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Gesetze und ihre Auslegung. Am Donnerstag werden im Prozess gegen Torben P. die Plädoyers gehalten.
© dpa

Prozess gegen U-Bahnschläger: Torben P. kann auf mildes Urteil hoffen

Nach fünf Prozesstagen werden am Donnerstag im Fall Torben P. die Plädoyers gehalten. Dabei scheint ein eher mildes Urteil für den U-Bahnschläger immer wahrscheinlicher zu werden.

Vor allem seit die Expertin am Dienstag ihr psychiatrisches Gutachten abgegeben hat, scheint es auf ein mildes Urteil hinauszulaufen. Sie war darin, wie berichtet, zum Schluss gekommen, dass der Schläger von der Friedrichstraße zum Tatzeitpunkt in seiner Schuldfähigkeit eingeschränkt gewesen sein könnte. Weil der 18-jährige Torben P. aufgrund seiner familiären Situation unter Depressionen litt und zum Zeitpunkt der Attacke sturzbetrunken war. Das Gericht ist zwar nicht an das Gutachten gebunden, kann den Sachverhalt also anders bewerten und sich auch gegen eine Strafmilderung entscheiden, doch gilt das als nicht sehr wahrscheinlich. „Gerichte beauftragen oft Gutachter, denen sie vertrauen und die ein gewisses Renommee haben“, sagt Martin Heger, Strafrechtsprofessor an der Humboldt-Universität. „Dass man dem Gutachter dann nicht glaubt, ist eher selten.“ Im Falle Torben P. sei es gut möglich, dass das mildere Jugendstrafrecht angewendet werde. Dann sei erst recht mit einer Strafmilderung zu rechnen, vielleicht sogar mit einer Bewährungsstrafe, etwa wenn man Torben P. zugute halten könnte, dass er noch nicht habe einschätzen können, wie Alkohol auf ihn wirkt. Die Gutachterin kam auf einen Blutalkoholwert von 3,1 bis 3,6 Promille und liegt damit dicht bei der Staatsanwaltschaft, die von 3,11 Promille ausgeht.

Zum anderen könnte auch die massive Medienberichterstattung sich günstig für Torben P. auswirken. „Die Verteidigung hat beantragt, dass die Berichterstattung über den Fall in die Hauptverhandlung eingeführt wird, und das ist auch geschehen“, sagte Gerichtssprecher Robert Bäuml. Der Rechtsprofessor Volker Boehme-Neßler von der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) hält das für ungewöhnlich. „Das könnte ein Indiz dafür sein, dass das Gericht auf eine Strafmilderung zusteuert“, sagt Boehme-Neßler. Viele Gerichte würden sich eher auf den Standpunkt stellen, sich Medienberichte bestmöglich zu ignorieren. Allerdings funktioniere das nicht. „Viele Richter halten sich für immun gegen die öffentliche Meinung“, so Boehme-Neßler. „Aber das ist ein Mythos. Es ist mittlerweile empirisch belegt, dass Gerichte durch die öffentliche Meinung beeinflusst werden.“ Die heftigste Wirkung hatte nach seiner Einschätzung das 18-Sekunden-Video von der Tat, das die Ermittlungsbehörden ins Internet gestellt hatten: „Der Macht der Bilder kann sich keiner entziehen.“

In dem Gutachten wird auch die belastende Situation in der Familie des Angeklagten beschrieben. Vater und Mutter leiden unter chronischen Krankheiten, die in der Familie aber als Tabu gelten. Der Verteidigung war es nicht gelungen, für die Verlesung des Gutachtens, das viele intime Details über Torben P.s Kindheit mit dauerkranken Eltern enthält, die Öffentlichkeit ausschließen zu lassen.

Torben P.s Verteidiger wollten sich vor den Plädoyers nicht zur Sache äußern. Auch Nebenklagevertreterin Elke Zipperer hielt sich bedeckt. Sie kündigte aber an, auch ein Plädoyer und einen Strafantrag stellen zu wollen. Torben P. hatte in der Nacht zu Karsamstag einen 30-Jährigen im Bahnhof Friedrichstraße niedergeschlagen und durch Tritte schwer verletzt. Das Urteil soll am 19. September verkündet werden. Fatina Keilani

Fatina Keilani

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