Kriminalität: U7 ist Berlins längste Drogenmeile
Die U7 gilt als gefährlichste U-Bahn-Linie der Stadt. Doch nicht nur Gewalt, auch Drogenhandel ist an der Tagesordnung. Die Polizei setzt auf Kameras und erhöhte Präsenz.
Durch die angekippten Waggonfenster zieht frische Luft in den Waggon, die Leute sind sommerlich gekleidet. Eine ältere Dame im geblümten Kleid liest einen Roman, ein Schnauzbartträger tippt auf seinem Handy herum, ein hübsches Pärchen schmust im Stehen. Die Stimmung ist friedlich, gelöst, alle wirken ein bisschen träge im letzten Wagen des Zuges zwischen Südstern und Hermannplatz, auf der U7 also. Es ist kurz vor 22 Uhr. Wer sich hier umsieht, kommt nicht auf die Idee, dass er auf der gefährlichsten U-Bahn-Linie Berlins fahren soll.
Die Zahlen scheinen allerdings dafür zu sprechen: Bis Ende April hat die Polizei bereits 79 Mal bei der BVG Videoaufnahmen aus den Kameras der U7-Stationen angefordert – wegen Raubtaten, Körperverletzung, Diebstahl, Vandalismus. Für die Linie 6 gab es 75 Anfragen. Für die (allerdings deutlich kürzere) U8, den bisherigen Spitzenreiter, waren es 73.
Brutal zusammengetreten und ausgeraubt
Seit April 2006, als die BVG begann, die Bilder aus den Bahnhöfen 24 Stunden lang zu speichern, werden diese immer öfter angefordert. Ein Vergleich der Zahlen sei aber nur bedingt möglich, sagt Polizeisprecher Bernhard Schodrowksi: Die U7 ist mit fast 32 Kilometern die längste im Netz der BVG – da ist es nur wahrscheinlich, dass auf ihren 40 Stationen auch am meisten Straftaten begangen werden. Zum Vergleich: Die U8 hat lediglich 24 Stationen auf 18 Kilometern.
Die Entwicklungen rund um die Videoüberwachung seien aber "rückhaltlos zu begrüßen". Zuletzt konnten nach der Veröffentlichung von Videobildern zwei Schläger festgenommen werden, die ihr Opfer an einem frühen Samstagmorgen im Februar auf dem Bahnhof Blissestraße brutal zusammengetreten und ausgeraubt hatten.
Vier Bahnhöfe sind Drogen-Schwerpunkte
Wie oft die Polizei in diesem Jahr bereits zu Einsätzen im Bereich der U7 gerufen wurde, kann der Sprecher nicht sagen. Allerdings wertet er es schon als "Erfolg" der präventiven Strategie der Polizei, wenn das Kriminellste, was sich an einem normalen Werktag nach Einbruch der Dunkelheit auf der U7 beobachten lässt, der illegale Weiterverkauf gebrauchter BVG-Tickets ist. "Die Leute sollen sich sicher fühlen."
Und das, obwohl die Strecke zwischen Rudow und Rathaus Spandau noch immer als längste Drogenmeile Berlins gesehen werden kann. Die Bahnhöfe Hermannplatz, Fehrbelliner Platz, Jungfernheide und Jakob-Kaiser-Platz gelten als Schwerpunkte – unter anderen. Auch darum zeigt die Polizei auf der U7 Präsenz, kontrolliert Personen. Über 60 solcher Einsätze waren es bis Ende Mai. Zusätzlich koordiniert die zentrale Sonderkommission Sinod ("Sicher im Nahverkehr ohne Drogen") die Arbeit zwischen den einzelnen Polizeidirektionen. Der Öffentliche Nahverkehr, so der Polizeisprecher, sei für die Polizei eine "besondere Aufgabe" in Zusammenarbeit mit der BVG. Das Ziel sei, "umfassende Sicherheit" zu bieten. Nur eine Garantie dafür, die gebe es leider nie.
Geschäfte laufen im Verborgenen
Vielen arglosen Fahrgästen fällt das Treiben der Dealer und ihrer Kunden möglicherweise überhaupt nicht auf. Die Geschäfte laufen im Verborgenen, werden über Handy verabredet und etwa auf Parkplätzen abgewickelt – dies ist auch ein Grund, warum Drogengeschäfte selten per Video verfolgt werden können.
Es braucht einen genauen Blick, um misstrauisch zu werden. Etwa am Hermannplatz, an der Grenze zwischen Kreuzberg und Neukölln, Samstagmittag: Ein unrasierter Typ, rotes T-Shirt, fahriger Blick. Er wartet. Erst oben auf dem Platz, dann auf dem Bahnsteig der U8, später auf dem Bahnsteig der U7. Er setzt sich in den Zug Richtung Rudow – und steht eine Minute später wieder oben in der Sonne. Oder, am selben Tag, ein Bursche am Jakob-Kaiser-Platz in Charlottenburg. Höchstens 18 Jahre alt, Militärfrisur, Fußballschuhe. U-Bahnen halten vor seiner Nase und fahren weiter. Er steigt nicht ein. Sein Handy klingelt, er spielt mit den Kopfhörern seines iPods, während er etwas von "Viertelstunde" murmelt.
Polizeiexperten wissen, dass kaum ein Dealer mehr Stoff am Körper trägt, als vom Gesetzgeber gerade noch als Eigenbedarf toleriert wird. Größere Mengen werden gebunkert, auf Parkplätzen, im Gebüsch, auf dem Bahngelände. Der Handymann verlässt die Station, verschwindet in einer Grünanlage. Zu kurz, um zu pinkeln. Dann schlendert er zurück auf den Bahnsteig. Und nimmt die nächste Bahn. Auf seinem T-Shirt steht ein HipHop-Slogan: "Berlin bleibt Untergrund".
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