Checkpoint Charlie in Berlin: Touris, Betrüger und jede Menge Verkehr
Über die Neugestaltung des historischen Grenzübergangs zwischen Kreuzberg und Mitte wird ab Montag öffentlich debattiert. Ein Ortstermin.
GI Smith mit seiner coolen Sonnenbrille macht jetzt mal auf Mr. Kung Fu. Der Oberkörper rotiert, das rechte Bein schnellt waagrecht nach vorne, dazu ein wilder Schrei, und vermutlich ist der Blick hinter den dunklen Gläsern stahlhart. Das sieht zwar etwas seltsam aus, so ein Auftritt in schmucker US-Army-Uniform und blank geputzten Schuhen. Aber wenigstens nicht so schräg, wie ein Minute zuvor, als GI Smith hysterisch lachend zwischen Touristen stand.
Aber bitte, hier ist der Checkpoint Charlie, hier gibt’s Show, hier steht das frühere Wachhäuschen der US Army mit den Sandsäcken, hier gibt’s Fotos von Schauspielern, die in US-Uniformen stecken und Namensschilder an den Hemden tragen. „Smith“ zum Beispiel.
Oh, und Mr. Smith kann ja auch ganz böse sein. Zwischen zwei GIs salutiert nämlich ein Tourist. Gott, was für eine Geste, GI Smith ist außer sich. „Hee, du salutierst mit der linken Hand. Zehn Liegestütz, sofort.“ GI Smith brüllt mit leicht arabischem Akzent. Dann lacht er.
Die Touristen lachen auch, während sie fotografieren. Auch eine ältere Frau lacht. Nur steht sie dabei auf der Friedrichstraße. Ein Motorrad, dessen Hinterreifen die Breite einer hundertjährige Eiche hat, hätte sie fast umgefahren. Touristenmagnet Checkpoint Charlie, später Sonntag Vormittag, der übliche Betrieb, Fußgänger, Autos, Busse, Lastwagen in engstem Kontakt.
„Das ist hier ja wirklich gefährlich“
Die problematische, die manchmal lebensgefährliche Verkehrssituation, die dürfte am Montag Hauptthema sein. Da findet der „Öffentliche Auftakt zum Partizipationsprozess ,Zukunft Checkpoint Charlie’“ statt, veranstaltet von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen. Sie beginnt um 18 Uhr im „Asisi Panorama Berlin“, Friedrichstraße 205.
Es geht um Visionen für den Checkpoint, Experten erklären ihre Vorstellungen und Untersuchungsergebnisse. Ein Ziel der Senatsverwaltung ist es, „das öffentliche Interesse am Checkpoint zu erfassen, zu diskutieren und unterschiedliche Gruppen in den Entwicklungsprozess einzubeziehen“.
Man kann zum Beispiel das junge Ehepaar aus Landsberg einbeziehen, das an der Ecke Friedrich-/Zimmerstraße auf ein Handy starrt, das Paar stünde dann für die Abteilung „Touristen“. Eigentlich suchen Melanie und Jörg Basteiner (Namen geändert) nur das „Deutsche Currywurst-Museum“. Aber wenn er hier auf den Verkehr schaue, sagt Jörg Basteiner, „bin ich schon irritiert. Das sollte man verkehrsberuhigter machen“.
Er meint zum Beispiel den mächtigen schwarz-lackierten Bus, der langsam abbiegt, er meint den Van, der ein paar Touristen von der Straße scheucht, er meint den Kleinwagen, der stoppt, damit ein Vater mit Kinderwagen über die Straße gehen kann und dann zehn Sekunden warten muss, weil eine Traube von Touristen auch die Straße wechselt. Szenen innerhalb weniger Sekunden. Manchmal lautet die spannendste Frage am Checkpoint Charlie, warum eigentlich so wenig passiert. „Das ist hier ja wirklich gefährlich“, sagt Lina Warmouth, Computer-Expertin aus Michigan, USA.
„Wo ist Kugel?“
Man kann in die Visionen auch die junge Frau einbeziehen, die in der „Black Box Checkpoint-Charlie“ Karten verkauft, sie spräche dann als Vertreterin der Gewerbetreibenden. Und sie redet über ein Problem, das viele frustrieren dürfte. „Ich habe den Wunsch“, sagt sie, „dass wir hier mehr Polizei hätten. Es gibt hier Hütchenspieler und Leute, die angeblich für soziale Notdienste sammeln, das Geld aber selber einstecken. Die sind jederzeit da, dazu gehören auch Kinder.“ Hütchenspieler sind Betrüger, das ist allgemein bekannt. Und trotzdem gehören sie zum Alltagsbild am Checkpoint.
Direkt vor der „Black Box“ hat sich gerade ein Hütchenspieler niedergelassen, er wirbelt mit seinen Streichholzschachteln, dann die übliche Frage: „Wo ist Kugel?“ Drei Frauen aus der Dominikanischen Republik stehen vor ihm, offenbar hat sie niemand vorgewarnt. In zwei Minuten haben sie insgesamt 200 Euro verloren. Zehn Minuten später sitzt der Hütchenspieler auf der anderen Straßenseite, ungestört, umgeben von potenziellen Kunden und Komplizen.
„Die Polizei müsste öfter kontrollieren“, sagt die junge Ticket-Verkäuferin, „aber die ist natürlich auch überlastet.“ Ein 67-jähriger, gebürtiger Mazedonier, stadtbekannt, hatte vor kurzem von der Polizei ein Aufenthaltsverbot für die Berliner City erhalten. Er sitzt unverändert am Checkpoint, die „BZ“ hat ihn gerade wieder mal gesehen.
Eine Richterin hatte einen Haftbefehl abgelehnt. Begründung: „Unverhältnismäßig“. Werden die Hütchenspieler vertrieben, gehen sie aufs private Gelände der „Black Box“. Dort werden sie ebenfalls weggeschickt. „Aber sie gehen problemlos. Die Betrüger mit den angeblichen Notdiensten dagegen nicht, mit denen ist es schwieriger“, sagt die Ticketverkäuferin.
Selbstkritik: „Hier sind zu viele Touristen“
Während ein Stadtführer an der Zimmerstraße auf englisch den Verlauf der Grenze schildert, wirkt ein Ticket-Verkäufer der „Mauer Panorama Ausstellung“ überaus entspannt. „Aus meiner Sicht muss sich hier nichts ändern“, sagt er. Dann blickt an einer Hausfassade entlang. „Aber fragen Sie mal die Leute, die hier wohnen.“ Nicht nötig, Für die gibt es ja die Anhörung.
Der 26-jährige Charles aus der Dominikanischen Republik hat auch ein Problem, er wird aber nicht zur Anhörung kommen. Er steht am Mauermuseum, blickt auf die Menschen und stöhnt: „Hier sind zu viele Touristen.“ Eine Lösung? Nein, eine Lösung hat er nicht. Nur einen Seufzer. „Ich bin ja selber einer.“
Frank Bachner
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