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Platz da! Folge 14: Umgeben von Buden und Brachland - der Ostbahnhof

Der Ostbahnhof ist ein schicker Solitär mit einem Umfeld aus Brachen und Trampelpfaden. Der Senat plant und zögert bei der Gestaltung, doch einige Bauherren schaffen vollendete Tatsachen.

Das Willkommen unterm hohen Vordach ist großzügig, suggeriert sogar etwas Weltstädtisches. Der Ostbahnhof, vormals Hauptbahnhof, ist ein würdiger Vertreter seiner Zunft, das Drumherum aber, das Davor und Dahinter, versinkt in ästhetischer Belanglosigkeit. Imbissbuden, Marktstände, eingezäunte Brachen, Trampelpfade. Und eine gefühlte Autobahn, die den Stralauer Platz, den Bahnhofsvorplatz, zum Straßenbegleitgrün degradiert. Die Devise für Reisende: schnell weg hier.

Der Ostbahnhof wurde in den neunziger Jahren in seinen heutigen Zustand versetzt, bis 2015 wird für rund 43 Millionen Euro das Dach der Bahnhofshalle saniert. Das Umfeld ist Sache des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg. Und gleichzeitig des Senats, denn der überlegt immer noch, dort einen zweiten Zentralen Omnibusbahnhof einzurichten. Erst, wenn dazu eine Entscheidung gefallen ist, werde es einen Wettbewerb zur Gestaltung des Umfelds geben, sagt Daniela Augenstein, Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) ist gegen einen ZOB und für ein „grünes Entree“ zum Bahnhof.

Grün ist der Platz bisher nur an den Rändern. Dominant sind dagegen Parkflächen für Busse und Autos. Direkt vor dem Bahnhof ragt ein mehrgeschossiges Parkhaus aus der Erde, das an der Straßenseite eine Barriere bildet, die den Vorplatz komplett abschirmt. „Die Einbindung des Parkdecks ist noch unklar“, sagt Schulz, und das ist sehr diplomatisch ausgedrückt. Das Parkhaus wird gerade aufwendig saniert, doch ein Bauschild sucht man vergeblich. Der Bauherr, die R+V-Versicherung, ist an allzu viel Öffentlichkeit nicht interessiert.

Auf Anfrage des Tagesspiegels heißt es, „aufgrund von Durchfeuchtungen des Betons“ hätten viele Parkplätze im Untergeschoss nicht mehr zur Verfügung gestanden. Deshalb werde eine neue Abdichtung eingebaut. Wie die oberirdische Parkfläche gestaltet werden soll, bleibt offen. Anfang August soll alles fertig sein.

Der Stralauer Platz war schon da, als es den Bahnhof noch gar nicht gab. Als es ihn dann gab, nach dem Bau der „Königlichen Ostbahn“ mit dazugehörigem „Frankfurter Bahnhof“, eröffnet 1846, wurde er Bahnhofsentree. Bis 1856 entstand an dem nordwestlichen Ende die Andreaskirche, die den Weltkriegsbomben zum Opfer fiel, wie das gesamte Bahnhofsviertel, und 1949 abgeräumt wurde. Nur der Industriebau zur Spreeseite, das denkmalgeschützte ehemalige Zentralmagazin der Gaswerke, überlebte das Bombeninferno. Das Haus wurde 2001 umfassend saniert und zum „Energieforum“ umgebaut. Heute sind hier viele Firmen aus dem Bereich erneuerbare Energien ansässig. Eigentümer ist ebenfalls die R+V-Versicherung. Nebenan ist das Haus der Andreasgemeinde wiederaufgebaut worden. Dort wird eine Obdachloseneinrichtung betrieben mit angeschlossenen Arztpraxen für Treber.

Die Adresse "Stralauer Platz" macht kaum noch Sinn.

Nachdem die Ruinen der Kirche und einer benachbarten Gewerbeschule abgetragen waren, wurden die Fahrbahnen verbreitert; dazwischen blieb nur ein schmaler Grünstreifen übrig, der mit dem wachsenden Verkehr weiter an Bedeutung verlor. Heute macht die Adresse „Stralauer Platz“ kaum noch Sinn.

