Berlin: Tortenschlacht: Wannsee-Terrassen
Ein wolkenverhangener Werktagsnachmittag ist genau so gut wie ein sonniger Sonntag. Hier macht man kaum einen Unterschied - die geblümten Polster werden ausgeworfen auf die Stühle der Aussichtsterrasse hoch über dem Wannsee, auf dass ihnen ein paar Gäste hineingehen, die Torten essen oder Suppen bestellen oder ein Kännchen Kaffee trinken.
Ein wolkenverhangener Werktagsnachmittag ist genau so gut wie ein sonniger Sonntag. Hier macht man kaum einen Unterschied - die geblümten Polster werden ausgeworfen auf die Stühle der Aussichtsterrasse hoch über dem Wannsee, auf dass ihnen ein paar Gäste hineingehen, die Torten essen oder Suppen bestellen oder ein Kännchen Kaffee trinken. Und manchmal finden ein paar Unerschrockene noch mit dem Duft des würzig modernden Herbstwaldes in der Nase das reetgedeckte Haus. Da sitzen sie dann draußen eingemummelt, die der Stadt Entronnenen, atmen Pinie und ernten die Bewunderung derer, die mit ihren lichten Haarkränzen drinnen sitzen an den Fensterplätzen mit Aussicht. Dort, wo es niemals zu frisch wird und die Luft so dick ist, als sollte man sich auch davon eine Scheibe bestellen.
Eine liebenswert altmodische Ordnung herrscht in diesem Haus, denn es ist noch eines mit Ruhetag und nummerierten Papierschnitzeln. Wenn also nicht gerade Dienstag ist, geht man sich an der Theke ein Stück Kuchen aussuchen, etwa ein riesiges Stück Kirschstreusel auf Hefeteig oder ein wuchtiges Stück "Praline". Im Tausch erhält man einen der rot durchnummerierten Papierschnitzel für den Kellner. Der findet die passende Nummer und wir gewinnen ein Tortenstück.
Ein Glas Beuteltee mit einem Zitronenschnitz in der Metallquetsche kommt an und ein Cappuccino mit Sahne obenauf. Unten ruht der Wannsee - auch er unterschiedslos wie an jedem Wochentag. Und für diese Ausicht würde man alles trinken. Eine Aussicht, eine Fernsicht - was für Einsichten.
Die Kellner tragen höflich auf und ab, sehen aus, als täten sie das schon seit Jahren, wirken dabei noch lebendiger als ihre Gäste und sprechen mit ihnen so gedämpft und vertraut, als würde man sich schon sehr lange kennen und hätte es aufgegeben, sich die Realität in Gänze zuzumuten. Das asphaltierte Berlin jedenfalls ist sehr weit weg. Auf dem See unten übt eine Gruppe von Optimisten das Segeln. Ein Megaphon fordert auf Englisch das Wenden und Halsen. Die Boote fahren folgsam große, weite Kreise und es ist, als sähe man einer riesigen Waschtrommel in Zeitlupe beim Drehen zu. Am Ende des Nachmittags lassen sich ältere Frauen im Trench später ganz langsam von ihrem Cockerspaniel zum Parkplatz ziehen. Wir machen es genauso.
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