Ins Scheitern verliebt: Und wieder grüßt die Krise der Berliner CDU
Der Kampf Grütters gegen Wegner bestätigt: Die Berliner CDU gerät alle drei Jahre in eine selbstgemachte Krise – seit Diepgen. Eine Historie der Pleiten.
Die Krisen kommen ziemlich regelmäßig, spätestens alle drei Jahre. Es passt also zum Krisenzyklus der Berliner CDU, dass Monika Grütters im dritten Jahr nach ihrer Wahl zur Landesvorsitzenden einen heftigen Angriff ausgesetzt ist. Jetzt will es einer wissen, der schon so lange im Berliner Politikbetrieb dabei ist wie Grütters: Kai Wegner, Spandauer CDU-Kreischef, Bundestagsabgeordneter, Ex-Generalsekretär des Berliner Landesverbandes. Und einer, der mit Grütters noch eine Rechnung zu begleichen hat. Das ist immer ein gutes Motiv in der Berliner CDU.
Die Krisen kommen regelmäßig, seit die Berliner CDU von der Regierungs- zur Oppositionspartei geworden ist. Das war 2001, als die Langstrecken-Berlin-Partei so ziemlich in Trümmern lag, aus dem Rathaus gejagt in der Folge eines Skandals, den einer ihrer beiden wichtigsten Männer mitzuverantworten hatte. Genau: der Bankenskandal. Erinnert sich noch jemand? Der Regierende Bürgermeister war Eberhard Diepgen, der Fraktionschef Klaus Landowsky.
Die SPD wurde wieder Langstreckenregierungspartei
Zwei Namen, die gerade mal wieder zu lesen und zu hören waren, zwei Ratgeber im aktuellen Machtgefecht, zwei, auf die man hören könnte, weil sie wissen, wie man die Macht gewinnt, über viele Jahre behält – und dann verliert. Klaus Landowsky, Fraktionschef im Ehrenamt, von Beruf Bankvorstand, verwickelt in eine fragwürdige, hochproblematische Kreditpolitik seiner Bank, außerdem Empfänger einer relativ lächerlichen Parteispende: Er bekam damals alles ab. Die Bank, die mit dem Skandal in Schieflage geriet, hat später dann ein gewisser Finanzsenator Thilo Sarrazin geschickt und zum Segen des Landeshaushalts veräußert.
Mit dem Machtverlust der CDU wurde die SPD mal wieder zur Langstreckenregierungspartei in Berlin. Deren Krisen kommen weniger regelmäßig, dafür sind sie zehrender. Eigentlich, sollte man meinen, hätten Grütters, Fraktionschef Dregger, der Bundestagsabgeordnete Wegner und andere, die sich selbst für begabte Strategen halten, bloß geduldig bleiben müssen:
Grütters als schwebende Landesvorsitzende, liberal, angesehen, eine Frau von bundespolitischem Gewicht, von Kultur und Bildung, mögliche Spitzenkandidatin; Dregger, der Mann, der kantig werden kann, ohne gestrig oder kleinkariert zu wirken, der in der Opposition bohrt und fragt, dessen Angriffe auf wichtige SPD-Politiker wie den Innensenator Andreas Geisel zielen, möglicher Spitzenkandidat. Und Wegner mit seinem Spandauer Gewicht und einer vergleichsweise robusten politischen Basis, wahrscheinlich wieder im nächsten Bundestag.
Wegner hat eine Rechnung mit Grütters offen
Weitermachen wie in den vergangenen Jahren: werben um ein bürgerliches Berlin, das langsam, aber sicher wieder etwas ausdrucksstärker werden könnte in der Stadt; um Frauen, die sich von einer Monika Grütters angesprochen fühlen; um ein Publikum, das langsam, aber sicher die Geduld verliert mit diesem Senat, seinen nicht vorankommenden Projekten, seinem schwindsüchtigen Ansehen in der Öffentlichkeit.