„Die Adresse ist neutral, funktional“, sagt Felix Eisenhardt vom Energieforum. Mit städteplanerischen Konzepten habe man sich noch nicht ernsthaft auseinandergesetzt. Der Stralauer Platz habe keine urbane Ausstrahlung, daran sei wegen des starken Verkehrs auch nicht viel zu ändern. Was neue Ideen und Konzepte anbelangt, ist Eisenhardt eher skeptisch. „Seit Jahren ist ein Uferwanderweg im Gespräch. Da ist bis heute nichts passiert.“

Das Energieforum schottet sich weitgehend von der Straße ab und bietet einen ruhigen Innenhof und zur Spree hin eine Terrasse. Auch das benachbarte Gelände des Yaam-Clubs versteckt sich hinter einer Mauer. Drinnen eine umfriedete Oase mit angeschlossener Strandbar, draußen der tosende Transitverkehr. Zum Ostbahnhof gibt es allenfalls eine Blickbeziehung, in der der Stralauer Platz komplett übersehen wird, zumal sich eine hässliche Abwasserleitung als Dauerprovisorium seit Jahren hindurchwindet.

Der Yaam-Club ist einer von 15 bedrohten Clubs in Berlin:

Die Anrainer des Ostbahnhofs leiden still an der zerstörten und bis heute nicht wiederhergestellten Stadtstruktur. Bei einer Veranstaltung von „Berlin Partner“ vor anderthalb Jahren wurden die Perspektiven des Wirtschaftsraums Ostbahnhof diskutiert. Mit Kaufhof, Hellweg-Baumarkt und Metro sind schon einige Einzelhandelsgrößen vertreten, nur finden sie im Durcheinander der Brachen und provisorischen Nutzungen kaum zu einer produktiven Gemeinschaft zusammen.

Als Ergebnis des Treffens wurden vor allem Forderungen formuliert: Nötig seien ein „langfristiges Konzept für die Umfeldentwicklung“ und eine Profilierung, ein „Branding“. Doch was soll die Marke des Standort sein? Und für welche Klientel? Für Nachtschwärmer, Reisende oder Konsumenten? Die Bahn verkauft den Ostbahnhof – wie inzwischen üblich – als „Einkaufsbahnhof“.

In den Buden auf der Nordseite hat sich ein Bahnhofskiez entwickelt, mit Tagtrinkern, Bettlern und Schnäppchenkunden. Die Preise haben das Niveau von Nord-Neukölln, und viele Transferempfänger haben sich in diesem Milieu eingerichtet. Nur am Wochenende kommen ein paar Externe aus den besseren Gegenden der Stadt, um die Clubs zu frequentieren, die dauergeöffneten Supermärkte oder den bekannten Trödelmarkt. Dazu haben die Gewerbetreibenden Folgendes zu sagen: „Der Ostbahnhof fungiert als Imageträger, sowohl positiv als auch negativ. Insofern ist die Umfeldverbesserung ein wichtiges Thema.“

Letzte Folge am Donnerstag, 7. Juni. Dann geht es um den Nollendorfplatz.

NEU GESTALTEN

Jetzt haben Sie als Leser die Möglichkeit, sich einzumischen, mit den Planern, mit Bezirksstadträten und anderen Anwohnern über die Gestaltung Ihres Platzes zu diskutieren. Denn zu jeder Folge gibt es einen Ortstermin direkt am Platz.

Wir laden Sie ein, am Dienstag, 5. Juni, über das vorgelegte Konzept zu diskutieren. Mit dabei sein werden neben Franz Schulz, Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, auch Patrick Malter, Leiter Bahnhofsmanagement Berlin, der Mediaspree-Aktivist Carsten Joost, sowie Ortwin Rau, Chef des Yaam-Clubs und ein Vertreter des Energieforums.

Ort: Halle in der Strandbar Yaam, Stralauer Platz 35, direkt gegenüber des Bahnhofsvorplatzes.

Die Veranstaltung beginnt um 17 Uhr mit einem kurzen Beamervortrag der Planer, anschließend Diskussion über die Ideen und Anregungen. Ende: 18.30 Uhr. Der Eintritt ist frei.

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