Fehlende Ausbildungsplätze: Turbo-Abiturienten machen Druck auf Lehrstellenmarkt
Der doppelte Jahrgang erhöht die Bewerberzahl. 2800 Schulabgänger sind noch ohne Ausbildungsvertrag. Senatorin Kolat fordert Jugendlich zu mehr Flexibilität auf.
Während in Brandenburg die Unternehmen längst nicht mehr jede Lehrstelle besetzen können, suchen in diesem Jahr in Berlin wieder mehr Jugendliche einen Ausbildungsplatz, als dass es Stellen gibt. Nach der letzten Statistik der Regionaldirektion für Arbeit standen im Juli 7600 Ausbildungsplatzbewerbern nur noch 4800 offene Plätze gegenüber. Rechnerisch ergibt sich eine Lücke von 2800 Lehrstellen. Im vergangenen Jahr belief sich die Differenz auf 2200.
Zurückzuführen ist diese Entwicklung vor allem auch auf die hohen Schulabgängerzahlen durch die hohe Anzahl der Abiturienten. Denn durch das Turbo-Abitur hat in diesem Jahr ein doppelter Jahrgang in Berlin die Reifeprüfung abgelegt.
Wie Arbeitssenatorin Dilek Kolat (SPD) gestern sagte, haben Unternehmen und Öffentlicher Dienst im Vergleich zum Vorjahr zwar 1300 zusätzliche betriebliche Ausbildungsplätze in Aussicht gestellt. Dies ist jedoch angesichts der gestiegenen Zahlen der Schulabsolventen nicht ausreichend. Kolats Angaben zufolge werden die Effekte des doppelten Abi-Jahrgangs noch im kommenden Jahr zu spüren sein. Erst danach werde sich die Lage ändern; dann würden auch in Berlin die Folgen des demografischen Wandels zu spüren sein. „Ab 2014 wird es einen Wettbewerb der Unternehmen um die Jugendlichen geben“, sagte Kolat. Angesichts dieser Aussichten hat der Senat die Zahl der außerbetrieblichen Ausbildungsmaßnahmen von 1400 auf 500 gesenkt.
In Brandenburg machen sich die gesunkenen Schulabgängerzahlen schon länger bemerkbar. Hier suchen weniger Jugendliche einen Ausbildungsplatz als Unternehmen passende Bewerber. Und diese Differenz ist in diesem Jahr noch gestiegen. Den Arbeitsagenturen wurden insgesamt 4769 Lehrstellen gemeldet. Ihnen gegenüber standen 4418 Jugendliche.
Senatorin Kolat nannte „die Zusammenführung von Ausbildungsplatzangebot und -nachfrage eine zentrale Herausforderung auf dem Ausbildungsmarkt“. Wie viele Bewerber letztlich dann keine Lehrstelle finden, könne man allerdings erst im Oktober oder November sagen, wenn die letzten Verträge geschlossen und auch die Nachvermittlungsaktionen der Kammern beendet seien. Im vergangenen Jahr fanden rund 1300 Jugendliche keinen Ausbildungsplatz. Insgesamt wurden damals knapp 15 300 Ausbildungsverträge geschlossen.
An die Unternehmen appellierte die Arbeitssenatorin, die Auswahlverfahren etwas aufzulockern und bei den Bewerbern nicht nur nach Noten zu schauen. „Das ist nicht mehr zeitgemäß“, sagte Kolat. Die Jugendlichen forderte sie zudem zu mehr Flexibilität bei der Wahl ihres Ausbildungsplatzes auf. „Wenn es mit dem Traumberuf nicht klappt, sollte man sich auch nach einem anderen Einstieg umsehen“, sagt Kolat. Sie wies auch darauf hin, dass es immer noch die geschlechtsspezifischen Berufswünsche gibt. „Mädchen interessieren sich so gut wie gar nicht für den gewerblich-technischen Bereich“, sagte Kolat. Laut Arbeitsagentur stehen bei jungen Frauen folgende Berufswünsche ganz oben: Medizinische Fachangestellte, Verkäuferin, Kauffrau im Einzelhandel. Bei den jungen Männern sind es der Einzelhandelskaufmann, KfZ-Mechatroniker und Verkäufer. Die meisten offenen Ausbildungsplätze gibt es noch im kaufmännischen Bereich.
Auch die Kammern weisen in diesen Tagen darauf hin, dass auf ihren Online-Vermittlungsbörsen noch offene Stellen zu finden sind. Knapp 500 Plätze vermeldet die Handwerkskammer (www.hwk-Berlin.de), rund 400 Lehrstellen sind noch auf der Internetseite der Industrie- und Handelskammer (www.ihk-berlin) zu finden.