Tödliche Prügelattacke am Alex: Türkei will mutmaßlichen Schläger im Zweifel ausliefern
Die Türkei hat zugesagt, den in die Türkei geflohenen mutmaßlichen Täter vom Alexanderplatz auszuliefern, wenn die Bedingungen dafür erfüllt werden. Berlins Justizsenator Thomas Heilmann nahm zuvor die Alexanderplatz-Ermittler in Schutz – und kritisierte, wie die Justiz mit jungen Intensivtätern umgeht.
Im Fall der tödlichen Prügelattacke am Berliner Alexanderplatz hat die Türkei eine Auslieferung des Hauptverdächtigen in Aussicht gestellt. Sollten die Voraussetzungen dafür erfüllt sein, werde sein Land den Mann ausliefern, sagte der türkische Justizminister Sadullah Ergin am Mittwoch nach einem Treffen mit seiner deutschen Amtskollegin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) in Ankara. Der 19-Jährige, den die Ermittler für die treibende Kraft der Gewaltorgie halten, hatte sich in die Türkei abgesetzt. Der türkische Justizminister betonte, es gebe ein internationales Abkommen und bestimmte Verfahren für eine Auslieferung von Straftätern. Die Türkei sei in dieser Frage immer ihrer Verantwortung nachgekommen. Das gelte auch in diesem Fall. Zu Einzelheiten äußerte er sich nicht.
Der Berliner Justizsenator Thomas Heilmann hat das Vorgehen der Ermittler im Fall der tödlichen Prügelattacke verteidigt. „Polizei und Staatsanwaltschaft arbeiten fieberhaft Tag und Nacht – und es wird sehr gut gearbeitet“, sagte der CDU-Politiker am Dienstag. Zuvor hatte es Kritik gegeben, weil der Hauptverdächtige der Attacken sich per Zeitungsinterview aus der Türkei gemeldet hatte, während ein Rechtshilfeersuchen aus Deutschland offenbar noch nicht bei den türkischen Behörden eingegangen ist. Nach Tagesspiegel-Informationen ist den deutschen Ermittlern schon seit etwa einer Woche bekannt, wo genau sich der 19-jährige Verdächtige aufhält.
Heilmann betonte, dass in diesem Verfahren Gründlichkeit vor Schnelligkeit gehe: „Es geht auch darum, gerichtsfeste Beweise zu sammeln“, sagt der Senator. „Verurteilungen in diesem Fall sind nämlich alles andere als ein Selbstläufer.“ So müssten jedem Täter einzelne Handlungen nachgewiesen werden: „Wann wurde welcher Schlag ausgeführt? Wer hat zugetreten? Welche Verletzungen führten zum Tode?“. Heilmann: „Das ist eine große Herausforderung.“ Die mache ihm „mehr Sorgen als die Frage, ob es ein paar Tage länger dauert, bis wir für die Zusammenarbeit mit den türkischen Behörden alle Dokumente beisammen haben“.
Bei der Zusammenarbeit mit der Türkei sei zudem Zurückhaltung geboten: „Ein türkischer Polizist oder Staatsanwalt lässt sich nicht von einem Berliner Staatsanwalt einfach sagen, wie er seinen Job zu erledigen hat.“ Nach Angaben des Senators hat der mutmaßliche Hauptverdächtige Onur U. entgegen anderslautender Berichte lediglich die deutsche Staatsbürgerschaft, was eine Auslieferung nach Deutschland theoretisch erleichtern könnte. Allerdings könnte Onur U. wegen seiner türkischen Herkunft in der Türkei auch die türkische Staatsbürgerschaft beantragen, sagte Heilmann.
Nachdem der junge Mann von einem Reporter in der Türkei ausfindig gemacht worden ist und beteuert hat, sich in Deutschland stellen zu wollen, gab es von der Staatsanwaltschaft am Dienstag „aus ermittlungstaktischen Gründen“ keine Auskünfte mehr zu Einzelheiten. Auch nicht zu der Frage, ob den Ermittlern bekannt ist, wo sich die beiden weiteren Verdächtigen aufhalten. Hüseyin I. (21) und Bilal K. (24) sollen beide aus Wedding kommen und stehen in Verdacht, ebenfalls zu der sechsköpfigen Gruppe zu gehören, die für den Tod des 20-jährigen Jonny K. am Alexanderplatz verantwortlich ist. Er war am 14. Oktober zu Tode geschlagen und getreten worden. Laut einem Ermittler ist die Polizei den beiden Verdächtigen auf der Spur.
Heilmann gestand ein, dass die Justiz wegen des bisherigen Umgangs mit Wiederholungstätern wie Onur U. zu recht kritisiert werde: „Wir müssen uns in der Tat die Frage stellen, wie es sein kann, dass der Hauptverdächtige in der Vergangenheit oft mit der Jugendgerichtshilfe, mit dem Jugendamt und so weiter zu tun hatte – mit so negativem Ausgang“, sagte der Senator. „Wenn wir uns fragen, ob wir im Umgang mit Intensivtätern immer erfolgreich sind, lautet die Antwort: Nein.“ Er könne „leider nicht sagen, dass wir mit dem Erreichten zufrieden sind.“
Die Attacke soll an diesem Mittwoch auch Thema in der Talkshow von Anne Will sein. Dort wird laut ARD die Schwester des 20-jährigen Todesopfers erwartet. (mit dpa)