Aber da ist diese Rechnung, die Wegner mit Grütters zu begleichen hat, diese Verletzung, die entstand, als Landeschefin Grütters den Kollegen in der Bundestagsfraktion aus dem Generalsekretärs-Amt bewegte, um ihren Vertrauten Stefan Evers zu installieren. Immer geht es darum, wer wem was zutraut – und wichtiger noch – wer mit wessen Hilfe wohin will.
Diepgen und Landowsky hatten die perfekte Arbeitsteilung, hielten das Machtgleichgewicht. Vertraut miteinander seit den Zeiten an der Freien Universität und in Opposition zu den 68ern, waren sie Mitte der 80er da angekommen, wo sie hinwollten. Und eine kurze politische Zwangspause, 1989/90 mit dem rot-grünen Kurzstrecken-Senat, erinnerte beide daran, wie schnell es geht, dass man sich verzockt und die Macht verliert.
Grütters ist die fünfte Landesvorsitzende nach Diepgen
Wen haben sie in der Berliner CDU nach dem Machtverlust durch den Bankenskandal alles gewonnen und verloren. Grütters ist die fünfte Landesvorsitzende nach Eberhard Diepgen, Dregger ist der sechste Fraktionschef nach Klaus Landowsky. Wichtiger als solche Verschleiß-Indikatoren ist, mit welcher Entschiedenheit sich bekannte und angesehene Leute von der CDU abwandten und entfernten – nach dem Vollkontakt mit der Macht.
Diepgens Nachfolger? Professor Christoph Stölzl, Historiker und immerhin der Gründungsdirektor des Deutschen Historischen Museums, gelegen Unter den Linden. Ein eloquenter Bildungsbürger – CDU-Landeschef bis 2003 – und dann nichts wie weg. Der Nachfolger Joachim Zeller empfahl sich nach zwei Amtsjahren nach Brüssel und Straßburg. Länger hielt sich in der Folge Ingo Schmitt. Polit-Gourmets im Berliner Betrieb haben ihn als eine typische West-Berliner Größe im Gedächtnis, der eine Reihe von Ämtern bekleidete.
Generalsekretär Ingo Schmitt beschimpfte eine SPD-Politikerin als "Politnutte"
Als Generalsekretär setzte Schmitt intellektuelle Maßstäbe, als er einen angesehenen SPD-Politiker als „Politnutte“ beschimpfte, weil der sich den Grünen als Koalitionspartner zuwandte. Das waren die Jahre, in denen die Berliner CDU oft mit dem Begriff Sumpf in Verbindung gebracht wurde.
Mit ähnlichen Erkenntnissen kann man die Liste der Fraktionschefs durchgehen. Da gab es mal einen Nicolas Zimmer, junges Talent, bürgerlicher Berliner Herkunft, drei Jahre lang Fraktionsvorsitzender, dem es an Neigung zur Intrige fehlte, 2003 bis 2006, dann nichts wie raus aus der Berliner Politik; heute leitet er die Technologie-Stiftung.
Friedbert Pflüger scheiterte an Wowereit und ein paar CDU-Intrigen
Es gab den aus dem Bundestag und dem Verteidigungsministerium importierten Friedbert Pflüger, der zum Spitzenkandidaten aufgebaut werden sollte. 2006 war das, Schmitt hatte ihn rekrutiert – aufgrund der korrekten Erkenntnis, dass mit dem einheimischen Personal, ihm selbst eingeschlossen, kein Wahlkampf zu gewinnen sein würde.
Friedbert Pflüger, parlamentarischer Staatssekretär, der Stadt West-Berlin verbunden noch aus den Jahren als Büroleiter von Richard von Weizsäcker, dem Bürgermeister-Helden der frühen Achtziger – dieser Pflüger scheiterte an Klaus Wowereit, an sich selbst und an ein paar kruden CDU-Intrigen. Heute ist er politischer Berater – die Berliner Episode findet sich nicht in seinem Lebenslauf auf dem Internet-Auftritt von „Pflüger International“: nichts wie weg.
Geblieben sind Diepgen und Landowsky. Sie raten ihren Polit-Nachfahren zur innerparteilichen Abrüstung. Sie wissen warum.
Werner van Bebber
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