Integration: Türkisch ist kein Lieblingsfach
Die deutsch-türkische Alphabetisierung wurde einst von 19 Berliner Grundschulen angeboten. Nur fünf von ihnen blieben übrig. Sie wissen, warum sie an dem Konzept festhalten.
Erhard Laube ist in diesen Tagen ein gefragter Mann: Nach den Auslassungen des türkischen Ministerpräsidenten wollen nicht nur die „Tagesthemen“ von ihm wissen, was er von türkischen Schulen hält, wie die zweisprachige deutsch-türkische Alphabetisierung an seiner Schule klappt und warum sie an dem Konzept festhielt, als andere Schulen es aufgaben.
Eines gleich vorneweg: Laube, der zehn Jahre lang GEW-Vorsitzender war, bevor er die Leitung der Schöneberger Spreewald-Grundschule übernahm, hält nichts von Erdogans Forderung nach türkischen Schulen. „Kommunikationssprache muss Deutsch sein“, steht für Laube fest. Aber er hat die Erfahrung gemacht, dass Kinder leichter Deutsch lernen, wenn sie ihre Muttersprache richtig beherrschen. Und deshalb gibt es an der Spreewaldschule immer eine Parallelklasse pro Jahrgang, die zusätzlich auf Türkisch schreiben lernt.
„Diese Klasse schneidet in den Vergleichsarbeiten besser ab als die anderen“, ist Laubes Erfahrung. Allerdings weiß er nicht genau, woran das liegt. „Es kann an der zweisprachigen Alphabetisierung liegen, aber auch daran, dass es meist bildungsbewusstere Familien sind, die sich für dieses aufwendige und anspruchsvolle Konzept entscheiden,“ vermutet der Schulleiter. Zudem komme es den Kindern wohl auch zugute, dass sie schlichtweg mehr Unterricht haben und mehr Lehrer. Denn zu dem Konzept gehören fünf zusätzliche Stunden pro Woche, und in sieben weiteren Stunden ist noch ein zweiter Lehrer im regulären Unterricht dabei. Laube vermutet, dass es letztlich ein Mix aus all diesen Faktoren sei, der zu dem Erfolg der Kinder beitrage.
Die deutsch-türkische Alphabetisierung, die 1990 als Schulversuch begann, war aber nicht überall in Berlin ein Erfolg. Im Gegenteil: Von 19 Schulen, die sie 1997 praktizierten, sind nur fünf übrig geblieben. Viele Schulen begründeten die Abkehr von dem Konzept mit der mangelnden Nachfrage oder dem Fehlen geeigneter Lehrer. Die geringe Nachfrage sieht die Bildungsverwaltung darin begründet, dass die türkischen Eltern einen Nachteil für das Erlernen von Deutsch oder Englisch befürchten. „Man muss Überzeugungsarbeit bei den Eltern leisten“, bestätigt auch Ayfer Sever, eine von vier türkischen Muttersprachlern an der Spreewald-Grundschule. Die 44-Jährige, die in Anatolien geboren wurde und an der FU auf Lehramt studierte, lehnt im Übrigen ebenso wie Laube türkische Schulen in Deutschland ab, „weil die deutsche Sprache entscheidend ist für den Erfolg“.
Auch die Rixdorfer Grundschule in Nord-Neukölln hält an der deutsch-türkischen Alphabetisierung fest. Die Kinder würden viel lernen beim Vergleichen der Sprachen und einfach bewusster mit Worten umgehen, beobachtet Angelika Tiedemann, die seit 17 Jahren diesen Unterricht verantwortet.
Etwas vorsichtiger beurteilt Berlins ehemalige Ausländerbeauftragte Barbara John das Konzept. Sie ist nicht sicher, ob es gut ist „den Prozess der Alphabetisierung so zu belasten“. Aber auch sie sieht den Vorteil, dass die Kinder sich „mehr mit Sprache auseinandersetzen“, wenn sie Deutsch und Türkisch vergleichen können. Erdogans Vorschlag, türkische Schulen in Deutschland einzurichten, hatte sie schon vor einigen Tagen als „Unsinn“ bezeichnet.
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