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Getrennte Wege. Der Wowereit-Vertraute André Schmitz musste wegen eines Steuervergehens seinen Posten als Kulturstaatssekretär räumen.
© dpa

Nach Gutachten zum Fall Schmitz: Unmut in der CDU über Wowereit wächst

Nach dem Gutachten, das dem Regierenden Bürgermeister rechtswidriges Verhalten im Fall des früheren Kulturstaatssekretärs André Schmitz attestiert, wächst der Unmut über Wowereit – auch bei der CDU.

Der Unmut wächst, wohin er führt, ist nicht zu sehen. Klaus Wowereit hat im Umgang mit der Affäre Schmitz falsch entschieden – das hat ein Gutachten des „Wissenschaftlichen Parlamentsdienstes“ des Abgeordnetenhauses festgestellt. Doch weder Koalitionspartner CDU noch die Opposition erwarten, dass Wowereits schweigsame Behandlung der Steueraffäre direkte politische Folgen für den Regierenden hat.

Die Reaktionen werden allerdings schärfer. Heiko Melzer, der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, erklärte: „Die Bewertungen im heute bekannt gewordenen Rechtsgutachten des Wissenschaftlichen Parlamentsdienstes stellen eine neue Qualität dar. Herr Wowereit ist gut beraten, sich mit dem WPD-Gutachten sehr ernsthaft auseinanderzusetzen und die aufgeworfenen Fragen überzeugend zu beantworten. Besonders muss er den Vorwurf entkräften, mit zweierlei Maß gemessen zu haben.“

Keine Ermessensspielraum für den Regierenden

Wowereit hatte sein langes Schweigen in der Sache Schmitz mit seinem „Ermessensspielraum“ begründet. Tatsächlich heißt es im Gutachten des WPD, dass dem Dienstvorgesetzten „kein Ermessensspielraum“ zugestanden habe. Die Juristen des WPD sind in ihrem Urteil eindeutig. Dabei gehören größtmögliche Neutralität und ein alle Argumente sorgfältig wägendes Betrachten zu den Prinzipien des WPD. Das Abgeordnetenhaus beschreibt den Dienst und seine Aufgaben so: Der WPD habe „das Abgeordnetenhaus, seinen Präsidenten und seine Gremien in juristischer Hinsicht zu beraten und zu unterstützen“ – alle Abgeordneten wohlgemerkt, ob sie den Koalitionsfraktionen angehören oder der Opposition.

Wie es in der Angelegenheit Schmitz weitergeht, ist offen. CDU-Mann Melzer befindet: „Die Bringschuld der Transparenz liegt wie die juristische Dimension des Falles weiterhin in der Verantwortung des Regierenden Bürgermeisters.“ Benedikt Lux, sein Kollege von den Grünen, hatte das Gutachten in Auftrag gegeben und fühlt sich nun zugleich bestätigt und gefrustet. „Wowereit hat sich erneut über Recht und Gesetz gestellt und geltendes Beamtenrecht gebrochen“, sagt Lux. Politisch können er und die Grünen einstweilen nichts mehr unternehmen. Für die parlamentarische Missbilligung von Wowereits Verhalten fehlten den Grünen die Stimmen der CDU-Fraktion. Thematisieren könne man jetzt nur noch die Umgangsweise der Staatsanwaltschaft mit Schmitz’ Steuerhinterziehung. Die hätte nämlich als Behörde eine Mitteilung in Strafsachen an Wowereit als den Dienstvorgesetzten des Kultur-Staatssekretärs schicken müssen, was sie aber unterließ, weil Schmitz dies angeblich selbst machen wollte. Auch das war nicht korrekt, heißt es im WPD-Gutachten – für den politischen Umgang mit Wowereit und seinem eigenmächtigen Verfahren ist das aber eher nebensächlich.

SPD-Landeschef schweigt

In Anbetracht des wachsenden Unbehagens in der CDU über die Außenwirkung der Sache stellt sich die Frage nach der Stabilität der Koalition – in der SPD wie in der Union. SPD-Landeschef Jan Stöß wollte sich dazu nicht äußern. Thomas Heilmann, Justizsenator und stellvertretender Landesvorsitzender der Berliner CDU, will über einen Bruch der Koalition und Neuwahlen nicht spekulieren. „Die Berliner Verfassung will stabile Verhältnisse. Die Bürger wollen das auch – und wir sehen das ebenso.“

Jetzt erst recht!“ Das war am Sonnabend die Reaktion der Bürgerinitiative für Neuwahlen in Berlin. „Wir sehen uns durch das neue Gutachten ganz klar bestätigt“, sagte der Mitgründer der Inititaive, Martin Wittau. Wie berichtet will die Gruppe seit Anfang Februar mit einem Volksbegehren und Volksentscheid Wowereits Rücktritt, das Ende des rot-schwarzen Senats und Neuwahlen durchsetzen. Es geht ihr darum, „die weit verbreitete große Unzufriedenheit mit dem Senat und vor allem mit dem Regierenden“ zu kanalisieren. Den letzten Anstoß gab die Steueraffäre um André Schmitz. Die Initiative hatte Wowereit damals wegen seiner „Kungelei“ zum sofortigen Rücktritt aufgefordert.

2700 Unterschrifen gegen Wowereit

Die heiße Phase des Unterschriftensammelns hat gerade begonnen. „Rund 2700 Unterschriftenlisten haben Unterstützer bereits von unserer Website heruntergeladen“, sagt Wittau. Etwa 1000 Unterschriften seien in den Kampagnenräumen am Kottbusser Damm angekommen. Ab Montag werde man verstärkt auf der Straße sammeln. Für ein erfolgreiches Volksbegehren müssen bis Ende Juli 50 000 Berliner unterzeichnen.

Durch das neue Gutachten zur Causa Schmitz fühlen sich die Linken im Abgeordnetenhaus bestätigt. Man habe von Anfang an gesagt, Wowereit decke einen Verstoß gegen das Beamtenrecht, erklärte der Landesvorsitzende Klaus Lederer. Man gehe allerdings nicht davon aus, dass die SPD und der Senat daraus Konsequenzen zögen.

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