Geheimer Rechnungshofbericht: Trotz Millionenausgaben - Berlins Schulen im digitalen Abseits
Seit Jahren verspricht die Verwaltung Berlins Schulen digital auszurüsten - 30 Millionen Euro wurden ausgegeben, aber nur knapp jede sechste Schule ist bisher vernetzt.
Es gibt ein paar Dinge, über die sich Ralf Treptow aufregen kann. Zum Beispiel der Umstand, dass er immer im März ins Schulamt fahren muss, um den Lehrerbedarf für das nächste Schuljahr nachzuweisen. Eigentlich müsste das elektronisch gehen. Tut es aber nicht. Also rein ins Auto und quer durch den Bezirk. Treptow leitet das Rosa-Luxemburg-Gymnasium in Pankow und hat dieselben Probleme wie alle Schulleiter: Vor fünf Jahren wurde ihnen der Aufbruch ins 21. Jahrhundert versprochen, indem sie eine moderne technische Ausstattung bekommen sollten. Seitdem sind 30 Millionen Euro ausgegeben worden, aber eine Arbeitserleichterung ist kaum eingetreten.
Inzwischen ist auch der Rechnungshof auf das Problem aufmerksam geworden. Er hat das hochtrabend „eGovernment@school“ genannte Projekt analysiert und dabei „schwerwiegende Fehler und Versäumnisse“ festgestellt. So wurden Rechner angeschafft, ohne dass die übrigen Voraussetzungen in Form einer Software und einer Verkabelung der Schulen geschaffen waren. Zudem wurde bei zwei verschiedenen Firmen Software für die Stundenplanerstellung und für die Eingabe der Zeugnisformulare eingekauft; aber bisher ist es nicht gelungen, die Produkte kompatibel zu machen.
Erst 15 Prozent der Schulen mit Hardware ausgestattet
Wie wenig an den Schulen angekommen ist vom „eGovernment“ zeigt eine Kleine Anfrage des grünen Verwaltungsexperten Thomas Birk. Demnach waren im März erst 15 Prozent der Schulen mit der Hardware in Form von Servern und Rechnern ausgestattet. Die Frage, wie viele dieser Schulen die Ausstattung nutzen, konnte Bildungs-Staatssekretär Mark Rackles (SPD) nicht beantworten. Die Folge ist, dass die Schulen mit selbst gebastelter Software und Rechnern ohne Vernetzung ihre Aufgaben meistern müssen. Eine Herausforderung ist das Ausfüllen der Zeugnisse: Die Formulare sind so kompliziert geworden, dass es von Hand zeitlich kaum machbar ist. Etliche Schulleiter haben deshalb ein paar hundert Euro ausgegeben, um ein Programm zu kaufen, das von der Bildungsgewerkschaft GEW entwickelt wurde: Auf das Senatsprogramm zu warten, kommt vielen Schulen gar nicht mehr in den Sinn. „Wir sind ein Stück resigniert“, beschreibt GEW-Sprecher Tom Erdmann die Stimmung.
Die schleppende Umsetzung der technischen Neuerungen hat aber noch mehr Konsequenzen. So haben die Schulen keinen Zugriff auf Bewerberlisten. Wenn ein Schulleiter nach etlichen Telefonaten herausfindet, dass ein bestimmter Vertretungslehrer gar nicht mehr zur Verfügung steht, kann er das in den Listen nicht vermerken. Die Folge: Andere Schulleiter verbringen ebenfalls Stunden vergebens damit, denselben Bewerber zu erreichen. „Das Ziel, die Berliner Schulen im 21. Jahrhundert elektronisch zu verwalten, war richtig. Die Schulen erwarten aber nach fünf Jahren, dass endlich alles klappt“, sagt Treptow.
Nur drei Schulen in Pankow technisch umgerüstet
Probleme gibt es auch bei den Umbauten in den Schulen. In jedem Bezirk ist ein anderer Zwischenstand erreicht. Dies wurde durch Birks Anfrage klar. Demnach gibt es Bezirke wie Spandau, in denen ein Großteil der Schulen „ausreichend verkabelt“ ist. Aber in der Mehrzahl sind Bezirke wie Pankow und Reinickendorf, in denen nur an drei von rund 60 Schulen die Voraussetzungen geschaffen sind. „Wir wurden getäuscht“, sagt Birk im Hinblick auf den letzten Zwischenbericht der Bildungsverwaltung, der „gut strukturiert“ gewesen sei und den Abgeordneten deshalb das Gefühl gegeben habe, dass das „eGovernment“-Projekt auf einem guten Weg ist.
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