Debatte um Sperren auf Bahnsteigen: Tödliches Schubsen lässt sich kaum verhindern
In der Debatte um die Sicherheit an Bahnhöfen werden häufig Sperren auf Bahnsteigen gefordert. Die Umsetzung ist aber schwierig, Sicherheit nicht garantiert.
Ein Kind wird vor einen fahrenden Zug geschubst und getötet. Die grausame Tat hat eine Debatte um die Sicherheit auf Bahnsteigen ausgelöst. Eisenbahner fordern mehr Polizei auf dem Bahnhof, die Polizeigewerkschaft GdP dagegen technische Lösungen. Wie berichtet, hatte der stellvertretende Vorsitzende der GdP, Jörg Radek, gefordert, über „den Einbau technischer Sperren zu diskutieren, die den Zugang zu Gleisen erst ermöglichen, wenn der Zug steht“. Eine solche Diskussion hatte es in Berlin zuletzt 2016 gegeben, nachdem eine junge Frau vor einen U-Bahn-Zug geschubst und tödlich verletzt worden war.
Unter „technischen Sperren“ sind vor allem Bahnsteigtüren zu verstehen: Der Bahnsteig ist von Wänden begrenzt, Schiebetüren darin öffnen sich erst dann, wenn der Zug steht, zugleich gehen die Türen des Zuges auf. So etwas gibt es in mehreren größeren Städten auf der Welt, zum Beispiel in London und Paris. Auf Bahnhöfen mit sehr hohem Andrang – nicht aus Sorge vor „Schubsern“ – wird so dort die Sicherheit der Fahrgäste gewährleistet. Unabhängig von der Tat in Frankfurt (Main) hat jetzt München angekündigt, Bahnsteigtüren zu testen, zunächst in einer Station des Netzes.
2016 hatte der Senat Bahnsteigtüren kategorisch abgelehnt. Das wichtigste Hindernis ist leicht zu erklären: Manche Berliner Züge haben drei Türen pro Wagen, andere nur zwei – auf der gleichen Linie. Selbst wenn es einen einheitlichen Wagenpark gäbe, wäre aus Sicht der Verkehrsverwaltung ein vollautomatischer Betrieb Voraussetzung. Nur so sei sichergestellt, „dass die Fahrzeuge an exakt definierten Standorten zum Halten kommen“. So hatte der Senat nach der Tat in Berlin 2016 eine Anfrage der CDU beantwortet. Auf deutsch: Ein Fahrer ist nicht in der Lage, einen Zug so zu stoppen, dass die Türöffnungen exakt passen.
Berlin hat zudem eines der ältesten U-Bahn-Netze der Welt, viele Bahnsteige sind schmal oder gekrümmt – jede Station müsste eine Sonderanfertigung bekommen. Eine auch nur grobe Kostenschätzung hat die Verwaltung nicht, hunderte Millionen wären wohl mindestens zu kalkulieren. Auch der Denkmalschutz, der mittlerweile für die Mehrzahl der Berliner BVG-Stationen gilt, steht Wänden an der Bahnsteigkante entgegen.
Umsetzung kaum möglich
Aus Sicht von Experten ist eine derartige Technik sinnvoll bei vollständigen Neubauten, wie zum Beispiel Kabinenbahnen an Flughäfen. Selbst die automatischen, fahrerlosen Züge der Nürnberger U-Bahn rollen ohne diese Türen. Als nach der Wende in Berlin die Idee einer Verlängerung der U5 nach Westen aufkam, sollte diese Bahnsteigtüren erhalten. Wie berichtet, soll die U5-Verlängerung zum Hauptbahnhof Ende 2020 eröffnet werden – allerdings ohne Türen.
Auch den Vorschlag, mit Schrittgeschwindigkeit in Bahnhöfe einzufahren, lehnen die Verkehrsunternehmen strikt ab, weil dies den Betrieb bremsen würde und eine Tat nicht verhindern könnte – ob eine Person mit Tempo 10 oder 40 überrollt wird, ist unerheblich. Schon vor 20 Jahren – nach einer ähnlichen Tat – hatte eine BVG-Sprecherin gesagt, dass es „100-prozentige Sicherheit nicht gibt“. Auch GdP-Mann Jörg Radek war zu der Erkenntnis gelangt, dass sein Vorschlag nicht umzusetzen ist. „Es gibt 5600 Bahnhöfe. Diese sind historisch gewachsen und oft sehr eng“, hatte Radek in der ARD-Tagesschau gesagt. Die Bahn hat, wie berichtet, eine Projektgruppe beauftragt, die Sicherheit zu prüfen.
Tatsächlich gibt es in Brandenburg einen Bahnhof mit Zäunen an der Bahnsteigkante und einer Tür. 2010 war ein 15-jähriges Mädchen auf dem Bahnhof Wünsdorf von einem durchrasenden Zug getötet worden. Die Jugendliche hatte auf dem nur 1,90 Meter breiten und baufälligen Bahnsteig gestanden, als auf beiden Seiten Züge durchfuhren. Vor Schreck war sie gestolpert. Die Bahn hat dann die Station mit Zäunen gesichert, der Bahnsteig kann nur durch eine elektrische Pforte betreten werden.