Kalter Krieg in Karlshorst: Ukraine-Krise überschattet Zeremonie zum Kriegsende
Im Deutsch-Russischen Museum wird seit Jahren mit einem Toast ans Kriegsende erinnert – eigentlich. Doch die angespannte Weltlage überschattet das Ritual am 8. Mai. Ein Fest soll es trotzdem geben.
Das neueste Ausstellungsstück kommt gerade im richtigen Moment: der quadratische, ausziehbare Tisch aus dunkler Eiche, an dem am 2. Mai 1945 General Weidling, der deutsche Kampfkommandant von Berlin, und der sowjetische General Tschuikow im Hause Schulenburgring 2 in Tempelhof die Kapitulationsurkunde Berlins unterzeichneten. In dem Gebäude wurde übrigens im Dezember 1964 der heutige Regierende Bürgermeister Michael Müller geboren, der Tisch stand lange unbeachtet im Keller, war zuletzt im Besitz der katholischen Kirchgemeinde Herz-Jesu und wird jetzt gleich rechts vom Eingang im Deutsch-Russischen Museum Karlshorst präsentiert.
Dieses Haus an der Zwieseler Straße, bis zum Kriegsende Fest- und Speisesaal des Offizierskasinos der Pionierschule der Wehrmacht, ist und bleibt eine Ikone: Vor 70 Jahren, in der Nacht vom 8. auf den 9. Mai 1945, wurde die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht unterzeichnet.
Der Krieg war aus und „Gitleeer kaput“, wie die Rotarmisten sagten. Eine Woche zuvor hatte Panzergeneral Weidling einen Befehl unterschrieben, in dem es hieß: „Am 30. April hat der Führer Selbstmord begangen und damit alle, die ihm Treue geschworen hatten, im Stich gelassen. Ich ordne die sofortige Einstellung jeglichen Widerstandes an.“
Ukrainische Botschaft wird nicht kommen
Der Frieden von damals wird seit vielen Jahren am 8. Mai in Karlshorst mit einer besonderen Zeremonie gefeiert: Gegen 22 Uhr gibt es auf der Terrasse und im Kapitulationssaal einen „Toast auf den Frieden“: Sekt und Reden. Wie ist das in diesem Jahr? Werfen ausgerechnet 70 Jahre nach Kriegsende und 25 Jahre nach der Öffnung des Eisernen Vorhangs aktuelle politische Ereignisse ihre Schatten auf das Fest am historischen Ort?
Es scheint so. Der Direktor des Deutsch-Russischen Museums, Jörg Morré, sagt, dass für die (nicht mehr existierende) Sowjetunion Botschaftsvertreter der Russischen Föderation, Weißrusslands und der Ukraine sprachen. Diese Länder waren am stärksten vom deutschen Vernichtungskrieg betroffen und sind an der laufenden Arbeit des Museums beteiligt. Als Besonderheit kam auch der Vertreter eines Gastlandes zu Wort. „In diesem Jahr wird erstmalig mit der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien, Monika Grütters, auch ein Mitglied der Bundesregierung sprechen“, freut sich Jörg Morré, „allerdings werden, wie auch schon im Vorjahr, die amerikanische und die britische Botschaft keinen Vertreter schicken. Die ukrainische Botschaft wird, trotz einer mündlichen Zusage, ebenfalls nicht kommen.“
Russland, Frankreich und Belarus werden dabei sein, Staatsministerin Grütters’ Zusage wird als „Unterstützung unserer Arbeit“ gewertet und begrüßt. „Aber aufgrund der anderen Erfahrungen werden wir in Zukunft den Toast auf den Frieden so gestalten, dass wir nicht mehr von diplomatischen Entscheidungen abhängig sind“, sagt der Direktor, dem es darum geht, „in Erinnerung an einen historischen Moment alle Beteiligten zusammenzubringen und die Länder angemessen zu repräsentieren“.
Besuch der Dauerausstellung lohnt sich
Offenkundig steht aber dem seit Jahren bewährten Höhepunkt der Feiern die aktuelle politische Weltlage im Wege. „Ich dagegen möchte das Format des Toasts als eine interkulturelle Geste der Erinnerung erhalten – auch, weil damit ein langer Tag im Museum, der für die Besucher von Eindrücken und Einsichten in die Geschichte geprägt ist, zu Ende geht. Wir möchten diesen Moment für alle, die am 8. Mai bei uns sind, bewahren“, sagt Jörg Morré. Zur Not also die Geste auch ohne Gäste und ihre Ausflüchte.
Ein Besuch in dem Museum und seiner neuen Dauerausstellung lohnt immer. Das beginnt schon im Freien, wo die drohenden Rohre von Panzer-Ungetümen aus der Schlacht um Berlin mittlerweile von blühenden Kastanien umkränzt sind. „Für die Heimat“ (Sa rodinu!) steht mit weißer Farbe auf einem T-34, der vor 70 Jahren durch die zerborstenen Straßen Berlins gerollt sein soll – in der eindrucksvollen Ausstellung erlebt man den Krieg und sein Ende aus deutscher und sowjetischer Sicht.
Im Gästebuch wird nach Angela Merkel verlangt
Im Kapitulationssaal läuft ein Film von dem Weltereignis, damals, echt ist hier nur der helle Fußboden, alles andere wurde nach historischen Fotos nachgestaltet. Vor einem 46 Tonnen schweren Panzer steht ein Ehepaar, Regina und Rudolf Goldmann aus Herford, die hier an die Kriege erinnert werden, „die uns jeden Abend in der Tagesschau um die Ohren fliegen“.
Frieden sei das wichtigste Gut für alle Menschen – dies ist ihr Fazit des Besuchs in Karlshorst. Und ins Gästebuch hat jemand einen Gruß an die Leitung des Museums geschrieben: „Bitte laden Sie die Bundeskanzlerin ein, damit sie erfährt, was Krieg heißt!“
Das Museumsfest am 8. Mai stellt Erinnerungen, Rituale und Gedenkformen zum „Tag des Sieges“ in den Mittelpunkt. Ab 10 Uhr Filme, Gespräche, 13 Uhr ökumenischer Friedensgottesdienst und bis 22 Uhr Konzerte mit einer Big Band und Sängern und Tänzern des Alexandrow-Ensembles
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