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Das Kammergericht am Kleistpark Berlin.
© Mike Wolff

Schadsoftware im Berliner Kammergericht: Trojaner-Angriff deutlich schwerer als gedacht

Wegen des Virenangriffs müssen im Kammergericht wohl alle Computer ersetzt werden. Unklar ist, wie das Computersystem infiziert wurde – und wann.

Die Folgen des Trojaner-Angriffs auf das Computersystem des Berliner Kammergerichts und seiner angeschlossenen Geschäftsstellen sind offenbar deutlich schwerwiegender, als bislang bekannt.

Tagesspiegel-Informationen zufolge deutet alles darauf hin, dass sämtliche Rechner der 150 Richter und 370 Angestellten ausgetauscht werden müssen. Darüber habe Bernd Pickel, Präsident des Kammergerichts, die Belegschaft auf einer Mitarbeiterversammlung in der vorigen Woche informiert. Am heutigen Dienstag sollen mit Hilfe des IT-Dienstleistungszentrum (ITDZ) 30 neue Rechner aufgebaut werden.

Wann das derzeit vom Landesnetz abgetrennte Gericht wieder voll arbeitsfähig sein wird, blieb unklar. Stattdessen informierte der Sprecher des Kammergerichts in einer von der Senatsverwaltung für Justiz versendeten Pressemitteilung über den aktuellen Stand. Darin hieß es: Das Kammergericht sei arbeitsfähig, „wenn auch mit erheblichen Beschwernissen“. Die ex- und interne Kommunikation laufe derzeit über Fax und Telefon, Akten müssten per Post verschickt werden. Zur Frage, ob sich Verfahren verzögerten – vor dem Kammergericht werden auch Strafsachen verhandelt – äußerte sich der Sprecher nicht.

Unterdessen berichtete einer der 150 Richter im Gespräch mit dem Tagesspiegel von einem „Rückfall in das Papierzeitalter“. „Wir sind arbeitsfähig, allerdings nur in Form elektronischer Schreibmaschinen“, erklärte er und bezog sich damit auf die rund 430 Arbeitsplätze des Kammergerichts, deren Rechner zwar arbeitsfähig sind, zur Vermeidung der Weitergabe des unter Fachleuten als höchst gefährlich geltenden Virus „Emotet“ aber isoliert wurden. Darüber hinaus berichtete der Richter über eine große Verunsicherung unter den Beschäftigten des Kammergerichts.

Infizierung möglicherweise über private Rechner

Viele von ihnen hätten in der Vergangenheit, auch wegen der häufig veralteten Dienstrechner, dienstliche Daten auf Speichermedien wie USB-Sticks mit nach Hause genommen und dort im Home-Office gearbeitet. Die Befürchtung, damit auch die privaten Rechner mit dem Virus infiziert zu haben, ist groß – und offenbar begründet. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik rät im Fall einer Infizierung mit dem Emotet-Virus zu einer Neuaufsetzung des betroffenen Rechners. In einer aktuellen Information zu dem Virus heißt es weiter: „Emotet gilt als eine der größten Bedrohungen durch Schadsoftware weltweit.“

Unklar bleibt, wann die Infizierung der Hardware des Kammergerichts durch den Virus erkannt worden ist. Laut „Tagesspiegel Checkpoint“, habe Pickel die Mitarbeiter darüber informiert, dass die Infektion beim ITDZ bereits am 10. September festgestellt worden war. Dies bestritt der Kammergerichtspräsident. Laut Pressemitteilung habe er mitgeteilt, die für den Angriff auf das Gericht verantwortliche „Emotet“-Variante sei frühestens am 10. September entwickelt worden. Das ITDZ habe die für den Vorfall relevanten Informationen stets unverzüglich übermittelt.

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