Datenschutz und der Fall Mohamed: Umstrittene Fahndungsbilder befeuern politische Debatte
Das Video, das den mutmaßlichen Mörder von Mohamed und Elias überführte, verstieß gegen den Datenschutz. Jetzt diskutiert die Politik über die Folgen für die Aufklärung von Straftaten.
Sie lieferten den entscheidenden Hinweis zur Überführung von Silvio S. – und sind demnächst wohl auch Thema im Abgeordnetenhaus: Aufnahmen einer Sicherheitskamera an einem Lokal in der Bugenhagenstraße in Moabit. Die am 27. Oktober veröffentlichten Videosequenzen zeigten den Kindesentführer so deutlich, dass seine Mutter ihn erkannte und die Polizei informierte.
Da der Wirt des Lokales nicht nur den Eingang seines Ladens, sondern auch den Bürgersteig davor gefilmt hatte, verstieß er damit aber gegen das geltende Datenschutzgesetz. Denn jeder soll sich im öffentlichen Raum bewegen können, ohne dabei gefilmt und überwacht zu werden. „Ohne diese Aufnahmen wäre heute nichts geklärt“, sagte Martin Steltner, der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft.
Experten sind der Meinung, dass Silvio S. womöglich weitere Kinder getötet hätte, wenn er nicht gefasst worden wäre. Der Wirt habe in diesem Fall auch nicht mit etwaigen Konsequenzen, wie etwa einer Geldbuße, zu rechnen, wurde auf der Pressekonferenz am Freitag zu dem tragischen Fall der getöteten Kinder Elias und Mohamed klargestellt.
Gegen den Wirt gab es eine Beschwerde beim Datenschutzbeauftragten
Die Frage kam auf, da offenbar eine Privatperson eine Beschwerde gegen den Wirt eingelegt hat, wie der Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander Dix am Mittwoch mitgeteilt hatte. „Wir werden das prüfen“, sagte Dix. Es dürfe nach geltendem Recht nur dann gefilmt werden, wenn ein „berechtigtes Interesse“ an der Überwachung besteht, wenn öffentlich darauf hingewiesen wird und wenn die Daten regelmäßig – im Normalfall alle 24 Stunden – gelöscht werden.
Die Linke fordert: Datenschutz muss gewahrt bleiben
Hakan Tas, sicherheitspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, ist sich sicher, dass das Thema Datenschutz und Fahndung erneut im Innenausschuss diskutiert werden wird. Er sei aber „kein Freund der Totalüberwachung.“
Der Datenschutz müsse gewahrt bleiben. Allerdings müsste es in Einzelfällen stärkere Überwachungen geben. Etwa bei Ballungszentren, wie dem Landesamt für Gesundheit- und Soziales (Lageso) in Moabit oder bei Flüchtlingsunterkünften, müssten zumindest die Eingangsbereiche besser überwacht werden. Allerdings durch Wachpersonal und nicht durch Kameras.
Für die CDU ist das Video ein Beweis: Überwachung bringt etwas
Robbin Juhnke, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, sieht in dem aktuellen Fall einen „schlagenden Beweis, dass Videoüberwachung etwas bringt.“ Die Überwachung solle „maßvoll ausgeweitet“ werden, etwa an besonders gefährdeten Orten.
Die rechtlichen Bedingungen, um auf dem Gelände des Lageso filmen zu können, bestehen schon. Das erste veröffentlichte Video, das Silvio S. zeigte, wie er Mohamed an der Hand vom Gelände führte, stammte von einer der Sicherheitskameras dort. Doch die Qualität war viel schlechter.
"Es wäre es ein schlimmes Zeichen, wenn der Wirt jetzt eine Strafe zahlen müsste"
Tom Schreiber, Sprecher der SPD-Fraktion für Verfassungsschutz, würde eine Ausweitung der Kameraüberwachung an gewissen Orten ebenfalls befürworten: „Man sollte bei Flüchtlingsunterkünften, wo es vermehrt zu Brandanschlägen gekommen ist, eine Außenüberwachung durch Kameras prüfen“, sagte Schreiber, dessen Meinung allerdings nicht von der Mehrheit seiner Partei geteilt wird. Außerdem wäre es ein „schlimmes Zeichen“, wenn der Wirt, der das entscheidende Video anfertigte, jetzt eine Strafe zahlen müsste. Für Christopher Lauer, innenpolitischer Sprecher der Piraten (parteilos), ist der Verstoß gegen den Datenschutz nicht zu entschuldigen. „Der Zweck heiligt nicht die Mittel“, sagt er. „Eine Videoaufnahme wird niemals dazu führen, Straftaten zu verhindern.“