region bringen. Und das Betreiben des Netzes gibt uns zu großen Teilen die wirtschaftliche Basis, um die Energiewende auch refinanzieren zu können.
Wie sieht das praktisch aus?
Dazu gehört, vom Gasversorger zum Energieversorger und dann zum Energiemanager zu werden. Die reine Lieferung von Gas ist zwar ein gutes Geschäftsmodell, aber die Kunden kaufen ja nicht Gas, nur um Gas zu haben. Sie heizen oder brauchen Strom für die Waschmaschine. Für individuelle Kundenbedürfnisse wollen wir intelligente Lösungen anbieten. Wir arbeiten mit Projektentwicklern und Akteuren der öffentlichen Hand zusammen und steigen zum Zeitpunkt der Planung mit ein. Wie sieht eine Quartierssanierung aus, wo kann die Gasag energetische Lösungen anbieten, umsetzen und die Systeme langfristig betreiben.
Die Gasag ist Ende 2013 in den Ökostromvertrieb eingestiegen. Wie wird das Angebot angenommen?
Wir werden Ende des Jahres rund 15 000 Kunden haben und sind damit voll im Plan. Wir haben mittelfristig eine Zielzahl von 50 000 Kunden. Wir starteten mit Strom für Privatkunden, seit Frühjahr bieten wir Strom für Gewerbekunden und seit Sommer auch für Industriekunden an. Wir liefern zum Beispiel dem Deutschen Roten Kreuz und den Stadtgütern Ökostrom. Der Strompreis wird 2015 nicht erhöht.
Die Heizölkunden dürften zu Beginn des Winters relativ preiswert ihren Tank füllen. Was erwartet die Heizgaskunden?
Die Gasag wird über den Jahreswechsel den Preis konstant halten und ihn nicht erhöhen. Wegen der politischen Krisen sehen wir zwar eine gewisse Verunsicherung in der Öffentlichkeit, aber weniger auf dem Markt. Deutschland ist komplett versorgt, die Speicher sind alle voll.
Viele Gaslieferverträge sind an den Ölpreis gekoppelt, und Öl wird immer billiger. Warum senkt die Gasag nicht die Preise? Die letzte Senkung war 2013.
Unsere Lieferverträge sind schon seit über zwei Jahren nicht mehr an den am Ölpreis gekoppelt, und das ist auch gut so, denn Gas ist immer noch deutlich günstiger als Öl. Die Preise sind seit einiger Zeit konstant, aber auch nicht gefallen. Und daran orientieren wir uns.
Wie sieht angesichts der Krisen wie in der Ukraine und des Frackings die Situation auf den Beschaffungsmärkten aus?
Gas ist im Vergleich zu Öl auf dem Weltmarkt günstiger geworden. Die USA wird in etwa zwei Jahren mit dem Gasexport beginnen. Trotz der Ukraine-Krise sind die Gaspreise konstant geblieben. Es gibt viel Gas auf dem Markt.
Ist der Speicher unter dem Grunewald gut gefüllt, und würde er die Gasag über den Winter bringen, sollte morgen kein Gas mehr geliefert werden?
Unser Speicher ist fast zu 100 Prozent voll. Er würde vor allem bei sehr kalten Temperaturen wohl keine ganze Heizperiode halten, aber zum Glück sind die Speicher in Deutschland insgesamt gut gefüllt. Laut Prognosen dürften wir damit über einen Winter kommen.
Woher bezieht die Gasag ihr Gas?
Wir kaufen Gas in Deutschland über Lieferanten und über große Energieversorger wie Eon, VNG oder Wingas. Ich denke, dass physikalisch ein Großteil des Gases aufgrund der geografischen Lage von Berlin aus Russland kommt.
Die Gasag betreibt auch Sponsoring. Unterstützen Sie weiterhin die Eisbären im Eishockey? Die haben ja in letzter Zeit etwas geschwächelt.
Wir unterstützen die Eisbären jetzt gut 20 Jahre, in guten und in schlechten Zeiten. Das wird auch so bleiben. Schade, dass sie nicht in die Play-offs gekommen sind. Und Projekte im Kulturbereich wie das Grips-Theater oder die Berlinische Galerie werden wir weiter unterstützen.
Sie haben viele Jahre in Kiel gelebt. Würden Sie lieber Hamburg oder Berlin als Bewerberstadt für Olympische und Paralympische Spiele sehen?
Mein Herz schlägt natürlich für Berlin. Das ist keine Frage.
Würde sich die Gasag als Unternehmen auch aktiv in eine Bewerbung einbringen?
Sollte Berlin sich bewerben, halte ich es für selbstverständlich, dass sich auch die Wirtschaft daran beteiligt. So ein Mega-Event käme Berlin sehr zugute, auch wenn Olympia sicher eine Herausforderung wäre. Aber eine Stadt, die nichts mehr vorhat, stagniert.
Das Gespräch führte Sabine Beikler.